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FODN - 66/02/2017

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chen in Frankreich, wo ich dann mit

der Fähre über den Ärmelkanal nach

England gelangte. Nach 2 Stunden auf

dem Schiff war dann alles anders. Ich

fuhr auf der linken Seite und sprach die

nächsten 3 Monate nur noch englisch.

Beides, Autofahren und Kommunizie-

ren, wurde von Tag zu Tag besser und

es dauerte nicht lange, da hatte ich mich

bestens eingelebt. Alle, die Kollegen bei

der Brass Band in Sussex, die Studenten

im Sprachcollege und vor allem Mark

Dimmock, (bei ihm in Eastbourne habe

ich gewohnt) waren innerhalb kürzester

Zeit vertraute Freunde.

Der Freundeskreis wurde immer grö-

ßer und die musikalischen Möglich-

keiten immer umfangreicher. Ob mit

Musikern der Glyndeborne Opera, in

verschiedenen Brass Bands oder bei

Kursen in der Royal Academy of Mu-

sic, ich war gefordert, fühlte mich aber

überall sehr wohl und konnte viel an Er-

fahrung sammeln und mitnehmen. Be-

sonders bereichert hat mich die Begeg-

nung mit dem Musiker und Pädagogen

Roger Webster bei einem Brass Band

Wettbewerb in Stevenage, einer klei-

nen Stadt nördlich von London. Seine

Unterrichtsmethoden und Materialien

verwende ich schon viele Jahre im Un-

terricht. Der persönliche Meinungsaus-

tausch und das gemeinsame Musizieren

mit ihm waren sehr lehrreich für mich.

Nach 7 Wochen bekam ich dann Be-

such aus Kals. Christina, Mama, Eli-

sabeth und Alois kamen mit dem Flug-

zeug von Salzburg. Zuerst wurde ich

ganz genau betrachtet und alle waren

sich sofort einig: er hat abgenommen

und im Gesicht ist er nicht so braun wie

vor ein paar Wochen, als er Kals verlas-

sen hat. Nach wenigen Momenten war

ihnen aber klar, „dem Martin geht ihm

ausgezeichnet“.

Zur besonderen Überraschung kam

dann noch Mark, mein Vermieter, mit

einer Flasche Champagner auf einen

Kurzbesuch in unser Hotel. Wir hatten

drei wunderbare Tage und konnten, da

wir ja das Auto hatten, viel erleben und

sehen.

Besonders Glück hatte ich mit mei-

nem Vermieter Mark Dimmock, der

freiberuflich als Fotograf tätig ist. Er

hat einen sehr großen Freundes- und

Bekanntenkreis und so hatte ich die

Gelegenheit, vielen Menschen zu be-

gegnen und mich mit ihnen zu unterhal-

ten. Häufiges Thema war der Brexit. Er

wird von den meisten Menschen in sei-

nem Umfeld sehr bedauert. In unserem

Stammlokal, dem 900 Jahre alten Lamb,

das jeden Tag von 17:00 bis 20:00 bis

auf den letzten Platz gefüllt ist, lernte

ich den Livestyle der Engländer kennen.

Nach der Arbeit ein Bier mit Freunden

in gemütlicher Atmosphäre, „thats it“.

An der Sperrstunde gibt es allerdings

nichts zu rütteln, spätestens um 23:00

ist das Lokal leer.

Ich verbrachte viel Zeit in London

und lernte durch meinen Freundeskreis

auch viele Facetten dieser Metropole

mit ca. 8 Mio. Einwohnern abseits der

Touristenströme kennen. Zeit blieb auch

für kleinere und größere Trips in die Na-

tur, vor allem entlang der Südküste. Die

berühmten Kreidefelsen „Seven Sisters“

und „Beachy Head“ sind beliebte Nah-

erholungsgebiete für Einheimische und

Gäste. Natürlich durfte auch ein Aus-

flug nach Stonehenge nicht fehlen. Als

ich nach 230 km Fahrt dort ankam, war

diese einmalige Kultstätte zu meiner

Enttäuschung allerdings geschlossen.

Grund waren die Filmaufnahmen zu

„Transformers 5“. Über einen Feldweg

gelangte ich dennoch zu Fuß sehr nah

an den Ort des Geschehens und beob-

achtete die Akteure in Aktion.

Im nachhinein betrachtet war diese

kurze Auszeit in allen Bereichen eine

unbezahlbare Erfahrung und Bereiche-

rung für mein Leben. Die Heimat für

einige Zeit aus der Ferne zu betrachten

schärft den Blick. Dinge, die zuhause

als Herausforderung oder gar Problem

wahrgenommen werden, entpuppen

sich als Kleinigkeiten.

Die Möglichkeiten die daheim als

selbstverständlich und normal erachtet

werden, sind in Wahrheit ganz große

Schätze. Einer dieser großen Schätze

ist es überhaupt eine Heimat zu haben

und in Frieden und Freiheit leben zu

dürfen. Wir sollten nie vergessen, dass

wir diesen besonderen Luxus für uns in

Anspruch nehmen dürfen.

Ich möchte mich bei allen herzlich be-

danken die in dieser Zeit meine Aufga-

ben in Kals übernommen haben und es

mir damit ermöglicht haben diese kost-

bare Zeit erleben zu dürfen.

MENSCHEN

8 Nationen in Sprachschule

Roger Webster

Familienbesuch