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FODN - 66/02/2017

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Die Tatsache, dass ich eigentlich allei-

ne unterwegs war machte sich nur zum

Zeitpunkt meiner Abreise bemerkbar,

da ich mich von den neu geschlosse-

nen Freundschaften wieder verabschie-

den musste. Schweren Herzens verließ

ich Koh Tao in Richtung Buriram - im

Nordosten von Thailand- wo ich das

kommende Monat in einem regionalen

Krankenhaus verbringen würde. In Bur-

iram angekommen wurde ich am Bahn-

hof vom Studiengangsleiter am Moped

abgeholt, der mich zum Studentenheim

brachte, welches mein Zuhause für den

nächsten Monat sein würde. Um mich

im Krankenhausgelände und der Stadt

frei bewegen zu können stellte man mir

ein Fahrrad zur Verfügung- besser ge-

sagt ein Kinderfahrrad- das aber kein

Hindernis für lange Fahrradauflüge

darstellte.

Der erste Arbeitstag kam schneller als

erwartet und ich verbrachte die ersten

beiden Wochen im Team der Anästhesie

rund um Dr. Supitcha Chantakul- oder

wie ich sie nannte- Azan Beth. Der OP

Trakt erstreckte sich über zwei Stöcke

mit 12 Operationsräumen, welche von

Pädiatrie über Mund-Kiefer-Gesicht-

schirurgie zur Neurochirurgie alle Dis-

ziplinen abdeckte. Da der Ärztemangel

in Thailand ein massives Ausmaß an-

genommen hat und das Department für

Anästhesie aus nur fünf Anästhesistin-

nen (eine dazumal im neunten Monat

schwanger) bestand, wurden normale

Intubationen und Narkoseeinleitungen

durchaus eigenständig von den Schwes-

tern übernommen. Mein Tätigkeitsbe-

reich entsprach vom ersten Tag an mehr

dem eines Assistenzarzt für Anästhesie

statt eines Studenten, was mich jedoch

in kurzer Zeit viel Erfahrung sammeln

lies.

Für die letzten zwei Wochen meines

Praktikums war ich im Kreissaal ein-

geteilt, wo ich zusammen mit anderen

Studenten und Hebammen für die Be-

treuung von Gebärenden zuständig war.

Neben den Standarduntersuchungen

wie Lagebestimmung des Kindes, Ge-

burtsfortschritterhebung und vaginalen

Untersuchungen konnte man täglich sei-

ne Fähigkeiten im Ultraschall verbes-

sern. Highlight meines Aufenthaltes im

Kreissaal waren einige Geburten und

Dammnähte, welche ich eigenständig

durchführen durfte. Insgesamt war der

Aufenthalt im Kreissaal jedoch teilwei-

se etwas schwierig, da die anwesenden

Studenten und Hebammen zum Teil

kaum Englisch sprachen.

Die Entscheidung, für mein KPJ nach

Buriram zu gehen, war eine der Besten

meines Lebens. Neben der Vielzahl an

praktischen und theoretischen Fähigkei-

ten die ich mir aneignen konnte, möchte

ich die mir zuteil gewordenen Freund-

schaften und Erfahrungen nie wieder

missen. Besonders das Team der An-

ästhesie rund um Dr. Beth behandelte

mich wie ein Familienmitglied. Bemüht,

mir die thailändische Kultur und den

Buddhismus näher zu bringen, wurde

ich jeden Tag zum Mittag- und Abend-

essen ausgeführt, zu Feiern der Univer-

sität eingeladen und in den Tempel für

buddhistische Feiern mitgenommen.

Das Ausmaß an Gastfreundschaft und

ehrlicher Herzlichkeit das mir zuteil

wurde kann kaum übertroffen werden

und ließ mich die Tatsache, dass ich al-

leine in ein mir unbekanntes Land ge-

reist bin, völlig vergessen.

MENSCHEN