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ZEITZEUGE

PUSTERTALER VOLLTREFFER

JUNI/JULI 2018

11

siert. „Sie konnten die furcht-

baren Dinge, die sie an der

Front erlebt hatten, ja gar nicht

verarbeiten“, so Kofler.

Minderwertige

Lebensmittel

Oft hatten die Väter auch noch

Arm und Bein verloren und

waren als Invaliden („Kriegs-

krüppel“) nicht mehr fähig ihrer

Arbeit nachzugehen. Die Mütter

mussten die Versorgung der Fa-

milien dann weiterhin vollstän-

dig übernehmen. Ab 1915 wur-

den die Lebensmittel immer

rarer. Es gab nicht ausreichend

zu essen und das, was es zu

essen gab, hatte oft eine minder-

wertige Qualität. Abart erinnerte

sich: „Ich verbinde den Ersten

Weltkrieg und die Nachkriegs-

zeit mit Plente und stinkigem

Mehl. Wir waren sechs Kinder

und gingen mit der Mutter

immer ins Kurhaus in Meran

essen, weil wir so arm waren.“

Hohe Kindersterblichkeit

Während man auf dem Land

allerdings noch halbwegs Le-

bensmittel hatte, hungerten die

Stadtkinder zunehmend, wur-

den schwächer und am Ende

krank. Oft standen sie auch in

Schlangen vor Lebensmittelge-

schäften, um etwas Butter oder

ein paar Eier zu bekommen.

Viele Kinder waren auch völlig

auf sich selbst gestellt, da ihre

Mütter mit demArbeiten so be-

schäftigt waren. So mussten sie

sich selbst um Lebensmittel

kümmern.

Ganz schlimm wurde es im

Winter von 1916 bis 1917. „Die

katastrophale Versorgungslage

führte auch in Tirol dann zu

einer sehr hohen Kinder- und

Säuglingssterblichkeit“, erzählt

Historiker Martin Kofler. Am

Ende des Ersten Weltkrieges

starben rund 140 von 1.000

Kindern im ersten Lebens-

jahr. Die häufigsten Todesur-

sachen waren Tuberkulose oder

Lungenentzündung. „Aufgrund

der schlechten Ernährung hatten

sie einfach nicht mehr genug

körperlichen Widerstand.“

Rückfindung

in „alte“ Rolle

Kofler: „Nach dem Ersten

Weltkrieg wurden die Rollen-

bilder von Mann und Frau wie-

der zurechtgerückt. Den trau-

matisierten Familienoberhäup-

tern standen ihre – in die

frühere Position zurückge-

drängten – Ehefrauen gegen-

über.“ Sie waren somit nicht

mehr hauptverantwortliche

Arbeitskraft, sondern wieder

mehr Hausfrau, Mutter und

Mithelferin.

Martina Holzer

Zwei junge Lienzer Standschützen im hinteren Gadertal, 1916

Fotograf: Franz Schneeberger; Sammlung Stadtgemeinde Lienz,

Archiv Museum Schloss Bruck – TAP

Schüler-Metallsammlung in der Lienzer Schweizergasse, Ende

1914. Fotograf: Unbekannt; Sammlung Meinrad Pizzinini – TAP

ellschaft litten besonders

121570

30. Juni

+ 1. Juli

Hauptplatz

8.00 - 17.00 Uhr