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ZEITZEUGE

PUSTERTALER VOLLTREFFER

JUNI/JULI 2018

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arbeiteten auf den Feldern als

Erntehelfer oder wurden zu ein-

fachen Arbeiten herangezogen.

„Man setzte sie vielfach für

Sammlungen von Metall, Bee-

ren, Pilzen, Brennmaterial und

so fort ein“, erklärt Historiker

Dr. Martin Kofler, Leiter des Ti-

roler Photoarchivs (TAP). „Der

Schulunterricht wurde für den

Krieg instrumentalisiert. Selbst

Spielzeug, Spiele, Bücher oder

Illustrierte dienten der ideologi-

schen Einflussnahme der Ju-

gend.“ Gab es wieder einen

Sieg an der Front, dann erhiel-

ten die Kinder „siegfrei.“

„Ernüchterung“

Emma Scheitz (verst.), die

Tochter des ehemaligen Lienzer

Bürgermeisters Willibald Hof-

mann und Tochter des Künst-

lers Karl Hofmann, erzählte

einmal: „Ich habe anfangs den

ausrückenden Verbänden noch

‚Blumen‘ gestreut. Allerdings

stellte sich bei mir alsbald Er-

nüchterung ein.“ Scheitz wurde

1897 in Lienz geboren. Die an-

fängliche Kriegsbegeisterung

ließ auch bei allen anderen jun-

gen Leuten sehr rasch nach.

„Bereits nach wenigen Wochen

nach Kriegsausbruch kippte

die Stimmung aufgrund der ra-

schen militärischen österreichi-

schen Niederlagen in Galizien

und der Vielzahl an Meldungen

von Gefallenen.“ Für Tirol ist

die Zahl von ca. 10.000 Gefal-

lenen im Osten für den Herbst

1914 überliefert.

Längerfristig war außerdem

kein richtiger Unterricht mehr

möglich. „Die allermeisten

Väter, älteren Brüder, Onkel der

meisten Kinder – aber auch die

Knechte – befanden sich an der

Front“, so Kofler. „Die Höfe

hatten somit sehr viele wichtige

Arbeitskräfte verloren. Damals

waren ja zwei Drittel der Tiro-

ler Bevölkerung der Landwirt-

schaft zuzurechnen.“

„Heimkehr“ von vielen

toten Vätern

Die ganze Last der Arbeit auf

dem Hof hatten dann nicht nur

die Mütter zu tragen, sondern

vor allem auch die Kinder und

Jugendlichen, die zudem den

besorgten Gesprächen der Er-

wachsenen lauschen mussten.

Immer wieder einmal erhielt

man auch einen „russischen“

Kriegsgefangenen als „Helfer“

zugewiesen.

Oftmals kamen die Väter

nicht mehr lebend von der

Front zurück. „Auch ich lernte

meinen Vater erst als Toten ken-

nen. Er lag in Meran in der

Aufbahrungshalle, die sehr

groß war. Ich durfte aber nicht

zu ihm hinein, sondern ihn nur

durch das Fenster anschauen.

Er lag da ganz in weiß geklei-

det“, erzählt Paula Abart

(verst.), die dreieinhalb Monate

vor Ausbruch des Ersten Welt-

krieges zur Welt gekommen

war und Jahrzehnte in Lienz

lebte. Kamen die Väter lebend

zurück, so waren sie meist ver-

letzt oder schwerst traumati-

Meist kamen die Väter tot von der Front zurück.

Die Schwächsten der Ge

Die Kinder und Jugendlichen litten unter dem Ersten Weltkrieg sehr.

Zahlreiche Kinder und

Jugendliche hatten unter

dem Ersten Weltkrieg

sehr zu leiden. Dass ihre

Väter zum Fronteinsatz

mussten und sämtliche

Arbeitslast auf den

Schultern der Frauen

lag, brachte ihr Lebens

völlig ins Wanken.

Als die Wiener Regierung

dem serbischen Königreich am

28. Juli 1914 den Krieg erklärt

hatte, gab es kein Zurück mehr:

Der Erste Weltkrieg begann in

den Ländern zu toben, und mit-

tendrin standen die Kinder und

Jugendlichen als schwächste

Mitglieder der Gesellschaft.

Ihr Alltag auch in ihrer Schule

sah unvermittelt völlig anders

aus als zuvor. In den Klassen-

zimmern hängte man Landkar-

ten auf, auf denen man mit klei-

nen eingesteckten Fähnchen den

Frontverlauf aufzeigte. Für äl-

tere Schüler bestand die Gefahr

an die Front zu kommen (man-

che meldeten sich als 15-/16-

Jährige jedoch auch freiwillig

zum Fronteinsatz).

Unterricht

Schüler der unteren Klassen

übten wie die Soldaten. Kinder