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CHRONIK

PUSTERTALER VOLLTREFFER

NOVEMBER/DEZEMBER 2017

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An die 200 Personen aus

Österreich, Südtirol und

Deutschland, die sich für Stra-

tegien gegen Leerstand in der

Landwirtschaft, für Umnut-

zung und Nachverdichtung in-

teressieren, hörten sich drei

Tage lang Vorträge von mehr

als 30 Referenten an und nah-

men an Diskussionen und

Workshops teil. „In Europa

schließen jährlich rund 350.000

Bauernhöfe“, informierte Ro-

bert Schabus. Mit seinem Film

„Bauer unser“ wurde die Leer-

standskonferenz eröffnet. Ger-

lind Weber, Professorin für

Raumplanung, erklärte, dass

pro Tag sechs Bauernhöfe in

Österreich ihre Nutzung verlie-

ren – auch in Osttirol kann man

das Höfesterben beobachten.

Bessere Gesprächskultur

Die Leerstandskonferenz

diente somit vor allem dazu,

Mut zu machen und die Scheu

vor dem Suchen neuer Lösun-

gen abzubauen. Dazu gehört

auch eine neue Gesprächskul-

tur. „Generell verbesserte sich

das soziale Klima auf den

Höfen stark. Es wird viel mehr

gesprochen und ausdiskutiert

als früher, die autokratische

Struktur hat stark abgenom-

men“, betonte Ao. Univ.-Prof.

Franz Höllinger (Universität

Graz). Weiters gebe es auch

den Wunsch nach mehr Privat-

sphäre am Hof. „Rückzugsorte

sind wichtig für das soziale Zu-

sammenleben. Man will nicht

mehr durchgehend gemeinsam

in der Stube aufeinanderkle-

ben“, so Höllinger.

Zu späte Hofübergabe

„Oft wird die Hofübergabe

viel zu spät in Angriff genom-

men. Ein wichtiger Grund für

Leerstand“, betonte Gastwirt

und Landwirt Josef Lugger.

Man nützte die Leerstandskon-

ferenz auch als Bühne, um mit

gelungenen Beispielen zum

Nachmachen zu motivieren.

So erzählte Katharina Forster,

Jungbäuerin und Architektin,

die in Braunau am Inn einen

stillgelegten Betrieb wieder ak-

tivierte, wie durch die Zusam-

menarbeit mit einem Nachbar-

hof ein neues Betriebsmodell

entstand. Zwei Höfe wurden zu

einem Biobetrieb zusammen-

gelegt. Gemeinsam setzen sie

auf Direktvermarktung und die

Kooperation mit anderen Höfen

und Gewerbebetrieben der Um-

gebung.

Einheitliche

Gemüsekiste

Auch der erfolgreiche Bio-

bauer Simon Vetter aus Vorarl-

berg kam zu Wort. Er ist Mit-

initiator des Vereins „Boden-

freiheit“, der sich um ein

Umdenken in raumplaneri-

schen Fragen kümmert und

Grundstücke für die Allge-

meinheit erwirbt. Seine Pro-

dukte werden nur direkt an die

tatsächlichen Verbraucher ver-

marktet. An die 800 Kunden

pro Woche gibt es. Sie bekom-

men eine einheitliche Gemüse-

kiste zugestellt. „Es gibt keine

Wahlmöglichkeit und die Leute

sind froh, wenn ihnen einmal in

der Woche eine Entscheidung

abgenommen wird“, schmun-

zelt er. Derzeit investiert er in

eine neue digitale Form für die

Organisation der Vermarktung:

Eine Software namens „Marta“

wurde entwickelt, welche die

umfassenden Abläufe der Di-

rektvermarkter organisiert.

Gemeinsame Visionen

entwickeln

Spannend war auch die Ge-

schichte der Kaslab‘n in Ra-

denthein (Kärntner Nockberge),

wo fünf Bauern gemeinsam die

Vision realisierten, ein echtes

„Einkommen zumAuskommen

zu schaffen“ und dazu auch

zeitgemäße Räume für Käserei

und Vermarktung etablierten.

Oder das Beispiel der Hofkäse-

rei Englhorn (Südtirol) von

Alexander Agethle. Der leerste-

hende Hof im Dorfzentrum

wurde zu einem Musterprojekt.

Ein Teil der Umbaufinanzierung

wurde etwa durch Crowdfun-

ding organisiert.

Tourismus verstärkt

nützen

„Österreich ist ein erfolgrei-

ches Tourismusland. Dessen

sollte sich die Landwirtschaft

künftig verstärkt bewusstwer-

den und ihren Nutzen daraus

ziehen“, meinte Zukunftsfor-

scher Prof. Peter Zellmann. In-

nervillgraten hat diesbezüglich

seine Aufgabe bereits erledigt.

„Wir Bauern leisten einen

wichtigen Beitrag, damit ge-

stresste Menschen gut Urlaub

machen können“, betonte der

Innervillgrater Bürgermeister

und Landwirt Josef Lusser.

„Die aktive Bekämpfung des

Leerstandes liegt uns sehr am

Herzen, wir wollen Häuser, die

mit Leben gefüllt sind“, warf

Matthias Scherer (Obertilliach)

ein, einer der beiden Gastge-

berbürgermeister der Konfe-

renz.

Stolpersteine

Es ist aber nicht so einfach

mit dem Umnutzen der Höfe,

denn sehr schnell werden

Raumordnung, Bauordnung und

Denkmalschutz schlagend. Je

älter ein Hof und je eher der

Charakter erhalten werden

sollte, desto schwieriger wird es

auch, den Anforderungen an die

Bauordnung gerecht zu werden.

„Hier sind oft viele Kopfstände,

ein guter Planer und ein großes

Budget von großemVorteil“, so

Weber. In den Workshops wurde

im Übrigen die Idee geboren,

einmal jährlich eine Neugrün-

derkonferenz zu veranstalten,

die Mut machen und Barrieren

für eine Hofübernahme ab-

bauen soll.

Martina Holzer

Den Leerstand bekämpfen

Leerstand in der Landwirtschaft ist ein sehr aktuelles und emotionsgelade-

nes Thema. Dies wurde bei der 6. Leerstandskonferenz, die Mitte Oktober

in Innervillgraten stattfand, einmal mehr bewusst.

Vor-

träge

von

mehr

als 30

Refe-

renten

standen

bei der

Leer-

stands-

konfe-

renz in

Inner-

villgra-

ten auf

dem

Pro-

gramm.

Auch Workshops wurden abgehalten.