GESCHICHTE
PUSTERTALER VOLLTREFFER
NOVEMBER/DEZEMBER 2017
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Auf Schloss Sigmundskron
wurde 1957 das Schlagwort
und Ziel „Los von Trient“ ge-
prägt. Und dort schlug am 17.
November die große Stunde
des erst wenige Monate zuvor
zum SVP-Obmann gekürten
Silvius Magnago. Er schaffte
es, den in der Luft liegenden
Marsch nach Bozen zu verhin-
dern. Sigmundskron bildete
den Startschuss für Südtirols
Autonomieprozess.
Im Einzelnen
Die Südtiroler Volkspartei
sagte für diesen Tag eine Pro-
testkundgebung des Südtiroler
Volkes wegen Nichterfüllung
des „Pariser Vertrages“ an. In
einer machtvollen Kundgebung
rief Südtirol seine Not in alle
Welt hinaus. Über 35.000 Süd-
tiroler versammelten sich auf
Schloss Sigmundskron, um Ge-
rechtigkeit zu fordern. Eine Re-
solution, die einstimmig ge-
nehmigt wurde, bildete den
Auftakt zum Kampf für die Si-
cherung der Rechte des Südti-
roler Volkes. Rom wollte aber
diese maßvolle Sprache der
Südtiroler nicht verstehen und
hielt weiterhin an seiner Ent-
nationalisierungspolitik in Süd-
tirol fest.
Mustergültig
Das damalige „Los von Trient“
bescherte dem Land in wechsel-
voller Geschichte einen erhebli-
chen Grad an Selbstverwaltung.
Die hart errungene Minderhei-
tenschutzpolitik wurde vor allem
in Rom als mustergültig bezeich-
net. Magnagos Ziel war es, eine
politisch realistische Autonomie
für das mehrheitlich deutsch-
sprachige Südtirol zu fordern,
nachdem bis dato die autonomen
Befugnisse lediglich der mehr-
heitlich italienischsprachigen und
von Trient regierten Region Tren-
tino-Südtirol zugestanden wor-
den waren.
Anlass
Zur Großkundgebung von
Sigmundskron kam es, weil
trotz aller Anstrengungen das
inhaltlich schon sehr be-
schränkte Autonomiestatut vom
Jahre 1948 in einigen wichtigen
Teilen nicht durchgeführt wor-
den war. Zudem hatte der da-
malige Minister für öffentliche
Arbeiten angekündigt, in Bozen
einen neuen Stadtteil mit 5.000
Wohnungen errichten zu wol-
len. Die autonome Provinz
Bozen hatte zu jener Zeit im
Bereich des sozialen Wohn-
baues nur sehr beschränkte Zu-
ständigkeiten, die zudem durch
Durchführungsbestimmungen
ausgehöhlt wurden. Die Errich-
tung von 5.000 Wohnungen
hätte somit eine weitere stärkere
Zuwanderung von Italienern
aus dem Süden bedeutet.
Gefahr verspürt
Deshalb hatten damals die
Südtiroler das Empfinden, dass
ihnen Gefahr drohe und sie sich
zur Wehr setzen müssten und die
damalige Autonomie niemals
ein ausreichendes Instrument
zum Schutz und Fortbestand
ihrer Volksgruppe darstellen
könne, wie es ihnen auf Grund
des Pariser Abkommens zu-
stand. In Sigmundskron wurde
offiziell das „Los von Trient“
ausgerufen: Man verlangte die
Auflösung der Region und die
Übertragung ihrer Zuständigkei-
ten in Gesetzgebung und Ver-
waltung an die beiden Provinzen
Bozen und Trient. Magnago
dachte damals an eine neue, um-
fangreichere Autonomie, die die
Südtiroler dann großteils über
das Paket erhielten, ohne aber
schon genauere Vorstellungen zu
haben und vor allem auch ohne
die sichere Zuversicht, die ange-
strebte Autonomie zu erreichen.
Wendepunkt
Magnago wörtlich: „Südtiro-
ler! Es ist mir durch den Ablauf
der Kundgebung wohl bewusst
geworden, dass 35.000 von euch
hinter denen ganz Südtirol ge-
standen ist, bereit gewesen
wären, nach Bozen zu marschie-
ren. Ihr habt es nicht getan, und
ich danke euch, dass ihr meinem
Appell Folge geleistet habt!“
Mit Sigmundskron und der
dort erfolgten Ausrufung „Los
von Trient“ trat ein Wendepunkt
in der Politik der Südtiroler
Volkspartei ein. Die Partei be-
trieb seitdem konsequent und
hartnäckig diese Politik mit Er-
folg.
Die heutige Lage in Südtirol
ist eine wesentlich verbesserte
und gesichertere als jene vor
Sigmundskron und vor dem
Inkrafttreten des neuen Autono-
miestatutes. Sigmundskron war
somit nicht nur eine beeindru-
ckende Kundgebung des Wil-
lens der Südtiroler, sondern
auch ein Startschuss für eine er-
folgreiche Politik der Südtiroler
Volkspartei.
Heinz Wieser
Erinnerungen an eine
gewichtige Kundgebung
Am 17. November jährt sich zum 60. Mal die historische Kundgebung auf
Schloss Sigmundskron vor den Toren der Landeshauptstadt Bozen. Damals
versammelten sich 35.000 Südtiroler in der Burgruine, um gegen die
Italienisierungspolitik Roms zu protestieren, also gegen die massive
Zuwanderung von Italienern nach Südtirol und für eine Landesautonomie,
losgelöst von Trient, einzutreten.
SVP-Ob-
mann
Silvius
Magnago
hält im
gedrängt
vollen
Burghof
seine
berühmte
Rede.
Foto:
Samm-
lung
Tabone,
Rom,
Repro
Heinz
Wieser
Alt und jung sind aus ganz Südtirol herbeigeeilt. Eine der Forde-
rungen von Sigmundskron: „Südtirol vor die UNO“. Am 28. Juni
1960 fasste der Ministerrat in Wien dann einen entsprechenden
Beschluss.
Foto: Österreichisches Staatsarchiv,
Archiv der Republik, Wien, Repro Heinz Wieser