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ZEITZEUGIN

PUSTERTALER VOLLTREFFER

APRIL/MAI 2017

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Es waren entsetzliche Bilder,

die sich kein Mensch vorstellen

kann, der nicht bei solchen

Bombardierungen dabei war.“

Nirgends Sicherheit

„Oft war es so, dass wir auch

im Luftschutzkeller nicht wuss-

ten, ob es darin ein Überleben

gibt. Immer wieder krachte es so

katastrophal, und Erde sowie Ge-

bäude bebten derartig schlimm,

dass wir danach nicht wussten,

ob wir noch am Leben sind oder

nicht. Wir befanden uns in einer

Art Schockzustand. Und ich

wurde durch die Druckwellen

manchmal sogar durch die Ge-

gend geschmissen. Einmal kam

ich auf einer Frau zu liegen, die

aber schon tot war.“ Ende No-

vember wurde Christa aufgrund

eines Bombenangriffs obdachlos.

„Sie musste mit ihrem noch le-

benden, aber sehr kranken Kind

bei fremden Menschen um Un-

terkunft betteln. Meine hilfreiche

Nachbarin war beim Angriff

ums Leben gekommen. Von mei-

nem Mann hatte ich nichts mehr

gehört.“ Christa beschreibt ihren

damaligen Gefühlszustand als ei-

genartig. „Ich spürte vieles nicht

mehr – als würde ich hinter einer

Glaswand leben und sich mein

Geist vom Körper immer wieder

lossagen.“

Anderen geholfen

Auch ihr zweites Kind starb. Es

gab keine Medikamente mehr, um

ihm helfen zu können. „Es hatte

eine schwere Lungenentzün-

dung.“ Warum Christa damals

immer noch Lebenswillen hatte?

„Ich weiß es nicht. Irgendetwas

hielt mich. Vielleicht wusste ich,

dass ich jetzt anderen helfen

muss. Denn mich hatte es – im

Gegensatz zu vielen anderen – bis

dahin noch nicht ,erwischt‘.“

Und Christa half, was sie nur

konnte: Verwundete pflegen, sich

um elternlose Kinder kümmern,

Leichenteile einsammeln und vie-

les andere mehr. „Es wurde wirk-

lich jede Hand gebraucht.“ Den

Leichengeruch nahm sie schon

lange nicht mehr wahr. „Ich roch

auch sonst nichts mehr.“

3. Feber 1945

Ein besonders schlimmer An-

griff fand am 3. Feber 1945 statt.

Berlin wurde von 958 Maschi-

nen der US-Air Force angegrif-

fen. Es war der 288. Luftangriff

auf die Stadt. Gesamt wurden

über 2.000 Sprengbomben und

250 Tonnen Brandbomben abge-

worfen. An diesem Tag herrschte

starker Wind. Die Brände wur-

den dadurch zusätzlich ange-

facht. „Unter den Toten waren

auch viele Häftlinge und

Zwangsarbeiter, die keinen Luft-

schutzkeller aufsuchen durften.“

Es sollten dann noch viel mehr

Bomben auf Berlin krachen, bis

am 10. April der letzte große An-

griff der US-Air Force begann.

1.232 Flugzeuge nahmen daran

teil. Der letzte britische Angriff

erfolgte neun Tage später.

Schlacht um Berlin

Christa: „Die Schlacht um

Berlin war dann ebenso ein völ-

liger Wahnsinn.“ Sie hatte die

Besetzung Berlins durch die

Rote Armee der Sowjetunion

zum Ziel. Die Kämpfe forder-

ten über 170.000 gefallene und

500.000 verwundete Soldaten.

Zudem starben mehrere 10.000

Zivilisten. Am 8. Mai 1945 er-

folgte die bedingungslose Ka-

pitulation der Wehrmacht.

Die Rote Armee vergewal-

tigte im Zuge ihrer Besetzung

massenhaft deutsche Frauen.

„Ich gehörte auch dazu, und

nicht nur einmal“, so Christa.

Mehr will sie dazu nicht sagen.

„Ich kann es auch nicht“, setzt

sie nach. Ihr Ehemann war nicht

heimgekehrt. Martina Holzer

Wohnkultur Nussbaumer GmbH + Co KG

A-9900 Lienz, Tiroler Straße 25

Tel. +43 (0)4852-64640,

www.wkn.at

Der ganzheitliche Einrichter!

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Berlin während des Zweiten Weltkrieges: Einwohner zerteilen ein

Pferd.

Foto: Bundesarchiv, Bild 183-R77871 / CC-BY-SA 3.0