SOZIALPROJEKT
PUSTERTALER VOLLTREFFER
APRIL/MAI 2017
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Kasserine liegt im Westen
von Tunesien, an der Grenze zu
Algerien. Die Provinz zählt an
die 440.000 Einwohner. Auch
die Hauptstadt der Verwal-
tungseinheit heißt Kasserine.
Frauen taten sich dort zusam-
men und gründeten 2014 die
Genossenschaft „Citè El Kha-
Über 20 Frauen, die in
der Provinz Kasserine
(Tunesien) leben, er-
wirtschaften gemein-
sam mit Teppichknüp-
fen ein Auskommen.
Sie sind in einer Ge-
nossenschaft organi-
siert. Mit Geld aus Süd-
tirol wurden weitere
Knüpfstühle finanziert.
Die Genossenschaft erlaubt es den 22 Frauen, ein würdiges Leben mit
einem angemessenen Einkommen zu leben.
Foto: C. Polo
Cherifa ist die Gründerin der genossenschaftlichen
Teppichwerkstatt.
Foto: C. Polo
Insgesamt zehn Knüpfstühle erhielt die Frauengenossenschaft
über Entwicklungsgelder finanziert.
Foto: Assoc. Mantovan
dra“. Gemeinsam knüpfen die
Tunesierinnen auf Bestellung
hochwertige Teppiche. Mittler-
weile stieg die Zahl der Mit-
glieder auf über 20. Cherifa ist
die Vorsitzende der Genossen-
schaft und Anker der Frauen-
gruppe. Von ihr ging die Initia-
tive für den Frauenbetrieb da-
mals aus.
Projekt „Eco des
Femmes“
Cherifa lernte als Mädchen
von ihrer Großmutter, wie Ber-
ber ihre Teppiche herstellen.
„Aber immer erst nach dem
Abendessen. Denn als Kind
war ich oft neben der Schule
mit meinen täglichen Aufgaben
beschäftigt, etwa mit Wasser-
holen, Brennholzsammeln oder
dem Aufpassen meiner Ge-
schwister“, erzählt Cherifa dem
Arzt Franco De Giorgi, der mit
Mitgliedern des Vereins „Beppe
e Rossana Mantovan“ (Bozen)
unlängst nach Kasserine gereist
war. Man wollte schauen, wie
die Fördergelder eingesetzt
werden, die der Verein vom
Land Südtirol für das Projekt
„Eco des Femmes“ erhalten
hatte.
Eigeninitiative
Cherif spricht mit De Giorgi
auf Französisch. Als sie verhei-
ratet war, knüpfte sie selbst ein,
zwei Teppiche im Jahr. Zu-
nächst holte sie auch ihre
Schwester ins Boot, dann noch
zwei Freundinnen. „Wir be-
nützten in Folge zu viert den
einzigen Knüpfstuhl“, erzählt
sie. Als Cherifa nach der Jas-
minrevolution von den Förde-
rungen erfuhr, die die EU auch
ihrem Land anbot, zog sie los,
um Mittel für ihre Idee eines
genossenschaftlichen Betriebs
aufzutreiben. Sie reiste allein
nach Tunis, wandte sich an das
Landwirtschaftsministerium
und erreichte die Finanzierung
ihrer ersten fünf Teppich-
knüpfstühle. „Im vergangenen
Jahr finanzierte das Land Süd-
tirol der Frauengruppe über un-
seren Verein weitere fünf
Knüpfstühle, sodass jetzt 22
Frauen mitwirken und ein an-
gemessenes Einkommen er-
wirtschaften“, sagt der Präsi-
dent des Vereins, Claudio Polo.
Cherifa teilt den Erlös, den die
Teppiche bringen, mit den an-
deren Frauen.
Selbstsicher
De Giorgi: „Besonders auf-
fallend ist, dass die Frauen der
Genossenschaft alle sehr selbst-
sicher auftreten. Ihr gemeinsa-
mer Erfolg machte sie stark und
brachte ihnen im Dorf Anse-
hen.“ Und Chefia meint: „Die
Prinzipien, auf die die Genos-
senschaft baut, hat uns den Er-
folg gebracht. Es geht nun
darum, den Geist der Zusam-
menarbeit voranzubringen.
Denn gemeinsam können wir
etwas auf die Beine stellen, das
uns und unseren Familien zu
essen und unseren Kindern
eine Perspektive gibt.“
Das Projekt „Eco des Fem-
mes“ umfasst neben der Tep-
pichwerksatt auch eine Hühner-
farm, eine Imkerei und eine
Werkstatt zur Herstellung von
Käse. Bislang flossen knapp
50.000 € in die vier Teilprojekte,
an denen gesamt 68 Frauen be-
teiligt sind. Insgesamt sind Kos-
ten von über 71.700 € für das
Projekt zugelassen. Die Bewoh-
ner von Kasserine sind v. a.
Berber, eine Minderheit, die bis
zur Jasminrevolution in den
maghrebinisch-arabisch gepräg-
ten Ländern unterdrückt wurde.
Teppichwerkstätte
hilft beim Überleben