ABENTEUER
PUSTERTALER VOLLTREFFER
NOVEMBER/DEZEMBER 2015
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pel), der westlichsten Großstadt
der Türkei. „Als wir zu einem
kleinen Supermarkt geradelt
waren und Ben die Kappe ab-
nahmen, kamen die blonden
Haare zum Vorschein. Sofort
berührten und küssten die Leute
rundherum unseren Ben. Es gibt
nicht viele Kinder in der Türkei,
die so blond sind wie er. Plötz-
lich stoppte ein Auto vor uns,
der Lenker stieg aus, kniete vor
Ben nieder, küsste ihn, betete.
Wir verstanden die meiste Zeit
nur ,Allah …‘. Dann stieg er
wieder ins Auto und fuhr davon.
Ben passte das natürlich zuerst
gar nicht, dass die Leute so auf
ihn zugingen.“
Abbruch einer
langen Reise
Als Petra dann mit Esmé (1)
schon eine Weile schwanger war
tourte die Familie gerade durch
Osteuropa und die Türkei. „Die
Schwangerschaft kam sehr über-
raschend. Wir hatten eigentlich
eine dreijährige Radreise geplant.
Wir brachen die Reise aber ab
und wollten nahe der höchsten
Bergen in Österreich unser Kind
zur Welt bringen und eine Weile
wohnen. Da kamen wir auf
Außervillgraten, weil in dem Ort
eine Gemeindewohnung frei war.“
Mit Esmé unternahm die Familie
bislang sechs Touren zwischen
drei Tagen und drei Wochen.
„Seit sie gehen kann, macht ihr
das Leben im Freien so richtig
viel Spaß“, freut sich Petra, die
hochschule in Utrecht und blieb
dort einfach „hängen“. „Nach
Utrecht brachte mich die Liebe,
die aber bald vorbei war. Schon
bevor ich Peter kennenlernte,
war ich gerne und viel auf dem
Rad unterwegs“, erzählt sie.
Peter fuhr zuvor vier Jahre lang
um die Welt. Er hatte einst As-
tronomie und Physik studiert,
Karriere gemacht, fiel dann
aber in eine schwere Depres-
sion. „Die Gründe waren viel-
fältig. Ein Grund war, dass sein
Opa, der immer Musiker wer-
den wollte, verstorben ist. Aber
Musiker wurde er nie. Das gab
Peter, an den die Umgebung
beruflich große Hoffnungen
geknüpft hattee, sehr zu den-
ken. Er stellte sein Leben völlig
um.“ In nicht radelnden Phasen
arbeitet er als Rad-Reiseführer
oder in der Altenpflege. Petra
ist Skilehrerin. „Heuer werde
ich auf dem Thurntaler tätig
sein. Aber ich arbeite auch
immer wieder als Fotografin
oder Graphikerin bei kleineren
Projekten mit“, erzählt sie.
Oder die beiden halten Vorträge
über ihre spannenden Reisen.
Unverständnis
Wenig Verständnis für das
Leben der Familie haben aller-
dings die Eltern der beiden.
„Unser Tun ist für sie nur
schwer zu akzeptieren. Da wir
ja beide studiert haben und viel
Geld verdienen könnten. Un-
sere Eltern arbeiteten immer
sehr viel, um entsprechend zu
verdienen. Das wollen wir aber
nicht. Der Kontakt zu unseren
Familien ist aber dennoch gut.
Nur eben das Thema Radfahren
wird nie angesprochen.“
Auch wenn Ben schulreif
wird, möchte die Familie nicht
sesshaft werden. Stattdessen
überlegen die Eltern ihn selbst
zu unterrichten. „Sofern unse-
ren Kinder das Radeln durch
die Länder dann noch Spaß
macht.“
Martina Holzer
Dennoch wurde geradelt. Fünf
Monate lang in Marokko und
Spanien. Nachdem Ben das
Licht der Welt erblickt hatte,
wurde der kleine Mann mit sechs
Monaten kurzerhand in einen
Fahrradanhänger gebettet. „Es ist
ein spezieller Anhänger aus
Amerika, in dem er bequem sit-
zen und auch schlafen kann. Er
hat aber auch Pedale. Also wenn
er Lust hat, kann er mitradeln.“
2012 war die kleine Familie
dann mit Ben bereits fünf Mo-
nate lang von Granada (Südspa-
nien) bis nach Karlsruhe (D) un-
terwegs. „Er ist mittlerweile ein
richtig kleiner Abenteurer. Er
liebt es Lagerfeuer zu machen,
singt viel in seinem Anhänger
und interessiert sich speziell für
die vielen Tiere, denen wir auf
unseren Reisen begegnen.“
„Mann kniete vor
Ben nieder“
Mit Ben waren die Eltern
auch in Edirne (früher Adriano-
gerade wieder für einige Tage mit
Rad und Zelt alleine mit Esmé in
Osttirol und Kärnten unterwegs
ist. „Gecampt wird immer wild.
Egal, wo wir sind. Klar, in
Europa ist wild campen fast
überall verboten. Doch es gibt
immer wieder Plätzchen, wo wir
unser Zelt aufschlagen dürfen.“
Die Wäsche wäscht Petra
immer mit der Hand und hängt
sie auf die Anhänger. „Der
Wind und die Sonne trocknen
die Wäsche ja schnell.“ Dass es
im Zelt für Petra einmal zu eng
wird, ist noch nie passiert.
„Wenn wir radeln, ist es ohne-
hin oft so, dass Peter und ich ei-
nige 100 Meter weit Abstand
haben, weil jeder in seinem ei-
genen Rhythmus radelt.“ Krank
wurde die Familie bis dato
noch nie. „Eine Reiseversiche-
rung haben wir natürlich.“
Beide haben studiert
Petra studierte einst Doku-
mentarfotografie an der Kunst-
ebensqualität
Lager-
feuer in
der
Nähe
von
Istanbul.
Auch die
Straße
wird
teilweise
zur
Spiel-
wiese.