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Wie viele Kinder und Ju-

gendliche (bis zum Erreichen

der Volljährigkeit) in Osttirol

ein alkoholkrankes Elternteil

haben, kann nicht exakt bezif-

fert werden. Schätzungen zu-

folge geht man von 10 % aus.

In der Mehrzahl der Fälle ist

der Vater vom Alkohol abhän-

gig. Bei Manuel war es aller-

dings die Mutter. Gerade als er

laufen konnte, wurde sie vom

Vater verlassen. „Er zog von

Osttirol weg, zu einer anderen

Frau, die er auch heiratete. Das

warf meine Mutter in den Ab-

grund. Sie begann zu trinken“,

erzählt Manuel, der von nun an

mit seiner Mutter in einer klei-

nen Wohnung alleine lebte.

Sehr frühe Erinnerungen an

seine Kindheit hat er nicht

mehr. „Aber ich kann mich

und auch sonst war er für sich.

Einen Freund nachhause einzu-

laden war aufgrund der Alko-

holkrankheit der Mutter un-

denkbar. „Es wäre mir sehr,

sehr peinlich gewesen, wenn

ein Klassenkamerad mitbekom-

men hätte, dass meine Mutter

vom Alkohol abhängig ist. Au-

ßerdem schaute es in unserer

Wohnung oft furchtbar ver-

schlampt aus.“

„Wusch die Wäsche

selbst“

Manuel bemühte sich schon

früh ein wenig Ordnung in die

vier Wände zu bekommen. Er

begann auch die Wäsche zu wa-

schen oder zu putzen „So

machte ich das Erbrochene

meiner Mutter weg. Leider

übergab sie sich immer wieder

einmal in irgendeiner Ecke der

Wohnung. Wenn ich etwas für

die Schule brauchte, dann

kaufte ich es selbst ein. Meine

Mutter gab mir das Geld

dafür“, erzählt Manuel, der sich

auch bemühte, an den Geburts-

tag seiner Mutter zu denken.

„Doch meine Mutter dachte nie

an meinen Geburtstag. Wir fei-

erten auch keine Weihnachten.

Zudem sprachen wir wenig

miteinander. Sie wollte meis-

tens ihre Ruhe haben und ver-

zog sich in ihr Zimmer.“

noch gut an das letzte Jahr im

Kindergarten erinnern als mich

meine Mutter einmal betrunken

in den Kindergarten brachte,

aber nicht in das Gebäude ging,

sondern mich alleine hinein-

schickte. Ich war froh, dass sie

nicht mitging, denn ich hätte

mich furchtbar geschämt.“

Allein in der Not

Die Mutter ging keiner Arbeit

nach. Man lebte von staatlicher

Hilfe, Familienbeihilfe, Ali-

menten des Vaters, sonstigen

Zuschüssen. „Zum Vater hatte

ich aber nie Kontakt. Meine

Mutter wollte das nicht. Er

kämpfte auch gar nicht darum,

mich einmal zu sehen“, erzählt

Manuel. Als er eingeschult

wurde, verging dann kein Tag,

an dem die Mutter nicht betrun-

ken war oder gerade ausnüch-

terte. „Meist trank sie bis spät in

die Nacht, schaute fern, und

schlief dann weit bis nach Mit-

tag.“ Manuel machte sich das

Frühstück selbst – Toastbrot mit

Nutella und ein Glas Wasser,

das Mittagessen bestand oft aus

Brot und Käse, das er sich

selbst aus dem Schrank holte

oder aus einem aufgewärmten

Essen vomVortag, das er sich in

die Mikrowelle stellte. Mit den

Hausaufgaben war er alleine,

Eine „gute“ Freundin von

Manuel, mit er in all die Jahre

dann viel „besprach“, wurde

eine kleine Katze, die auf der

Straße herumstreunte und die er

einfach in die Wohnung mit-

nahm. „Von da an wohnte sie

bei mir. Meine Mutter war mit

der Katze einverstanden und

ging mit mir sogar das Not-

wendigste für sie kaufen – wie

Katzenkiste oder Futter.“ Dass

seine Mutter, wenn sie beson-

ders schwer betrunken war,

ihren Sohn mit schlimmsten

Schimpfwörtern anfeindete,

spürte Manuel irgendwann

nicht mehr.

„Worte prallten ab“

„Ihre Worte prallten irgend-

wann dann einfach an mir ab.

Sie gab mir auch die Schuld,

dass mein Vater uns verlassen

hatte, sie vermittelte mir, dass

ich für nichts gut sei und sie

mich abtreiben hätte sollen. Als

sie wieder halbwegs ausge-

nüchtert war, konnte sie manch-

mal auch nett sein. Sie hat mir

zwei Mal einen Kuchen geba-

„Ich war mit meiner alko

Manuel K. aus dem

Pustertaler Raum (Ost-

tirol) lebt heute in

einem Heim in Öster-

reich. Er musste erfah-

ren, wie es ist, alleine

mit einem alkoholkran-

ken Elternteil zu leben.

Der junge Mann arbei-

tet nun hart an einer

guten Zukunft.

Manuel durchlebte als junger Bub eine schwere Zeit mit seiner

alkoholkranken Mutter.

Der Alkohol bestimmte das Leben der kleinen Familie – tagtäg-

lich.

SCHICKSAL

PUSTERTALER VOLLTREFFER

NOVEMBER/DEZEMBER 2015

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