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30 OBERLIENZerlesen

Dankgebet. Sie hätt‘ es nicht zu

sagen vermocht, wie sie hungert

und schwächt. Die Emerenz teilt

schweigend aus, aber auch ihr

Gesicht ist einen Schein froher

geworden. Gerastet ist sie, nicht

zum Sagen, daß sie heut bei den

hochmütigen Lüentzern nimmer

herumlottern braucht. Es ist kein

Tisch in der Badstuben, nur an

der kahlen, verbröckelten Stein-

mauer ein paar Fleggen auf grobe

Klötze gelegt. Darauf sitzen sie

und essen rare Bauernkost, essen

mit heißem Hunger und schier

andachtsvoller Schweigsamkeit.

Der Veit Kramer und sein Ältes-

ter schauen ihnen zu. Die beiden

sind schon satt. Der Michl hat

zwar das Seine auf dem langen

Heimweg schon ein bißl ange-

trottert, daß leicht wieder was

Platz hätt‘, aber ihn freut‘s, wie

die Geschwister dreinhauen, und

einmal satt werden am Tag ist so

schon ein Festtag.

Jetzt aber bricht es aus

dem Veit Kramer, was nimmer

Platz hat in ihm: „Leut‘, horchet

auf, heut sein wir das letztemal

unter fremdem Dach, liegen das

letztemal auf fremder Erden;

morgen ist alles anders, ist alles

guet !“. „Ja, dem Perloger ob

Lesendorf ist mein Tun an sein‘

Knecht so viel gut vorkommen,

daß er uns eine große Guettat

angedeihen lassen will. Sein

Zuhäusl, zwei Geißen und die

Wies‘ dazu, ein Krautackerl, ein

kleins Hausgartl will er uns auf

Lebzeit zum Nutzrecht lassen.“

„Ein Bleiben, ein‘ Heimat

schenkt er uns? Wer ist das, wie

heißt der?“ Die Emerenz muß

sich setzen. O Herre Gott, ge-

benedeiet, sie braucht nimmer

herumlottern, nimmer salbadern,

nimmer stehlen und falsche

Schwüre tun? Sie kommt noch

einmal im Leben aus der sün-

digen Not heraus? O Jesus, Jesus!

In aller Frühe packt das Pfaf-

fengelichter zusammen. Und steht

auch schon der Stadtbüttl drau-

ßen vor der Badstuben. Wer ih-

nen erlaubt hätt“, da zu nächtigen?

„Der Herre Gott selber hat es

zulassen!“ sagt der Veit Kramer

und foppt ein wenig: „Jetzund

brauchen die Lüentzer um kein

Stückl Bettlbrot mehr Angst

haben wegen uns, heut geht‘s

zum Perloger auf Lebezeit!“

Der Büttl schaut den Veit

Kramer blöde an. „Ja, ja, schau

nur, schau dir nit die Augen

schief, der gibt uns Unterschlupf

um ein bloßes Vergeltsgott, der

ist ein Guter!“

„Der muß ein netter Narr sein,

so ein Zottlvolk, so eine Laus

setzt sich der in sein Pelz, und

alles nur um einen güldenen Hei-

ligschein?“ tut der Büttl erbost

und erstaunt zugleich, kehrt sich

um und ist froh, das Gescher los

zu sein.

Die Ähne Magdalen müssen

sie auf den Wagen packen und

gut in die Kotzen hüllen. Ring

ist der andere Plunder, den sie

auf laden. Der Veit Kramer und

sein Ältester werfen die Strick

über die Achsel und ziehen an.

Die Emerenz schiebt nach mit

aller Gewalt und Leibeskraft.

Die Dirndlein zotteln mit dem

Bastele hinterdrein. Über den

Wasserrain hinauf ist das aller-

schwerste Stück Weg. Drüben,

zum Greifen nah, wuchtet das

Bruckerschloß grau und ernst

aus dem verschniebenen Wald

heraus. Drinnen hausen nicht

Ritter und Grafen mehr, haust

die hohe Gerichtsbarkeit. – Der

Veit keucht und tut manchmal

einen trockenen Huster. Heut ist

seine Pfaid wohl nimmer naß und

kann neue Schweißbäch‘aufsau-

fen. Aber so viel müd ist er noch

von gestern, so viel müd, daß er

sich kaum mehr heiß erschindet.

Grad nur bei Maria Trost will

der Veit halten. O liebe Frau,

Trost hast du uns gesendet in der

letzten Mühsal, ganz wunderbar-

lich! Der Veit und die Emerenz

sein in andächtiges Sinnen ver-

loren, wird wohl heißes Bitt- und

Dankgebet sein.

Das Oberlüentzer Kirchtürm-

lein hat einen goldenen Knauf,

der blinkt in der Mittagsonn‘.

Das Kirchlein hat noch keine

Seelsorg‘, aber vieler Seelen

Ängsten f lüchten sich unter sein

tröstlich Dach. Es geht den ers-

ten Höfen zu. Da schauen die

Leut‘ verwundert zu dem fahren-

den Volk her und gehen ihre

Hofgatter verrammeln. Der Veit

sieht es nicht, schaut gradaus,

bald ist er am Ziel. Der Perloger

ist einer der größten Bauern her-

um, und er muß in einer beson-

deren Gnad´ Gottes stehn, weil

er dennoch das Bedürfen der

Ärmsten kennt. Er selber steht

schon wartend vor dem Zuhäusl

und grüßt die Lotterleut‘, hilft

der alten Weibin auf die Füß‘ und

wünscht ihnen in Gottes Namen

alles Gute im neuen Gehaus. Das

Stübl ist ausgekehrt vom Unrat

jahrelanger Verlassenheit. In der

Kuchl brennt auf der Herdstatt

ein prasselndes Feuer, daß der

Rauch das ganze Häusl durch-

geht. Auf dem Kuchlbett liegen

etlich‘ Laib Brot, ein Amper

Milch steht bereit, auf einem ir-

denen Teller ist zerbröckeltes

Schaffett gerichtet und ein Perlo-

ger Knecht bringt einen Stumpf

Roggenkorn daher. „Das bringst

in die Mühl‘, daß die Hausmutter

wieder einmal ein Brot bachen

kann“, sagt der Perloger zum Veit