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37

Historisches

heim zu gehen, um sich umzu-

kleiden, damit sie rechtzeitig zum

Spätamt zur Kirche kommen.

„Bleibt nur da, eine Messe halt

ich euch“ spöttelte der ältere, et-

wa sechunddreißigjährige Kärnt-

ner. Die beiden Kartitscher Bur-

schen ließen sich jedoch nicht

abhalten und gingen ihrer Sonn-

tagspflicht nach.

Die beiden Kärntner jedoch trie-

ben ihr Gespött weiter und beson-

ders der Ältere versündigte sich

an der frevelhaften Nachäffung

der Messfeier. Währenddem fiel

er plötzlich um und war tot.

Kreideweiß und am ganzen Kör-

per schlotternd kam der jüngere

Kärntner, selbst noch ein Bub in

die Küche und erzählte der Wir-

tin, was vorgefallen war: „Eine

Messe hat er halten wollen, ich

musste ihm ministrieren, und als

ein Pferd gefetzt hat, hielt er eine

Haferschale darunter und als er

bei der Wandlung die Schüssel

mit der Lacke aufhob und die

Worte sagen wollte, die der

Geistliche bei der Wandlung sagt,

ist er auf einmal umgefallen und

hat keinen Rührer mehr getan.“

Natürlich war auch die Wirtin

zutiefst erschrocken und zornig

ob dieses Frevels auf ihrem Hof.

Der Wirt war vor zwei Jahren

verstorben, die beiden Söhne wa-

ren noch zu jung und die Verant-

wortung von Hof und Gastwirt-

schaft lastete somit allein auf ihr.

So gab sie den beiden Töchtern,

die soeben von der Frühmesse

kamen, die Weisung, nach einem

Priester zur Krankensalbung und

dem Arzt von Sillian zu sehen.

Der Priester, ein zur Aushilfe in

Kartitsch weilender Primiziant

betete für den Verstorbenen, die

Krankensalbung konnte er nicht

mehr spenden und bald brachte

ein Pferdegespann den Arzt von

Sillian, der den Mann nach dama-

ligem Standart untersuchte und

Herzschlag als Todesursache kon-

statierte. Dies wurde später auch

im Totenbuch angeführt.

Nun musste der Tote bestattet

werden, doch die Wirtin und wei-

tere Bauern in der Nachbarschaft

wollten mit einem so Verstorbe-

nen nichts zu tun haben. Erst der

siebte Nachbar - der Petererbauer

ließ den Toten aufbahren, damit

für ihn nach alter Tradition zwei-

mal täglich gebetet würde, denn

für ihn wäre das Gebet vielleicht

notwendiger als für manch ande-

ren. Am dritten Tage wurde er in

St. Oswald bestattet, er erhielt ein

kirchliches Begräbnis und der

Wiener Primiziant hielt den Kon-

dukt, die Bestattung und Toten-

messe.

Die Grabstätte wurde nordseitig

im Winkel zwischen Kirche und

Turm errichtet, ein Friedhofplatz,

der früher vermutlich selten und

später nie mehr belegt wurde.

Nun mag die Glaubwürdigkeit

dieses merkwürdigen, an Blas-

phemie grenzenden Vorfalls, wie

ihn Oswald Sint in seinem Buch

„Buibn und Gitschn mitnándo is

ka Zoig“ erzählt, angezweifelt

werden und in der Tat scheinen

auch einige genannte äußere Um-

stände eher fragwürdig. So etwa,

dass bereits 1911 beim Rauchen-

bachwirt zum Straßenbau Pferde

eingestellt waren, bisher wurde

nämlich angenommen, mit dem

Straßenbau hätte man 1911 in

Tassenbach begonnen. Inzwi-

schen weiß man aber, dass

1911/12 tatsächlich in Kartitsch

gearbeitet wurde und das Straßen-

stück Monegge erst 1913 gebaut

wurde. Auch weiß man, dass tat-

sächlich um den 25. Juli 1911 der

Wiener Neupriester Josef Hruby,

Sohn eines Bahnbeamten, in Kar-

titsch seine Primiz feierte und

dann in der Seelsorge aushalf.

Oswald Sint war beim Begräbnis

des oben Genannten dabei, als

damals 11-Jähriger war er aber

für abnorme Wahrnehmungen

selbstverständlich zu jung. Der

Vorfall blieb jedoch über Jahr-

zehnte Dorfgespräch und Sint re-

cherchierte erst im Erwachsenen-

alter, gewissenhaft und genau,

kontaktierte die Hausleute und

Augenzeugen, einen damals 24-

jährigen Nachbarn, den Sargma-

cher, der - wie es damals üblich

war, den Toten auch einsargte

und sichtete das Totenbuch der

Pfarre. Soweit die Fakten.

Allerdings wurden im Dorftratsch

auch von einigen doch recht son-

derbare Einzelheiten erzählt und

von Zeitzeugen und Befragten

auch bestätigt, die Oswald Sint

zur Befürchtung verleiteten, der

tote Kärntner könnte womöglich

als nur scheintot beerdigt worden

sein, denn: „Erstens hätte er ange-

fangen zu schwitzen, zweitens sei

bei ihm keine Leichenstarre ein-

getreten und drittens war der Kör-

per kohlschwarz geworden“.

Letzteres behauptete nachdrück-

lich auch der Sargleger.

Noch zwei weitere Begebenheiten

führt Sint an: Beim Friedhofein-

gang sei der Sarg immer schwerer

geworden, die vier Sargträger,

erwachsene Burschen, hätten ihn

beinahe nicht mehr hineintragen

können und der Priester hätte sich

nachher geäußert, wenn er vor

dem Begräbnis das gewusst hätte,

was er nachher wusste, hätte er

ihn nicht im geweihten Friedhof