Virgen
Aktiv
Virgen im Ersten Weltkrieg
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dann auf dem Altar des bedrängten
Vaterlandes geopfert zu werden. Im
Wasser geriet, infolgedessen der Motor
versagte. Der Leibjäger des Kaisers u. ein
Wachtmeister wollten den Kaiser ans
Land bringen. Doch die Wehrsteine bra-
chen unter ihren Füßen. Der Kaiser
wollte in seiner großen Güte den Ge-
fährdeten zu Hilfe kommen u. geriet da-
durch in die größte Gefahr zu ertrinken.
Endlich gelang es, Seine Majestät u. die
andern aus dem Wasser glücklich ans
Land zu bringen. Prinz Felix v. Parma –
der Schwager des Kaisers – schwamm als
der Erste dem Kaiser zu Hilfe. „Das ist
eben der Krieg, der vieles fordert“, sagte
Seine Majestät, als er ganz durchnäßt
wieder ins Auto stieg. Die kaiserl. Fami-
lie dankte dem lb. Gott herzlich für die
wunderbare Rettung. Auf Anordnung
der Bischöfe wurden überall Dankgot-
tesdienste abgehalten. Hier in Virgen
war am 25. Nov. zum Dank ein feier-
liches Te Deum.
Am 27. Nov. kamen sieben Paar Schuhe
mit Holzsohlen für arme schuhbedürf-
tige Schulkinder, welche die Kriegshilfs-
abteilung in Innsbruck aus der Sammel-
aktion Ihrer Majestät der Kaiserin Zita
„Für das Kind“ der hiesigen Schule spen-
dete.
Am 2. Dez. also am 1. Adventsonntag
wurde das Läutverbot aufgehoben u. das
regelmäßige Läuten wieder bewilligt. An
diesem Sonntag wurde das erstemal um
12 Uhr mittags geläutet. Der liebliche
Klang der Glocke ließ das Herz trotz der
verschiedenen Kriegsgefahr wieder fröh-
licher schlagen. Seither rufen die 3 zu-
rückgebliebenen Glocken (mittlere,
kleine u. Sterbeglöcklein) wieder fleißig
die Pfarrkinder zum tägl. Gottesdienste.
Am 9. Dez. traf die Todesnachricht des
Josef Dichtl, Resingersohn in der Mellitz
hier ein u. wurden gleich die Sterbegot-
tesdienste für den gefallenen Vaterlands-
held unter allgemeiner Beteiligung der
Gemeinde abgehalten. Derselbe gab sein
junges Leben am 16. November am
Monte Ronkon fürs bedrängte Vaterland
hin, indem eine welsche Granate diesen
Held mit noch drei seiner Kollegen im
Schützengraben verschüttete. Der Brave
besaß eine dreifache Auszeichnung:
1 kleine silberne Tapferkeitsmedaille u.
2mal die große Silberne. R. I. P.
Am 16. Dez. wurde der Zweigniederlas-
sung Lienz der Tiroler Bauernsparkasse
Jahre 1851 wurde das Geläute samt Glo-
ckenstuhl neu gemacht.
Nicht nur unsere Glocken warteten am Bahnhof in Lienz auf den Abtransport.
Foto: Tirol Archiv Photographie (TAP); Fotograf unbekannt,
Sammlung Erich Wurmböck. Mit freundlicher Genehmigung durch Dr. Martin Kofler
Von der Pfarrkirche Virgen mußten 3 Glocken fort.
“ “ Kirche in Obermauern mußte 1 Glocke “ .
Von der Kapelle in Mitteldorf auch 1.
“ “ “ “ Welzelach “
1.
“ “ “ “ Gries “
1.
zusammen 7 Glocken im Gewichte von
2 825 kg a 4 K [Kronen] zusammen
11 300 K, welches Geld zum Glocken-
fonde kam.
Im Sept. war dann Heu- und Strohstel-
lung. Für jedes Stück Rindvieh waren
26 kg zu stellen, was bei dem ohnehin
geringen Heugewinn dieses Jahres ein
gewaltiger Schlag für die Bauern war. Es
war ein eigenartiger Anblick, wenn die
Trainpferde, geleitet von Soldaten, mit
dem so schwer vermißten Heu u. Stroh
ein paar Wochen immer wieder zumTal
hinausfuhren. Bald hernach war Getrei-
demessung u. Probedreschen. 10 Garben
wurden probeweise abgedroschen. Ent-
sprechend der Güte dieser Garben
wurde dann die Stellungsmasse berech-
net. Doch scheint dieses Getreide in der
Gemeinde zu bleiben.
Am 5. Okt. kamen gefangene Russen
unter Aufsicht von österr. Soldaten – zu-
sammen 55 Mann. Selbe wurden im
Schulhause in der 1. u. 2. Klasse ein-
quartiert; die Küche hatten sie auf dem
Platze vor dem Schulhause. Sie mußten
Heu von Prägraten bis Virgen tragen,
von wo es dann mit Trainwagen u.
-pferden nach Lienz geliefert wurde. Am
20. Okt. zogen sie wieder zum Tal
hinaus.
Am 24. Okt. begann Österreich-Ungarn
im Vereine mit dem deutschen Bundes-
genossen die Offensive gegen Italien. Sie
ging mit Gottes Hilfe gut vonstatten,
denn in kurzer Zeit mußten die Italiener
aus ihren Stellungen heraus, mochten sie
dieselben noch so gut verbaut haben.
Ampezzo u. Sexten wurden nach dem
Verlassen der ital. Truppen von den ge-
flohenen Einwohnern wieder mit Freu-
den aufgesucht. Wenn auch der Feind
viel Unheil angerichtet hatte, die hei-
matliche Scholle wieder betreten zu kön-
nen, ließ die guten Leute ihre bisher aus-
gestandenen Leiden ziemlich vergessen.
Unser allgeliebter Landesvater Kaiser
Karl I. übernahm bei dieser Offensive
selbst den Oberbefehl u. stand mit Rat
u. Tat soviel [als] möglich helfend zur
Seite. Leider kam er am 10. Nov. auf
einer Fahrt durch das Görzisch-Friauli-
sche Kriegsgebiet in die größte Lebens-
gefahr, indem sein Leibauto in tiefes