Virgen
Aktiv
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I
Virgentaler Opferwidder
Mit dem Virgentaler Opferwidder ver-
binde ich inzwischen etwas ganz Beson-
deres. Der Brauch war im März/April
2016 Gegenstand meiner empirischen
Forschung und Auseinandersetzung für
mein Studium der Kultur-und Sozial-
anthropologie an der Universität Wien.
Die Ergebnisse dieser Forschung sind in
meiner Bachelorarbeit mit dem Titel
„Das Gelöbnis mit dem weißen Widder:
Analyse zur derzeitigen Organisations-
form des Virgentaler Opferwidders“ zu-
sammengefasst. Es liegt jeweils ein
Exemplar in der Gemeinde Virgen und
Prägraten a. G. zur Einsicht auf.
Für unsere empirische Bachelorarbeit
sollten wir Studierenden selbst ins
„Feld“ gehen und aktiv Forschung be-
treiben. Auf dem Plan standen Inter-
views (z. B. mit den Bürgermeistern der
beiden Gemeinden und mit Personen,
welche besonders viel über den Brauch
wissen), informelle Gespräche sowie
Notizen und Einträge in mein Feld-
forschungstagebuch. Die wohl wichtigste
Methode in meinem Fall war aber die
teilnehmende Beobachtung. Ich durfte
bereits bei den Vorbereitungsarbeiten
hautnah dabei sein und konnte den
Brauch deshalb auf einer sehr persön-
lichen Ebene erleben.
Wer für diese Vorbereitungen verant-
wortlich ist, darüber gibt das „Radle“
Auskunft. Jedes Jahr hat eine andere
Fraktion der betreffenden Gemeinde
den Widder zu stellen. Diese Regelung
gilt schon seit Beginn des Brauches, die
Reihenfolge hat sich aber geändert. Für
sieben Jahre sind die Fraktionen von Vir-
gen für die Stellung des Widders verant-
wortlich, dann rotiert es in Prägraten mit
fünf Fraktionen. Die Agrargemeinschaft
der jeweiligen Fraktion kümmert sich
um die anfallenden Arbeiten im Zu-
sammenhang mit dem Brauch. Dazu ge-
hört beispielsweise der Losverkauf, der
einige Wochen vor dem Weißsamstag
beginnt. Jährlich werden ca. 4.000 Lose
verkauft. Zu gewinnen gibt es nicht nur
den Widder, sondern eine Vielzahl von
weiteren Preisen. Darunter waren im
letzten Jahr viele Gutscheine, Essens-
und Geschenkskörbe sowie Speckplat-
ten, Krapfenteller, Torten etc. Die zu-
ständige Fraktion organisiert die Sach-
preise für die Tombola, die Messgestal-
tung sowie die Agape nach der Messe.
Die arbeitsintensivste und zeitaufwän-
digste Aufgabe hat aber der Widder-
halter. Auch dieser wechselt jährlich, je
nach zuständiger Fraktion. Er kümmert
sich um den gehörnten, weißen Stein-
schafwidder für den Zeitraum von Herbst
bis zum Prozessionstag amWeißsamstag,
der meistens Ende März/Anfang April
ist.
Die Auswahlkriterien für den Star des
Tages sind laut Überlieferung eindeutig:
Ein weißer, dreijähriger, gehörnter Wid-
der muss es sein. Ruft man sich die Sze-
nen aus dem Votivbild in Erinnerung,
wo der Widder den schwarzen Tod be-
siegt, so sollte er einen imposanten Kopf
und schön geschwungene, mächtige
Hörner besitzen. Außerdem soll die
Wolle ein Jahr lang nicht geschoren wer-
den, damit ihn ein langes, dichtes Vlies
ziert. Der Widderhalter muss das Tier
pflegen, waschen und schmücken.
Diese ehrenvolle aber zugleich auch
schwierige Aufgabe übernahm 2016 die
Familie Valentin und Barbara Egger aus
Obermauern. Valentin bereitete den
Widder über die Wintermonate für sei-
nen großen Tag vor, wobei er von seiner
Familie tatkräftig unterstützt wurde. Am
Weißsamstag führte Valentin mit dem
Widder die Prozession Richtung Wall-
fahrtskirche an. In der Kirche vollzog er
mit ihm die symbolische Opferung,
indem er den Hochaltar dreimal um-
kreiste. Nach der Messe waren natürlich
alle gespannt auf das Prachtstück, der
Widder wurde gemustert und „ge-
heitscht“. Das Tier und sein Halter
mussten geduldig als „Fotomodels“ an
der Kirchenmauer posieren, bis er
schließlich verlost wurde. Die Tombola
wurde von Franz Wurnitsch mit viel
Virgentaler Opferwidder
Die Virgerin Ruth Grimm (Tochter von
Martina und Wolfgang Grimm) verfasste
ihre Bachelorarbeit über den Virgentaler
Opferwidder.
Der weiße Steinschafwidder wird für seinen großen Tag vorbereitet.