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hronik
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25. FEBER 2016
ZEITZEUGEN
OSTTIROLER
BOTE
S
eit 5.45 Uhr wird jetzt zu-
rückgeschossen!“ Dieser
Satz ist einer der bekanntesten
der deutschen Geschichte. Ge-
sprochen wurde er von Adolf
Hitler im Berliner Reichstag
amVormittag des 1. September
1939. Der Tag gilt heute als
Beginn des von Deutschland
ausgelösten Zweiten Welt-
kriegs. Tatsächlich überfiel an
diesem Morgen die Deutsche
Wehrmacht ohne Kriegserklä-
rung Polen. „Schon einen Tag
später wurde das Kruzifix in
meiner Schulklasse in Grafen-
dorf von der Wand genommen
und die Fotografie von Adolf
Hitler aufgehängt. Das grub in
mir. Ich wusste ja nicht, was
jetzt folgt“, erinnert sich Ama-
lia, damals zwölf Jahre alt.
Ihr Vater ahnte den
Kriegsbeginn
Sie war das jüngste Kind
von Franz und Maria Matters-
berger und wuchs mit ihren
Geschwistern Anna, Maria,
Alois und Paula auf dem Leitn-
Hof in Gaimberg auf. „Mein
Vater hatte den Krieg schon
kommen sehen und sprach mit
meiner Mutter darüber. Ich
hatte mitgehört.“ Es brachen
dann besonders harte Zeiten
für die Familie an. Obwohl der
Hof nicht besonders viel ab-
warf, mussten die Eltern fast
allen Ertrag für den Krieg ab-
geben. „Wir hatten vier Kühe,
ein Schwein, Hennen und bau-
ten ein wenig Getreide an.
Leute von Land und Gemein-
den zählten etwa unsere Hen-
nen ab. Es ging alles dermaßen
genau her, dass man auch noch
den ,Kragen‘ der Henne her-
zeigen musste, wenn Fuchs
oder Geier eine geholt hätte.
Aber Fuchs und Geier bringen
keinen ,Kragen‘ zurück.“
Viel Hunger
Die Familie durfte zudem
nur Magermilch behalten. Alles
andere war in der Buckelkanne
abzuliefern. Wir litten sehr viel
Hunger, waren deshalb sehr
magere Kinder. Meine zwei äl-
testen Schwestern mussten aus
Not bereits bei anderen Bauern
arbeiten.“ Versteckt habe die
Familie an Essensvorräten
nichts. „Ich kann mich nicht
erinnern, warum nicht. Im
Ersten Weltkrieg wurde Essen
jedenfalls zwischen den Böden
in unserem Haus versteckt.
Wir bauten mit einem Ross an,
das wir von einem anderen
Bauern ausliehen. Die Egge
(zur Lockerung der oberen
Bodenschicht) zogen wir aber
selbst. Aus Eicheln stellten wir
Kaffee her, der aber grauslich
schmeckte.“
Vater kam nach Udine
1942 musste der Vater einrü-
cken. Er kam nach Udine und
musste ein Munitionslager be-
wachen. „Er hatte schon vier
Jahre lang im Ersten Weltkrieg
gedient, war auch ein Jahr da-
nach in Gefangenschaft. Vier
seiner Brüder fielen im Krieg.
Sie hatten einst unser Haus in
Gaimberg mühevoll gebaut.
Meine Großeltern haben den
Tod der vier Söhne nicht ver-
kraftet. Sie starben früh an
ihrer großen Trauer“, erzählt
Amalia. Dass der Vater in den
Kriegsdienst musste, war für
die Familie furchtbar. „Wir
hingen alle so sehr am Vater,
fiel er dann an der Ostfront bei
einem schweren Angriff. „In
einem Schützengraben, in dem
er mit sieben anderen Kamera-
den ausharrte. Nur einer über-
lebte, ein Amlacher. Alois war
erst 19 Jahre alt.“
Harter Schlag
Der Tod ihres Bruders, dem
einzigen Sohn ihrer Eltern, war
ein schwerer Schicksalsschlag.
„Mein Vater war zudem noch
im Krieg.“ Es wurden auf der
elterlichen Landwirtschaft keine
französischen Kriegsgefangenen
zur Mithilfe eingesetzt. „Dafür
war unser Hof zu klein. Aber es
arbeiteten einige Gefangene bei
den anderen Bauern – so wie
ich dann auch.“ Deshalb schuf-
tete sie auch immer wieder mit
einem Franzosen gemeinsam.
„Die Kriegsgefangenen konnten
aber natürlich kaum ein Wort
Deutsch. Viele hießen Roger.
Es waren hübsche Männer“, er-
zählt Amalia. Auch erinnert sie
sich gerne an deren wohlklin-
gendes „Bonjour Mademoi-
selle“. „Tja, die Bäuerin, bei
der ich arbeitete, warnte uns
Mädchen allerdings. Man solle
ja nichts mit den Franzosen
,anfangen‘, sonst würde auch
sie als Dienstgeberin erschos-
sen.“
Harte Konsequenzen
Dass man auch in Osttirol vor
der Gestapo (Geheime Staats-
polizei) sehr auf der Hut sein
musste, bewies Amalia auch ein
er war ein sehr feiner Mensch.“
Im Feber 1943 musste dann
auch ihr Bruder nach Klagen-
furt zur Wehrmacht.
Letztes Wiedersehen
„Am Pfingstmontag besuch-
ten wir ihn noch in der Jäger-
kaserne. Mein Vater, der gerade
Heimaturlaub hatte, meine
Schwester Paula und ich. Das
war das letzte Wiedersehen.“
Danach musste Alois nach
Russland, auf die Krim (Halb-
insel im nördlichen Schwarzen
Meer). Sie war nach heftigen
Kämpfen um Sewastopol seit
1942 von der deutschen Wehr-
macht besetzt. „Von dort aus
schrieb Alois das letzte Mal.
Dass sie 14 Maschinengewehre
mit Fernauslösung aufgestellt
hätten, damit die nachkommen-
den Russen sie nicht erwischen
würden.“ Alois und die anderen
mussten aber bald fliehen, in
den Mittelabschnitt (Winniza,
Ukraine). Am 5. Jänner 1944
Amalia Wartscher (88), gebürtig in Gaimberg, verlor
im Zweiten Weltkrieg ihren einzigen Bruder Alois und
wurde von Tieffliegern gejagt, als sie von der Stadt
wieder heimgehen wollte. Amerikanische Bomber be-
schädigten zudem ihr Elternhaus schwer.
Amalia Wartscher heute mit 88
Jahren und mit 17 Jahren.
Fotos: Martina Holzer/privat
Sterbebild von Alois.
„Einmal wurde ich v