CHRONIK
PUSTERTALER VOLLTREFFER
DEZEMBER 2018/JÄNNER 2019
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Maria Leiter (geb. Herrn-
egger) aus Sillian
erzählte ihrer Tochter
Maria Duracher oft
von ihren Erlebnissen
im Ersten Weltkrieg.
Sie gehörte zu jenen
Menschen, die beide
Weltkriege ertragen
mussten.
Maria Duracher (82) ist eines
von acht Kindern von Maria
Leiter (1904 bis 1981). „Ich
habe mit ihr den schrecklichen
Zweiten Weltkrieg als Kind
miterlebt. Aber meine Mutter,
die im Weiler Asthof in Sillian
zur Welt kam, musste noch viel
mehr durchmachen, nämlich
als junges Mädchen auch den
Ersten Weltkrieg, von dem sie
mir und meinen Geschwistern
immer wieder erzählte“, so Du-
racher.
So konnte sich die Mutter
noch genau an den Beginn des
Ersten Weltkrieges erinnern. Es
war der 1. August 1914 und sie
damals zehn Jahre alt. Sie er-
zählte oft: „Einen Tag später, es
war ein Sonntag, wurden die
Kartitscher Soldaten von ihrem
Pfarrer Josef Herrnegger, unse-
rem ‚Herrn Vetter‘, gesegnet
Soldaten haben ihm so er-
barmt“, so Maria Leiter.
„Jubel über den
Kriegseinsatz“
Sie erzählte auch oft, dass am
31. August 1914 die allgemeine
Mobilisierung begann. „In lan-
gen Eisenbahnzügen, in Vieh-
waggons, sah ich begeisterte
Rekruten davonfahren, win-
kend, singend und Ziehharmo-
nika spielend. Teilweise waren
die Waggons auch noch mit
Girlanden und Transparenten
geschmückt. Auf Letzteren war
etwa geschrieben: ‚Franzosen,
Russen, Serben, alle müssen sie
sterben!‘“, erzählte Maria Lei-
ter oft, die damals die Szenen
sehr gut beobachten konnte.
„Denn an unserem Haus führ-
ten die Bahngleise vorbei, der
Bahnhof war gerade einmal
500 Meter entfernt.“
Die Fahrt ging für die Män-
ner an die Südfront nach Ser-
bien, Galizien und an die russi-
sche Kriegsfront. „Die jungen
Menschen hatten keine Ah-
nung, was Krieg ist und was
ihnen nun bevorsteht.“ Nur eine
Woche später waren die ersten
schon tot. Am 23. Mai 1915 er-
klärte das Königreich Italien
Österreich den Krieg. Die er-
sten Eisenbahnzüge rollten
dann mit Nordtiroler Stand-
und verabschiedet. Er begann
auf der Kanzel allerdings so zu
weinen, dass er die Predigt
nicht mehr zu Ende bringen
konnte und die Kanzel verlas-
sen musste. Seine Kartitscher
schützen-Bataillonen über den
Brenner an die neue Front
(Südgrenze Tirols). Die Ost-
tiroler Standschützen wurden
an den Karnischen Kamm
einberufen.
Ohne eigene Männer
Auch der Vater der kleinen
Maria (Peter Herrnegger, 1865
bis 1943) und ihr Onkel Niggl
(Nikolaus Herrnegger) mussten
1915 einrücken. Der Vater kam
zu den Kaiserjägern nach Inns-
bruck. Der Onkel stand als Sol-
dat am Karnischen Kamm im
Bereich Obstans-Filmoorhöhe-
Eisenreich. Ende Mai 1916
wurden die Standschützen von
dort abgezogen und zum Ein-
satz an die Dolomitenfront be-
rufen. „Onkel Niggl wurde in
Toblach stationiert. Er musste
jede Nacht mit dem Pferd für
die Soldaten die Menage von
Toblach nach Schluderbach
bringen“, erzählte Maria Leiter.
So gab es im Sommer 1915
auf dem elterlichen Hof außer
dem Hüterbub keine männliche
Arbeitskraft mehr. „Ich war mit
meiner Mutter Maria Herrn-
„Pfarrer verließ weinend die
Maria Leiter (geb. Herrnegger) bei ihrer Erstkommunion im Jahr
1914.
Der Asthof um 1900. Rechts der Vater von Maria, Peter Herrnegger. Links sein Bruder Nikolaus
Herrnegger. Dieses Haus wurde am 3. März 1945 bei einem Tieffliegerangriff in Brand gesetzt und
mit neun Stück Rindvieh, dem gesamten Hausrat und allen landwirtschaftlichen Arbeitsgeräten total
zerstört.