SERIE
PUSTERTALER VOLLTREFFER
DEZEMBER 2018/JÄNNER 2019
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bekannten sich zur Wehrlosig-
keit und Gewissensfreiheit“, so
Reindl-Sint. Ein weiterer Passus
war für die Obrigkeit ein harter
Knackpunkt: „Kein Christ
konnte Herrschaft ausüben.
Denn das Volk Gottes sollte nur
durch den Geist Christi regiert
werden. Diese Lehre musste den
Habsburgern und geistlichen
Würdenträgern wohl Kopfzer-
brechen bereiten.“
Todesurteil
Die Reaktion des Landesfürs-
ten blieb nicht aus. Bereits im
August 1527 erließ Erzherzog
Ferdinand I., Landesfürst in
Tirol, ein Mandat, in dem er
festlegte, dass alle Wiedertäufer
zum Tode verurteilt werden
sollten. „Auf Burg Heinfels
wurden dafür sogar zwei weitere
Gerichtsknechte angestellt, um
die Täufer auszurotten. Sie führ-
ten allerdings eine gemeinsame
Kassa, um mit dem Geld ge-
fangene Geschwister zu ver-
sorgen und Gefängniswärter zu
bestechen.“ So fanden auch auf
Burg Heinfels Inhaftierte Hilfe.
„Ob mit Bestechungsgeld oder
aus freien Stücken ist nicht über-
liefert“, betont Reindl-Sint.
Zuerst entkam im Jahr 1538
das Ehepaar Schuster aus dem
Verlies von Schloss Heinfels. Ein
Jahr später konnte auch noch Le-
onhard Strickhofer fliehen. Fürst-
bischof Georg von Österreich
Platzer, die im Gericht Heinfels
inhaftiert und auch unter der Fol-
ter nicht von ihrem Glauben ab-
ließen und zum Tode verurteilt
wurden. In diesen Liedern erfährt
man auch Details der schreck-
lichen Kerkerhaft. „In dem Turm
viel Ungeziefer war und sonder-
lich Skorpion an der Mauer
herumkrochen“, steht in einem
Lied. Der Gefangene musste
sein Haupt verhüllen, damit er
nicht „g‘stochen“ werden konnte.
Die
Lieder
der
Hutteri-
schen
Brüder
wurde
in einem
Gesangs-
buch
1914
gedruckt.
Zwei
Lieder
behan-
deln die
Folter
und
Gefangen-
schaft
auf
Burg
Heinfels.
Im Schlosskerker von
Burg Heinfels waren
einst auch Hutterer ein-
gesperrt. Dank Beste-
chungsgeldern und Hilfe
entkamen so manche
dem unwürdigen Dasein.
Die Hutterischen Chöre in Übersee besingen bis heute im süd-
bayerisch-österreichischen Dialekt ihre Martyrer des Glaubens.
Foto: Wikipedia
Hutterer-Flucht aus dem Schlosskerker
Die Hutterer sind eine radikal-
reformatorisch-christliche Be-
wegung, die man zur Gruppe der
Täufer oder Wiedertäufer zählt.
„Der Name Hutterer geht auf
den Pustertaler Hutmacher Jakob
Huter zurück, der als Reform-
prediger im 16. Jahrhundert
durch das Pustertal zog“, erzählt
Monika Reindl-Sint vom Muse-
umsverein Burg Heinfels. Der
neue Glaube fiel damals auf
fruchtbaren Boden. „Denn zu
groß war die Enttäuschung über
die Niederschlagung der Bauern-
aufstände.“ Die Anhänger der
Hutterer waren allerdings keine
bewaffneten Revolutionäre mehr.
Sie konnten über ihren Glauben
ihren Widerstand gegen die
Obrigkeit wunderbar zum Aus-
druck bringen. „Denn Hutterer
teilte demVerwalter von Heinfels
(Haymeran Freiherr zu Rain und
Summeregg) deshalb seine Miss-
billigung mit. „Er beschuldigte
ihn der Fluchthilfe.“
Ins Exill
Den Hutterern blieb aufgrund
der brutalen Verfolgung letztend-
lich nur mehr der Weg ins Exil.
Ihre lange Fluchtgeschichte
führte sie in Folge über Mähren,
die Slowakei, Rumänien und die
Ukraine bis in die USA und nach
Kanada. „Dort leben heute noch
rund 45.000 Nachfahren der
Hutterer“, erzählt Reindl-Sint. In
ihrem Exil in Übersee sprechen
die Hutterer bis heute ihren jahr-
hundertealten südbairisch-öster-
reichischen Dialekt als Mutter-
sprache, und in ihren deutschen
Liedern besingen sie bis heute
ihren Glauben und ihre Verfol-
gung in ihrer Heimat. „Der alter-
tümliche Gesangsstil und Melo-
dien der Hutterer sind für uns
heute sehr eindrucksvoll.“ Wer
das Gesangsbuch der Hutterer
heute aufschlägt, findet darin das
Lied des Martin aus Villgraten
und des Jörg Wenger und Jacob
Geschichten rund um
Burg Heinfels
Eine Hutterische Familie nach ihrer Flucht in Mähren. Christoph
Erhard, 1589.
Foto: Bayrische Staatsbibliothek digital
Jakob Hutter.