Table of Contents Table of Contents
Previous Page  12 / 48 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 12 / 48 Next Page
Page Background

CHRONIK

PUSTERTALER VOLLTREFFER

MÄRZ/APRIL 2018

12

Eine Konstrukteurin, eine

Schlosserin, eine Ingenieurin

mit Fachgebiet Robotik, eine

Schuldirektorin und ein Ge-

burtshelfer bildeten die heurige

Runde, die gemeinsam mit

Judith Steinmair darüber disku-

tierte, ob es denn typische Män-

nerberufe und typische Frauen-

berufe wirklich gibt oder ob sie

nur eine „Erfindung“ der Ge-

sellschaft sind? „Ich fühl mich

wohl unter Männern“, so eine

der Grundaussagen von Margit

Schwärzer. Die junge Schlosse-

rin übernahm die elterliche

Schlosserei in Gais und stellte

sich nie die Frage, ob ihre Be-

rufswahl ein typischer Männer-

beruf sei. „Gelegentlich sorge

ich dann aber schon für eine

Überraschung bei Berufskolle-

gen auf Baustellen und bei Kun-

den, die nicht mit einer Frau an

dieser Stelle gerechnet haben.

Meine fachliche Kompetenz

wurde aber stets respektiert.“

Schon früh in der

Werkstatt

Ähnlich ergeht es Linda

Bachmann. Die 24-jährige

Konstrukteurin in der GKN

Sinter Metals besitzt sogar pri-

vat einen 3D-Drucker. Erste

Erfahrungen im Tüfteln und

Werkeln sammelte sie bereits

als Kind in der Werkstatt ihres

Vaters. Ihre Leidenschaft für das

Technische machte sie in Folge

zu ihrem Beruf. Dass kurze

Hosen oder Röcke aus Sicher-

heitsgründen bei ihrer Arbeit ein

Tabu sind, macht ihr nichts aus.

„Das ist eben so. Das ist mein

Beruf“, so Bachmann.

An technischen Bezeichnun-

gen und Begriffen nicht zu

übertreffen ist der berufliche

Werdegang von Angelika Peer:

Elektro- und Informationstech-

nik, Steuerungssysteme, Rege-

lungstechnik, Telepräsenz und

Teleaktion sind nur einige der

Schlagwörter, die man eigent-

lich nicht auf Anhieb mit der

Berufswahl einer Frau in Ver-

bindung bringt. „Aber was ist

schon normal?“, setzte Peer

diesem Argument entgegen.

Evolutionäres „Über-

bleibsel“ der Steinzeit

Die gebürtige Olangerin ist

mittlerweile als Professorin an

der Fakultät für Naturwissen-

schaften und Technik an der Uni-

versität Bozen tätig und verstärkt

dort zudem die Forschungs-

gruppe für Automation und

Robotik. „Geschlechtsstereotype

aufzubrechen sollte in der heuti-

gen Zeit eigentlich nichts Beson-

deres mehr sein“, meinte sie in

der Diskussion. Dennoch gibt es

sie, diese Stereotype, die immer

wieder in die Geschlechterfalle

tappen lassen. Sind sie denn

wirklich ein evolutionäres „Über-

bleibsel“ der Steinzeit? Diese

Frage von Moderatorin Judith

Steinmair konnte Erna Holzer,

Direktorin der Mittelschule Ur-

sulinen, als pädagogische Exper-

tin verneinen. „Geschlechtsste-

reotype sind ein Konstrukt der

Gesellschaft. Voraussetzungen

und Fähigkeiten für verschiedene

Fachbereiche wie Mathematik,

Informatik, Technik, Soziales,

Bildung und Gesundheit sind

keine Frage des Geschlechts.“

Männliche Hebamme

Den Beweis dafür lieferte

Mirco Rizzi, einziger Mann in

der Gesprächsrunde und einer

von zwei männlichen Hebam-

men in Südtirol. Mittlerweile

ist Rizzi Studiengangsleiter für

Hebammen an der Landes-

fachhochschule Claudiana. Das

Interesse an der Arbeit der Heb-

amme, aber auch der starke

emotionale Aspekt in der Be-

gleitung von Menschen in be-

sonderen Lebensmomenten,

veranlasste ihn zu seiner Be-

rufswahl. Erst im späteren Be-

rufsalltag wurde ihm bewusst,

einen als typischen Frauenberuf

gewählt zu haben.

Typisch Frau oder

typisch Mann?

„Die Klischees sind wohl lei-

der noch nicht völlig aus unse-

V. l.: Linda Bachmann, Margit Schwärzer, Mirco Rizzi, Maria Luise Brugger, Angelika Peer, Judith Steinmair, Erna Holzer, Ursula Stein-

kasserer Goldwurm, Luise Eppacher.

ren Köpfen verschwunden“,

resümierte die Moderatorin.

Gesellschaft, Werbung und

Industrie leisten ihren Beitrag

dazu. „Man denke nur an rosa-

rotes Lego oder rosa Über-

raschungseier mit passendem

Inhalt für Mädchen.“ Das Sys-

tem in hellblau und rosa wirke

sich ebenso auf die Berufswahl

von Männern und Frauen aus.

Auch nicht zu unterschätzen

sind Studien, die besagen, dass

die Hälfte der Berufe „vererbt“

werden. „Das heißt, dass ent-

weder der Beruf des Vaters oder

jener der Mutter oft unbewusst

,automatisch‘ übernommen

werden.“ Und nicht zuletzt

spiele es nach wie vor eine

Rolle, dass Frauen selbstkriti-

scher mit sich umgehen und

einen höheren Anspruch an sich

haben, ihre „Sache“ so perfekt

wie möglich zu machen, wäh-

rend Männer davon ausgehen,

„das Ding zu schaukeln“.

Wie zum Beruf

gekommen?

Wie die fünf Podiumsteilneh-

mer dann doch zu einem ge-

schlechtsuntypischen Beruf

kamen? Alle waren sich darin

einig, dass es die Leidenschaft

und das Interesse sind, die bei

ihrer Berufswahl im Vorder-

grund standen. „Wichtig ist es

auch den Mut zu haben, etwas

Untypisches auszuprobieren.

Es gilt Angebote anzunehmen

und Möglichkeiten zu ergrei-

fen. Zutrauen und Vertrauen

sind die Säulen zum Gelingen“,

so die Teilnehmer.

Eine illustre Diskussionsrunde fand unlängst im Rahmen der Brunecker

„Frauen.Gespräche“ zusammen, um zu hinterfragen: Wieviel „Frau“ oder

„Mann“ braucht es eigentlich für den Beruf? Diskutiert wurde vor zahlrei-

chem Publikum, auch männlichem.

Wieviel „Frau“ oder „Mann“

braucht es für den Beruf?