CHRONIK
PUSTERTALER VOLLTREFFER
MÄRZ/APRIL 2018
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Eine Konstrukteurin, eine
Schlosserin, eine Ingenieurin
mit Fachgebiet Robotik, eine
Schuldirektorin und ein Ge-
burtshelfer bildeten die heurige
Runde, die gemeinsam mit
Judith Steinmair darüber disku-
tierte, ob es denn typische Män-
nerberufe und typische Frauen-
berufe wirklich gibt oder ob sie
nur eine „Erfindung“ der Ge-
sellschaft sind? „Ich fühl mich
wohl unter Männern“, so eine
der Grundaussagen von Margit
Schwärzer. Die junge Schlosse-
rin übernahm die elterliche
Schlosserei in Gais und stellte
sich nie die Frage, ob ihre Be-
rufswahl ein typischer Männer-
beruf sei. „Gelegentlich sorge
ich dann aber schon für eine
Überraschung bei Berufskolle-
gen auf Baustellen und bei Kun-
den, die nicht mit einer Frau an
dieser Stelle gerechnet haben.
Meine fachliche Kompetenz
wurde aber stets respektiert.“
Schon früh in der
Werkstatt
Ähnlich ergeht es Linda
Bachmann. Die 24-jährige
Konstrukteurin in der GKN
Sinter Metals besitzt sogar pri-
vat einen 3D-Drucker. Erste
Erfahrungen im Tüfteln und
Werkeln sammelte sie bereits
als Kind in der Werkstatt ihres
Vaters. Ihre Leidenschaft für das
Technische machte sie in Folge
zu ihrem Beruf. Dass kurze
Hosen oder Röcke aus Sicher-
heitsgründen bei ihrer Arbeit ein
Tabu sind, macht ihr nichts aus.
„Das ist eben so. Das ist mein
Beruf“, so Bachmann.
An technischen Bezeichnun-
gen und Begriffen nicht zu
übertreffen ist der berufliche
Werdegang von Angelika Peer:
Elektro- und Informationstech-
nik, Steuerungssysteme, Rege-
lungstechnik, Telepräsenz und
Teleaktion sind nur einige der
Schlagwörter, die man eigent-
lich nicht auf Anhieb mit der
Berufswahl einer Frau in Ver-
bindung bringt. „Aber was ist
schon normal?“, setzte Peer
diesem Argument entgegen.
Evolutionäres „Über-
bleibsel“ der Steinzeit
Die gebürtige Olangerin ist
mittlerweile als Professorin an
der Fakultät für Naturwissen-
schaften und Technik an der Uni-
versität Bozen tätig und verstärkt
dort zudem die Forschungs-
gruppe für Automation und
Robotik. „Geschlechtsstereotype
aufzubrechen sollte in der heuti-
gen Zeit eigentlich nichts Beson-
deres mehr sein“, meinte sie in
der Diskussion. Dennoch gibt es
sie, diese Stereotype, die immer
wieder in die Geschlechterfalle
tappen lassen. Sind sie denn
wirklich ein evolutionäres „Über-
bleibsel“ der Steinzeit? Diese
Frage von Moderatorin Judith
Steinmair konnte Erna Holzer,
Direktorin der Mittelschule Ur-
sulinen, als pädagogische Exper-
tin verneinen. „Geschlechtsste-
reotype sind ein Konstrukt der
Gesellschaft. Voraussetzungen
und Fähigkeiten für verschiedene
Fachbereiche wie Mathematik,
Informatik, Technik, Soziales,
Bildung und Gesundheit sind
keine Frage des Geschlechts.“
Männliche Hebamme
Den Beweis dafür lieferte
Mirco Rizzi, einziger Mann in
der Gesprächsrunde und einer
von zwei männlichen Hebam-
men in Südtirol. Mittlerweile
ist Rizzi Studiengangsleiter für
Hebammen an der Landes-
fachhochschule Claudiana. Das
Interesse an der Arbeit der Heb-
amme, aber auch der starke
emotionale Aspekt in der Be-
gleitung von Menschen in be-
sonderen Lebensmomenten,
veranlasste ihn zu seiner Be-
rufswahl. Erst im späteren Be-
rufsalltag wurde ihm bewusst,
einen als typischen Frauenberuf
gewählt zu haben.
Typisch Frau oder
typisch Mann?
„Die Klischees sind wohl lei-
der noch nicht völlig aus unse-
V. l.: Linda Bachmann, Margit Schwärzer, Mirco Rizzi, Maria Luise Brugger, Angelika Peer, Judith Steinmair, Erna Holzer, Ursula Stein-
kasserer Goldwurm, Luise Eppacher.
ren Köpfen verschwunden“,
resümierte die Moderatorin.
Gesellschaft, Werbung und
Industrie leisten ihren Beitrag
dazu. „Man denke nur an rosa-
rotes Lego oder rosa Über-
raschungseier mit passendem
Inhalt für Mädchen.“ Das Sys-
tem in hellblau und rosa wirke
sich ebenso auf die Berufswahl
von Männern und Frauen aus.
Auch nicht zu unterschätzen
sind Studien, die besagen, dass
die Hälfte der Berufe „vererbt“
werden. „Das heißt, dass ent-
weder der Beruf des Vaters oder
jener der Mutter oft unbewusst
,automatisch‘ übernommen
werden.“ Und nicht zuletzt
spiele es nach wie vor eine
Rolle, dass Frauen selbstkriti-
scher mit sich umgehen und
einen höheren Anspruch an sich
haben, ihre „Sache“ so perfekt
wie möglich zu machen, wäh-
rend Männer davon ausgehen,
„das Ding zu schaukeln“.
Wie zum Beruf
gekommen?
Wie die fünf Podiumsteilneh-
mer dann doch zu einem ge-
schlechtsuntypischen Beruf
kamen? Alle waren sich darin
einig, dass es die Leidenschaft
und das Interesse sind, die bei
ihrer Berufswahl im Vorder-
grund standen. „Wichtig ist es
auch den Mut zu haben, etwas
Untypisches auszuprobieren.
Es gilt Angebote anzunehmen
und Möglichkeiten zu ergrei-
fen. Zutrauen und Vertrauen
sind die Säulen zum Gelingen“,
so die Teilnehmer.
Eine illustre Diskussionsrunde fand unlängst im Rahmen der Brunecker
„Frauen.Gespräche“ zusammen, um zu hinterfragen: Wieviel „Frau“ oder
„Mann“ braucht es eigentlich für den Beruf? Diskutiert wurde vor zahlrei-
chem Publikum, auch männlichem.
Wieviel „Frau“ oder „Mann“
braucht es für den Beruf?