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Das kleine Mädchen, ein Ein-

zelkind, musste somit in ein

Kinderheim. Die Mutter hatte

zuvor auch mit Alkoholproble-

men zu kämpfen gehabt, sodass

Theresa häufig mit sich alleine

war. „Ich erinnere mich noch

genau, dass ich viele Male

Hunger hatte, weil es nichts zu

essen gab. Die Mutter lag häu-

fig den ganzen Tag im Bett.“

Auch hat Theresa noch genau

das Bild vor Augen als man ihr

sagte, dass die Mutter jetzt im

Himmel sei, sie selbst dann

plötzlich vor fremden Men-

schen im Heim stand und gar

nicht wusste, wie ihr geschieht.

Tante

Plötzlich, nach drei Wochen,

stand eine Verwandte bei The-

resa vor der Tür. „Es war eine

Tante von mir, die ich zuvor aber

nie gesehen hatte. Sie erklärte

mir, dass sie mich jetzt zu ihr

heimnehmen werde. Ich rea-

gierte gar nicht darauf, wehrte

mich somit auch nicht dagegen.“

Schon bald waren Theresa und

ihre Tante ein Herz und eine

Seele. „Ich begann diese Frau so

sehr zu lieben und nannte sie

auch schon bald Mama. Sie war

ein sehr lieber Mensch.“ Sie un-

ternahmen viel gemeinsam, weil

auch die Tante alleinstehend war

und keine Kinder hatte. Als The-

resa zehn Jahre alt war, verän-

derte sich das Wesen der Tante

allerdings stetig. „Sie zog sich

immer mehr zurück, begann zu

trinken und zu rauchen. Auch

die Zahl der Unternehmungen

nahm stark ab. Dieses Verhalten

schlich sich einfach so ein.“

Theresa fehlte zwar das frühere

liebe Verhalten der Tante sehr,

sie machte sich aber auch nicht

sehr viele Gedanken über die

Wesensveränderung. „Ich nahm

es einfach hin bzw. klickte es

einfach weg.“

Überlebte knapp

„Eines Tages fand ich meine

Tante mit aufgeschnittenen

Pulsadern im Bett. Ich war zu-

tiefst schockiert, rannte zu

einem Nachbarn, der dann die

Rettung rief.“ Die Tante über-

lebte knapp. „Ich stand später

im Krankenhaus an ihrem Bett

und weinte bitterlich. Mir kam

die Tante aber so erstarrt vor.

Sie konnte kaum auf meine hef-

tige Traurigkeit reagieren. Ich

denke, dass die Medikamente

daran schuld waren.“ Theresa

musste wieder zurück in ein

Kinderheim. „Man erklärte mir,

dass meine Tante schwer krank

sei und sie nicht länger für

mich sorgen könne. Ich fühlte

mich als würde ich in ein tiefes

Loch fallen und nie mehr

Boden unter den Füßen spü-

ren.“ Theresa wartete jeden Tag

auf einen Anruf der Tante. „Ich

wünschte mir sehnsüchtig, dass

sie mir sagen würde, dass ich

wieder heimkommen darf.“

Fundament im Heim

Nach Monaten des Wartens

erhielt Theresa dann die Bot-

schaft des Kinderheimleiters:

Die Tante habe sich in der

Psychiatrie erhängt. „Dann

ging in meinem Kopf alles

durcheinander. Kein klarer Ge-

danke war mehr möglich, ich

zitterte am ganzen Körper,

bekam kaum Luft und wollte

mir selbst das Leben nehmen.“

Die Menschen im Kinderheim

ließen Theresa aber nicht allein.

„Sie hielten mich fest, körper-

lich und seelisch, obwohl ich

mich wie wild dagegen wehrte.

Für ihr Tun werde ich ihnen

immer sehr dankbar sein. Denn

sie gaben mir ein Fundament,

auf dem ich weiter stehen

konnte“, so Theresa.

Die zweite Schwester ihrer

verstorbenen Mutter nahm sich

ihrer dann an. „Sie war anfangs

ebenso lieb zu mir. Aber auch

ihre Psyche war stark angeschla-

gen. Sie trank deshalb ebenfalls

viel mehr als mir lieb war. Dass

meine Mutter und meine zwei

Tanten Alkoholikerinnen waren,

erdrückte mich fast. Ich erfuhr

nie, warum das so war.“ Nach

einem Jahr landete Theresa er-

neut im Kinderheim und der

Kontakt zur Tante riss ab.

„Ich kann heute wieder lachen,

aber bin selbst immer noch in

psychiatrischer Behandlung.“

Dennoch absolvierte sie eine

Lehre als Einzelhandelskauffrau

und hat seit geraumer Zeit auch

einen Halbtagsjob in einem klei-

nen Unternehmen.

Sport als Stütze

„Ich denke, dass ich es in ein

paar Jahren endgültig geschafft

habe, meine Vergangenheit, die

mir so sehr zusetzte, hinter mir

zu lassen und optimistisch in die

Zukunft zu schauen.“ Theresa,

findet auch im Sport einen gro-

ßen Halt. Sie nimmt an Wettbe-

werben teil und trainiert deshalb

viel. „Ich möchte nie zu trinken

beginnen müssen, wenn ich

Probleme habe. Ich will mir im

Sport die Kraft und den Mut

fürs Weitermachen holen“, er-

zählt sie. Mittlerweile hat sie

einen Freund, der ein ähnliches

Schicksal wie sie erlitt. „Er ist

ein paar Jahre älter als ich und

mein Ein und Alles.“ Sie hatten

sich bei einem sportlichen Wett-

bewerb kennengelernt. „Auch er

versucht seine Probleme mit

Sport besser verarbeiten zu kön-

nen.“ Mittlerweile hat Theresa

wieder Kontakt zu ihrer Tante.

„Sie ist weg vom Alkohol und

kommt mit sich nun gut klar.

Hin und wieder unternehmen

wir auch wieder etwas zusam-

men, was mir unendlich viel be-

deutet“, freut sich Theresa, die

inzwischen eine eigene Woh-

nung ihr Eigen nennen darf.

„Darauf bin ich furchtbar stolz.“

Martina Holzer

REPORTAGE

PUSTERTALER VOLLTREFFER

FEBER/MÄRZ 2018

30

Theresa L. (20) aus

dem Pustertal verlor

ihre Mutter früh. Sie

kam in ein Waisenhaus,

denn der Vater war un-

bekannt, und sonstige

Verwandte, die sie vor-

erst in ihr Zuhause auf-

nehmen hätten können,

gab es nicht.

Sie ist eine hübsche junge

Frau und hört sehr genau zu:

Theresa, 20 Jahre alt und von

Beruf Einzelhandelskauffrau.

Ihre Vergangenheit, die sie

heute noch belastet, war tra-

gisch. Denn als Fünfjährige

verlor sie ihre Mutter, die an

einer Krebserkrankung inner-

halb weniger Wochen verstarb.

Ein „haltloser“ Start ins Leben

Mit

Sport

ver-

sucht

die 20-

Jährige

an

ihren

Proble-

men zu

arbei-

ten.

Theresa L. aus

dem Pustertal

musste schon

früh in ein

Kinderheim.