NACHRUF
PUSTERTALER VOLLTREFFER
AUGUST/SEPTEMBER 2017
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Man kann bei Gasser getrost
sagen: Ein reich erfüllter
Lebenskreis schloss sich. Denn
sein Dasein war geprägt von vie-
len Tätigkeiten, in die er sich
stets mit voller Begeisterung „hi-
neinkniete“. So war die Musik
ein großes Steckenpferd von
ihm. Man begegnete ihm als
Chorleiter und an der Orgel, als
Kapellmeister und Leiter des
Männergesangsvereines oder als
Juror bei Bewertungsspielen.
Auch war er bekannt für seine
Radiosendungen über die Blas-
musik, als Unterrichtender der
Jugend in der Musikschule, als
Mitwirkender beim Osttiroler
Salonorchester. Man honorierte
seine Leistungen unter anderem
mit verschiedensten Verdienst-
zeichen, wie der Verdienstme-
daille des Landes Tirol.
Freigeist
Gasser kannte man auch als
richtiggehenden Freigeist. Er
war schon als Jugendlicher un-
erschrocken und zivilcouragiert
und unternahm beispielsweise
Anfang der 1960er-Jahre eine
gewagte Reise in den Urwald
Afrikas. Sein Ziel war das mit
bescheidenen Mitteln erbaute
Spitaldorf des bekannten und le-
gendären Arztes, Philosophen,
Musikers und evangelischen
Theologen Albert Schweitzer.
Auch wollte er dem damals
88-jährigen „Apostel der Nächs-
tenliebe“ unbedingt persönlich
begegnen. Ihn faszinierten
besonders auch Schweitzers
Gedanken wie „Ethisch ist der
Mensch nur, wenn ihm das
Leben als solches, das der
Pflanze und des Tieres wie
das des Menschen, heilig ist und
er sich dem Leben, das in Not
ist, helfend hingibt“.
Mitten in der Wildnis
Im Juli 1962 fuhr er mit dem
Zug von Bozen nach Marseille,
um weiter über Duala/Kamerun
bis nach Libreville zu fliegen. In
Lambarene, 350 km von
der afrikanischen Westküste
entfernt, landete der Abenteurer
müde, aber glücklich in einem
kleinen Flugzeug in der Wildnis
Afrikas. Mit einem Einbaumfloß
ruderten ihn die Eingeborenen
den Fluss Ogowe entlang und
erreichten bald ihr Ziel. „Die
Bootsfahrt war von einzigartiger
Vegetation, vom Konzert einer
bunten Vogelwelt, von rhythmi-
schen Gesängen und Trommel-
schlägen der Eingeborenen
begleitet“, schrieb er später fas-
ziniert in sein Tagebuch. Auch
die beeindruckende Begegnung
mit Schweitzer prägte Alfred
Gasser zeitlebens. „Ich durfte
einem Menschen nahe sein, der
nur für die Ärmsten der Armen,
vor allem den Kranken, zur Ver-
fügung stand.“ Mit einer einfa-
chen Fotokamera dokumentierte
er den Aufenthalt in Lambarene.
Der Weg zum Lehrer
Gasser wurde am 23. Juli 1932
in Mühlbach geboren, verbrachte
seine Kinderjahre in Vintl, be-
suchte dort die Volksschule und
setzte 1943 in Neustift/Brixen
seine Schullaufbahn fort. Bereits
als Jugendlicher begann er mit
Klavier- und Orgelunterricht, bis
1946 hörte man ihn zudem im
Knabenchor. Gasser wurde letzt-
endlich Volksschullehrer – vor-
erst in Terenten. Dort erweckte er
auch die Musikkapelle wieder
zum Leben. 1956 trat er mit sei-
ner Rosa, geborene Stoll, dann
vor den Traualtar. Ende der
1950er- Jahre gab es dann einige
Veränderungen in seinem Leben:
Es wurde nicht nur Sohn Hannes
geboren, sondern auch Innichen
zu seinem Lebensmittelpunkt –
suchte man dort ja dringend
einen Kapellmeister, Chorleiter
und Organist.
Seine Zeit als Volksschullehrer
in Innichen (bis 1982) wollte er
auch nie missen. Dann wurde
der Lehrer-Sekretär im Grund-
schulsprengel in Toblach und an
der Mittelschule von Innichen.
Besonders in Erinnerung sind
aber seine feierlichen Auffüh-
rungen bei Fest- und Feiertagen
in der Stiftskirche von Innichen
– von Stiftschor, Orchester
und der sehr beeindruckenden
Sopranstimme seiner Rosa. Sein
schmissig geführter Taktstock
bei Konzerten der Musikkapelle
imponierte. Auch nach seiner
Pensionierung blieb er im positi-
ven Sinne ein Mann der „Grenz-
überschreitung“. Denn er unter-
richtete mit großer Leidenschaft
die Fächer Klavier und Akkor-
deon an der Musikschule von
Sillian.
Martina Holzer
Alfred Gasser (85), Innichen/Sillian, † 22. 7. 2017:
Schöne Klänge erhellten sein
erfülltes Leben
Alfred Gasser liebte die Musik über alles. So hinterließ er in vielen musikali-
schen Bereichen seine Spuren.
die Armut ein Thema. „Er er-
lebte Hunger und Kälte. Auch
konnte er sich aufgrund seiner
Not nicht am studentischen
und kulturellen Leben der
Großstadt beteiligen.“
Umfassendes Schaffen
Nach dem Abschluss des
Studiums begegnete Kollreider
Industriellen aus dem Ruhrge-
biet, die zu seinen Mäzenen und
Freunden wurden. In den fol-
genden 50 Jahren seiner künst-
lerischen Entfaltung, in denen
er unzählige Kunstwerke schuf,
wechselten sich Reisen und
Ausstellungen ab. „Diese Rei-
sen erweiterten seinen Blick.
Farbe und Papier durften dabei
nie fehlen.“ Seine Reiseziele
reichten von der Türkei über
Mallorca bis hin zum Vorderen
Orient, Norwegen, Guatemala,
Asien, Afrika, Israel, Bangkok,
Bali, Singapur, Mexiko, Peru,
Florida etc. „Trotz der Welter-
fahrung ist er sich immer treu
geblieben“, erklärt der Neffe.
In den vergangenen Jahren
lebte der Künstler mit seiner
um zwei Jahre älteren Schwes-
ter Theresia recht zurückgezo-
gen im ersten Stock des
Gemeindehauses in Strassen,
malte und zeichnete weiterhin.
Gepflegt und umsorgt wurden
beide vor allem von Nichte
Maria, Großneffe Andreas und
den Pflegerinnen Ana und Do-
rina. „Im Sarg trägt unser
Onkel sein Bergknappenge-
wand aus Dortmund.“ In dieser
Stadt hatte er als Arbeiter in der
Zeche Zollern (mittlerweile
stillgelegtes Steinkohle-Berg-
werk) einst Geld verdient.
Kontakte in alle Welt
Franz Webhofer, Bürgermeis-
ter von Strassen sagte: „In seiner
Wohnung in Strassen gingen
viele Menschen aus unterschied-
lichsten Gesellschaftsschichten
ein und aus. Er unterhielt Kon-
takte in alle Welt. Trotzdem ist er
bescheiden und bodenständig
geblieben und beschenkte durch
sein Wirken unser Dorf sehr.“
1985 wurde Kollreider Ehren-
bürger der Gemeinde Strassen
(auch von Hajós/Ungarn). 1982
erhielt er das Goldene Ehren-
zeichen der Gemeinde Kar-
titsch. „Er vollbrachte weit über
seine Pflicht hinaus Dienste am
Menschen“, ist der Kartitscher
Bürgermeister Josef Außerlech-
ner überzeugt. Weiters war der
akademische Maler Träger des
päpstlichen Silvesterordens, des
Silbernen Ehrenzeichens für
Verdienste um die Republik
Österreich, des Verdienstkreuzes
des Landes Tirols und zahlrei-
cher weiterer Auszeichnungen.
Martina Holzer
Alfred
Gasser
ver-
starb
einen
Tag vor
seinem
85.
Ge-
burts-
tag.
Musikalisch hinterließ Gasser
viele Spuren.
Gasser war ein
Freigeist. So
unternahm er
einst u. a. auch
eine gewagte
Reise in den
Urwald Afri-
kas. Im Bild
mit dem legen-
dären Philoso-
phen, Arzt,
Musiker und
evangelischen
Theologen
Albert
Schweitzer.