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NACHRUF

PUSTERTALER VOLLTREFFER

AUGUST/SEPTEMBER 2017

35

Man kann bei Gasser getrost

sagen: Ein reich erfüllter

Lebenskreis schloss sich. Denn

sein Dasein war geprägt von vie-

len Tätigkeiten, in die er sich

stets mit voller Begeisterung „hi-

neinkniete“. So war die Musik

ein großes Steckenpferd von

ihm. Man begegnete ihm als

Chorleiter und an der Orgel, als

Kapellmeister und Leiter des

Männergesangsvereines oder als

Juror bei Bewertungsspielen.

Auch war er bekannt für seine

Radiosendungen über die Blas-

musik, als Unterrichtender der

Jugend in der Musikschule, als

Mitwirkender beim Osttiroler

Salonorchester. Man honorierte

seine Leistungen unter anderem

mit verschiedensten Verdienst-

zeichen, wie der Verdienstme-

daille des Landes Tirol.

Freigeist

Gasser kannte man auch als

richtiggehenden Freigeist. Er

war schon als Jugendlicher un-

erschrocken und zivilcouragiert

und unternahm beispielsweise

Anfang der 1960er-Jahre eine

gewagte Reise in den Urwald

Afrikas. Sein Ziel war das mit

bescheidenen Mitteln erbaute

Spitaldorf des bekannten und le-

gendären Arztes, Philosophen,

Musikers und evangelischen

Theologen Albert Schweitzer.

Auch wollte er dem damals

88-jährigen „Apostel der Nächs-

tenliebe“ unbedingt persönlich

begegnen. Ihn faszinierten

besonders auch Schweitzers

Gedanken wie „Ethisch ist der

Mensch nur, wenn ihm das

Leben als solches, das der

Pflanze und des Tieres wie

das des Menschen, heilig ist und

er sich dem Leben, das in Not

ist, helfend hingibt“.

Mitten in der Wildnis

Im Juli 1962 fuhr er mit dem

Zug von Bozen nach Marseille,

um weiter über Duala/Kamerun

bis nach Libreville zu fliegen. In

Lambarene, 350 km von

der afrikanischen Westküste

entfernt, landete der Abenteurer

müde, aber glücklich in einem

kleinen Flugzeug in der Wildnis

Afrikas. Mit einem Einbaumfloß

ruderten ihn die Eingeborenen

den Fluss Ogowe entlang und

erreichten bald ihr Ziel. „Die

Bootsfahrt war von einzigartiger

Vegetation, vom Konzert einer

bunten Vogelwelt, von rhythmi-

schen Gesängen und Trommel-

schlägen der Eingeborenen

begleitet“, schrieb er später fas-

ziniert in sein Tagebuch. Auch

die beeindruckende Begegnung

mit Schweitzer prägte Alfred

Gasser zeitlebens. „Ich durfte

einem Menschen nahe sein, der

nur für die Ärmsten der Armen,

vor allem den Kranken, zur Ver-

fügung stand.“ Mit einer einfa-

chen Fotokamera dokumentierte

er den Aufenthalt in Lambarene.

Der Weg zum Lehrer

Gasser wurde am 23. Juli 1932

in Mühlbach geboren, verbrachte

seine Kinderjahre in Vintl, be-

suchte dort die Volksschule und

setzte 1943 in Neustift/Brixen

seine Schullaufbahn fort. Bereits

als Jugendlicher begann er mit

Klavier- und Orgelunterricht, bis

1946 hörte man ihn zudem im

Knabenchor. Gasser wurde letzt-

endlich Volksschullehrer – vor-

erst in Terenten. Dort erweckte er

auch die Musikkapelle wieder

zum Leben. 1956 trat er mit sei-

ner Rosa, geborene Stoll, dann

vor den Traualtar. Ende der

1950er- Jahre gab es dann einige

Veränderungen in seinem Leben:

Es wurde nicht nur Sohn Hannes

geboren, sondern auch Innichen

zu seinem Lebensmittelpunkt –

suchte man dort ja dringend

einen Kapellmeister, Chorleiter

und Organist.

Seine Zeit als Volksschullehrer

in Innichen (bis 1982) wollte er

auch nie missen. Dann wurde

der Lehrer-Sekretär im Grund-

schulsprengel in Toblach und an

der Mittelschule von Innichen.

Besonders in Erinnerung sind

aber seine feierlichen Auffüh-

rungen bei Fest- und Feiertagen

in der Stiftskirche von Innichen

– von Stiftschor, Orchester

und der sehr beeindruckenden

Sopranstimme seiner Rosa. Sein

schmissig geführter Taktstock

bei Konzerten der Musikkapelle

imponierte. Auch nach seiner

Pensionierung blieb er im positi-

ven Sinne ein Mann der „Grenz-

überschreitung“. Denn er unter-

richtete mit großer Leidenschaft

die Fächer Klavier und Akkor-

deon an der Musikschule von

Sillian.

Martina Holzer

Alfred Gasser (85), Innichen/Sillian, † 22. 7. 2017:

Schöne Klänge erhellten sein

erfülltes Leben

Alfred Gasser liebte die Musik über alles. So hinterließ er in vielen musikali-

schen Bereichen seine Spuren.

die Armut ein Thema. „Er er-

lebte Hunger und Kälte. Auch

konnte er sich aufgrund seiner

Not nicht am studentischen

und kulturellen Leben der

Großstadt beteiligen.“

Umfassendes Schaffen

Nach dem Abschluss des

Studiums begegnete Kollreider

Industriellen aus dem Ruhrge-

biet, die zu seinen Mäzenen und

Freunden wurden. In den fol-

genden 50 Jahren seiner künst-

lerischen Entfaltung, in denen

er unzählige Kunstwerke schuf,

wechselten sich Reisen und

Ausstellungen ab. „Diese Rei-

sen erweiterten seinen Blick.

Farbe und Papier durften dabei

nie fehlen.“ Seine Reiseziele

reichten von der Türkei über

Mallorca bis hin zum Vorderen

Orient, Norwegen, Guatemala,

Asien, Afrika, Israel, Bangkok,

Bali, Singapur, Mexiko, Peru,

Florida etc. „Trotz der Welter-

fahrung ist er sich immer treu

geblieben“, erklärt der Neffe.

In den vergangenen Jahren

lebte der Künstler mit seiner

um zwei Jahre älteren Schwes-

ter Theresia recht zurückgezo-

gen im ersten Stock des

Gemeindehauses in Strassen,

malte und zeichnete weiterhin.

Gepflegt und umsorgt wurden

beide vor allem von Nichte

Maria, Großneffe Andreas und

den Pflegerinnen Ana und Do-

rina. „Im Sarg trägt unser

Onkel sein Bergknappenge-

wand aus Dortmund.“ In dieser

Stadt hatte er als Arbeiter in der

Zeche Zollern (mittlerweile

stillgelegtes Steinkohle-Berg-

werk) einst Geld verdient.

Kontakte in alle Welt

Franz Webhofer, Bürgermeis-

ter von Strassen sagte: „In seiner

Wohnung in Strassen gingen

viele Menschen aus unterschied-

lichsten Gesellschaftsschichten

ein und aus. Er unterhielt Kon-

takte in alle Welt. Trotzdem ist er

bescheiden und bodenständig

geblieben und beschenkte durch

sein Wirken unser Dorf sehr.“

1985 wurde Kollreider Ehren-

bürger der Gemeinde Strassen

(auch von Hajós/Ungarn). 1982

erhielt er das Goldene Ehren-

zeichen der Gemeinde Kar-

titsch. „Er vollbrachte weit über

seine Pflicht hinaus Dienste am

Menschen“, ist der Kartitscher

Bürgermeister Josef Außerlech-

ner überzeugt. Weiters war der

akademische Maler Träger des

päpstlichen Silvesterordens, des

Silbernen Ehrenzeichens für

Verdienste um die Republik

Österreich, des Verdienstkreuzes

des Landes Tirols und zahlrei-

cher weiterer Auszeichnungen.

Martina Holzer

Alfred

Gasser

ver-

starb

einen

Tag vor

seinem

85.

Ge-

burts-

tag.

Musikalisch hinterließ Gasser

viele Spuren.

Gasser war ein

Freigeist. So

unternahm er

einst u. a. auch

eine gewagte

Reise in den

Urwald Afri-

kas. Im Bild

mit dem legen-

dären Philoso-

phen, Arzt,

Musiker und

evangelischen

Theologen

Albert

Schweitzer.