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ZEITZEUGE

PUSTERTALER VOLLTREFFER

JULI/AUGUST 2017

21

terscheiben der Partei einschla-

gen. Darauf stand natürlich

mindestens das KZ. Bei uns

spielte natürlich auch eine ge-

wisse Abenteuerlust mit.“

Amerikaner beim

„Kreuzl“

„Damals, als die Amerikaner

über Osttirol hinweg flogen, um

Städte in Deutschland zu bom-

bardieren, stürzte einer der

Flieger beim Rückflug über Sil-

lian ab. Es war der 31. Dezem-

ber. Zwei Männer konnten sich

mit dem Fallschirm retten.

Einer landete auf Südtiroler

Gebiet, einer auf unserem,

beim sogenannten ,Kreuzl‘, wo

es eine tolle Skiabfahrt gab.“

Gemeinsam mit einem Nach-

barn, einem Gastwirt, beeilte er

sich hinauf zum Amerikaner,

der in einem Baum gelandet

war. „Er konnte sich selbst von

dort befreien. Wir wollten ihm

dann helfen und ihn bei einem

Bauern verstecken. Der Ameri-

kaner war meine erste Gele-

genheit mit jemandem Englisch

zu sprechen. Ich bot ihmWeih-

nachtskekse an, aber er hatte

sich bei der Landung in die

Zunge gebissen und konnte

nicht essen.“ Goller schnappte

sich allerdings eine Landkarte

aus der Brusttasche. „Das war

für uns damals eine unglaub-

liche Karte. Da war ganz

Europa drauf.“

Er hatte große Angst

Der Amerikaner hatte große

Angst und vertraute den Ein-

heimischen nicht. Er wollte lie-

ber in ein Kriegsgefangenen-

lager, anstatt sich von ihnen

helfen zu lassen. „Ich weiß,

dass er auf dem Bahnhof dann

von der Gestapo gefasst und

furchtbar verprügelt wurde und

in Folge in ein Lager kam.“

Später holte man sich den Fall-

schirm, umWindjacken daraus

zu machen.

Mit 15 Jahren sollte Goller

dann in den Krieg ziehen – als

Luftwaffenhelfer. „Doch am

Heiligen Drei Könige-Tag brach

ich mir beim Skifahren wieder

das Bein und konnte somit vor-

erst noch daheimbleiben.“ Bei

der Nachmusterung „half“ dann

sein Vater nach, damit er dies-

mal auch nicht in den Krieg

musste. „Er gab mir eine Spritze

mit gekochter Milch in den Hin-

tern. So bekam ich hohes Fie-

ber. Zudem täuschte ich starke

Kopfschmerzen vor, die bis ins

Gehirn reichen würden. Man er-

klärte mich vorerst wieder für

untauglich. Was dann noch Tage

später wirklich weh tat, war der

Einstich der Spritze.“ Bei einer

weiteren Nachmusterung er-

klärte ihn der damalige Amts-

arzt von Lienz, ein Anti-Nazi,

als noch nicht rehabilitiert. „Ich

war so unendlich froh.“

Partisanen

Von einem Schulkameraden

wusste er, dass dieser nach Ost-

preußen musste und später zu

Fuß bis nach Kötschach-Mau-

wegen seiner vaterländischen

Gesinnung von den Nationalso-

zialisten verhaftet wurde und ei-

nige Zeit im Konzentrationsla-

ger Dachau verbringen musste.

Zur Gestapo beordert

Goller erinnert sich auch

noch gut daran, wie hart die

Strafen waren, wenn man beim

Schwarzsender-Hören erwischt

wurde. „Es folgten eine An-

zeige und das Einsperren. Ich

kann mich auch an einen Vill-

grater erinnern, der deswegen

sogar im Konzentrationslager

landete, nachdem man ihn

mehrmals erwischt hatte. Auch

bei uns daheim hörte man viel

Schwarzsender.“

Auch Goller wurde als junger

Bursche einmal zur Gestapo be-

ordert – eingefädelt von einem

SS-Obersturmbannführer, der

in der Oberschule in Lienz Di-

rektor war. „Das war 1942 oder

1943. Die Gestapo sagte zu mir:

,Günther’, der Papa hat gestan-

den, dass ihr eine monarchisti-

sche Bewegung aufstellt.‘ Mir

war sofort klar, dass sie mich in

eine Falle locken wollten.“

Goller hatte sich selbst im Wi-

derstand organisiert. „Gemein-

sam mit vier anderen Jugendli-

chen aus dem Oberland und

Lienz. Wir verübten dann kleine

Attentate wie Hakenkreuzfah-

nen herunterreißen oder Fens-

then flüchtete. Es war Dr. Leo

Klocker, der Tierarzt. Goller

machte während der Nazi-Zeit

auch bei den Kärntner Reichs-

meisterschaften in Garmisch-

Partenkirchen mit. „Osttirol

gehörte damals ja zu Kärnten.

Dort trainierte uns Erich Rana-

cher, der von der Deutschen

Wehrmacht dort abgestellt

wurde, weil er eben ein guter

Skifahrer war.“ Eines Tages

fragte er Goller: „Du bist doch

der Sohn vom Tierarzt? Also

ein Anti-Nazi?“ Er forderte den

jungen Sillianer somit auf, sich

mit ihm den Partisanen in Slo-

wenien anzuschließen. Goller

war Feuer und Flamme. Als

sein Vater davon erfuhr, fuhr er

ihn an, ob er denn „narrisch“

sei. „Da wirst du gleich er-

schossen“, so der Vater. Goller

sagte Ranacher dann schweren

Herzens ab. Ranacher ließ sich

dann tatsächlich zum Partisa-

nen ausbilden. „Er wurde letzt-

endlich bei der Villacher Alpe

gefasst und in Graz gehängt.

Das hat mich schwer betroffen

gemacht.“ Martina Holzer

Rede Hitlers an die jubelnden Massen auf dem Wiener Heldenplatz vom Balkon im ersten Oberge-

schoss der Hofburg aus, 15. März 1938.

Foto: Bundesarchiv/183-1987-0922-500

in Widerstandskämpfer

Nach dem Zweiten

Weltkrieg

Günther Goller besuchte

nach 1945 das Gymnasium in

Schwaz in Tirol. „Ich sollte

dann eigentlich in die Fußstap-

fen des Vaters treten und Tier-

arzt werden. Nach zwei Se-

mestern an der tierärztlichen

Hochschule kam ich dahinter,

dass man auch Orientalistik

studieren konnte und wech-

selte.“ Danach studierte Goller

noch Rechtswissenschaften.

Letztendlich landete er aber in

der Politik. Sie wurde zu sei-

nem Lebensinhalt. Zuerst

wurde er in Wien ÖVP-Klub-

sekretär, dann Stadtrat und bis

zu seinem Ausscheiden Klub-

obmann der Wiener Volkspar-

tei. Goller ist Ritter des Sou-

veränen Malteserordens und

Ehrenbürger der Stadt Wien.

Zudem erhielt er das Große

Goldene Ehrenzeichen für Ver-

dienste um das Land Wien.