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OSTTIROLER

NUMMER 7-8/2017

8

HEIMATBLÄTTER

Der Tamariskenzünsler (

Merulem-

pista cingillella

) ist ein Nachtfalter

aus der Familie der Zünsler (Pyrali-

dae) und – wie sein deutscher Name

schon andeutet – an Tamariskenge-

wächse (Tamaricaceae) gebunden.

Während der unscheinbare Schmet-

terling in seinen mediterranen Ver-

breitungsgebieten an verschiedenen

Tamarisken-Arten (

Tamarix

spp.)

lebt, entwickelt er sich imAlpenraum

ausschließlich an der Deutschen

Ufer-Tamariske (

Myricaria germa-

nica

). Diese Pionierpflanze dynami-

scher, naturnaher alpiner Flusssys-

teme wächst an der Isel und an eini-

gen ihrer Zubringerbäche. Durch

harte Flussverbauungen und -begra-

digungen sowie Kraftwerksbauten in der

Vergangenheit ist sie aus nahezu allen

österreichischen Bundesländern ver-

schwunden und gilt laut der Roten Liste

der Gefäßpflanzen Österreichs als „vom

Aussterben bedroht“; in Tirol ist sie nach

der Tiroler Naturschutzverordnung 2006

gänzlich geschützt. Viel wurde über diese

Pflanze diskutiert und publiziert (u. a.

K

UDRNOVSKY

2007, K

UDRNOVSKY

&

S

TÖHR

, 2013), sodass wir hier nicht näher

darauf eingehen. Ähnlich kritisch ist auch

die Situation des an die Ufer-Tamariske

gebundenen Tamariskenzünslers. In einer

ansprechenden, reich bebilderten Publika-

tion über das Vorkommen und die Biologie

dieser Art im Defereggental bei St. Jakob

(H

UEMER

& E

RLEBACH

, 1996) bemerken

die Autoren u. a.: „Das Auftreten des

Tamariskenzünslers an der Schwarzach ist

von erheblicher naturschutzrelevanter Be-

deutung, handelt es sich doch dabei um

einen der hochgradigst gefährdeten

Schmetterlinge Österreichs …“.

Nach der „Checkliste der Schmetterlinge

Österreichs“ (H

UEMER

, 2013) kommt der

Falter österreichweit nur in Osttirol vor,

Fundangaben aus den Bundesländern

Salzburg, Niederösterreich und Wien sind

historischer Art und die Vorkommen seit

langem erloschen. Der Erstnachweis für

Nordtirol gelang Dr. Peter Huemer, Tiroler

Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck,

Abschließend kann festgehalten

werden, dass sowohl Pflanzen wie

auch Tiere von den Maßnahmen na-

turnaher Flussgestaltung (Renaturie-

rung, Schaffung von Retensionflä-

chen) profitieren, besonders jene

Arten, die sich über eine lange Zeit an

den Rhythmus und die Dynamik sol-

cher Gewässer angepasst und in ihrer

Lebensweise darauf spezialisiert

haben. Solche „Flussufer-Spezialis-

ten“ finden wir in nahezu allen Pflan-

zen- und Tiergruppen, einige Bei-

spiele sind: Ufer-Tamariske (

Myrica-

ria germanica

), Rosmarinblättriges

Weidenröschen (

Epilobium dodo-

naei

), Fluss-Uferläufer (

Actitis hypo-

leucos),

Sandlaufkäfer (

Cicindela hy-

brida ssp. transversalis

), Türk‘s Dorn-

schrecke (

Tetrix tuerki

), Tamariskenzünsler

(

Merulempista cingillella

), Fledermaus-

schwärmer (

Hyles vespertilio

). Darüber

hinaus gibt es eine Anzahl weiterer hoch

spezialisierter Insekten wie Wanzen, Käfer,

Ameisen, Köcherfliegen, Steinfliegen u. a.

sowie Spinnentiere, die von gesunden

Fluss- und Bachsystemen abhängig sind.

Ein herzliches Dankeschön geht an

Dr. Eva Benedikt und Marlies Mayr für

die Begleitung, Unterstützung und

Fotodokumentation sowie an Dr. Oliver

Stöhr für botanische Literaturhinweise.

Literatur:

H

UEMER

P. & E

RLEBACH

S. (1996): Der Tamarisken-

zünsler –

Merulempista cingillella

(Zeller, 1846) – eine für

Österreich wiederentdeckte Schmetterlingsart in den

Hohen Tauern (Osttirol) (Lepidoptera, Pyralidae). – Wis-

senschaftliche Mitteilungen aus dem Nationalpark Hohe

Tauern

2

: 87-94.

H

UEMER

P. (2013): Die Schmetterlinge Österreichs (Le-

pidoptera). – Studiohefte, Tiroler Landesmuseen, Inns-

bruck. 12: 204 pp.

H

UEMER

P. (2016): DNA-Barcoding der Schmetterlinge

(Lepidoptera) des zentralen Alpenraumes (Tirol, Südtirol)

– Weitere faunistische Landesneufunde. – Wissenschaft-

liches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 2016, Innbruck-

Wien-Bozen: 37-49.

K

UDRNOVSKY

H. (2007): Bestände der Deutschen Ta-

mariske (

Myricaria germanica

) an Isel, Schwarzach, Kal-

serbach und Tauernbach in Osttirol. – Studie i. A. OeAV

– Fachabt. Raumplanung – Naturschutz & Umweltdach-

verband, Lienz.

K

UDRNOVSKY

H. & S

TÖHR

O. (2013):

Myricaria ger-

manica

(L.) Desv. historisch und aktuell in Österreich: ein

dramatischer Rückgang einer Indikatorart von europäi-

schem Interesse. – Stapfia 99: 13-34.

am 13. August 2015 am Inn-Ufer bei

Pfunds (H

UEMER

, 2016). Am Lech, der

ebenfalls geeignete Tamariskenbestände

aufweist, wurde der Zünsler bisher ver-

geblich gesucht, genauso wie am Kalser-

bach in Osttirol.

Umso erfreulicher ist die Entdeckung

einer weiteren Population des seltenen Fal-

ters auf den Inseln der Iselaufweitung bei

St. Johann i. W., die mit alten, vitalen Be-

ständen der Ufer-Tamariske bestockt sind.

Durch die starke Wasserführung der Isel

im Juni waren diese Habitate nur auf dem

Wasserweg erreichbar, sodass wir zwei

Seitenarme durchwaten mussten und für

den Notfall ein Kajak mit dabei hatten.

Beim Abstreifen und Abklopfen der

Tamariskenbüsche gingen zwei Männchen

und ein Weibchen des Zünslers ins Netz,

zudem konnte eine fast ausgewachsene

Raupe frei an der Pflanze gefunden wer-

den. Es zeigte sich, dass die Flugzeit der

Falter schon dem Ende zu ging, was wohl

an der vorangegangenen Hitzeperiode lag.

Die Falter, besonders die Männchen,

waren bereits stark abgeflogen, das Weib-

chen war noch unversehrt. Die Raupe

wurde mitgenommen, um sie zuhause bis

zum Falter zu züchten. Ob das gelingt,

werden die kommenden Wochen zeigen.

Die Raupen haben eine komplizierte Bio-

logie: Sie fressen in den Anfangsstadien an

den Blüten und versponnenen Samenstän-

den der Tamarisken, verlassen diese aber

im letzten Larvalstadium im Verlauf des

Spätsommers und bohren sich zur Über-

winterung in den unteren Teil der holzigen

Stämmchen, worin sie sich im Frühjahr

verpuppen (H

UEMER

& E

RLEBACH

, 1996).

Während der Tamariskenzünsler an der

Schwarzach in 1.380 m NN einbrütig ist,

wurde an den Vorkommen in Südtirol Bi-

voltinität beobachtet, d. h. die Tiere bilden

dort zwei Generationen im Jahr aus. Mög-

licherweise erlauben die günstigen klima-

tischen Bedingungen an der Isel auf 765 m

NN ebenfalls eine Zweibrütigkeit, der wei-

tere Entwicklungsverlauf der eingetrage-

nen Raupe wird es vielleicht klären.

Die Raupen fressen an den versponnenen

Samenständen der Tamarisken – Länge =

12 mm (leg. T. Mayr).

Foto: Helmut Deutsch

Tamariskenzünsler

, St. Johann i. W.,

Isel, 11. Juni 2017 (leg. H. Deutsch) –

Spannweite = 20 mm.

Foto: Helmut Deutsch

Helmut Deutsch – Toni Mayr

Ein weiterer Nachweis des

Tamariskenzünslers in Osttirol

Die Autoren Helmut Deutsch (r.) und Toni Mayr beim

Aufspüren des seltenen Schmetterlings.

Foto: Eva Benedikt