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lichen wie im urbanen Raum

volle Auftragsbücher bescherte.

Der Wohlstand spiegelte sich

auch in den Krippen wider. Sie

waren nun figurenreicher, üppi-

ger in der Ausstattung. Bei

vielen kam eine zweite Ebene

ins Spiel: Im Hintergrund war

jetzt Bethlehem zu sehen, nicht

nach demVorbild einer orienta-

lischen, sondern einer barocken

Stadt gestaltet. Der Tempel von

Jerusalem wurde integraler Be-

standteil barocker Krippen mit

bekleideten Figuren. Die Hirten

zeigten sich als Tiroler Bauern,

nicht selten im Sonntagsstaat,

die Heiligen Drei Könige

repräsentierten die Habsburger-

dynastie. Der barocke Über-

schwang bekleideter Krippen

stieß bei Aufklärern wie Kaiser

Joseph II. aber auf Ablehnung.“

Wie äußerte sich seine Ab-

lehnung?

Gurschler:

„Er löste Klöster

auf und verbannte die Krippen

1782 bis 1785 aus den Kirchen

und sakralen Einrichtungen.

Die Bevölkerung reagierte

großteils mit Unmut auf die

Verbote religiöser Bräuche und

Traditionen. Nach seinem Tod

wurden die kirchenfeindlichen

Erlässe rückgängig gemacht.

Viele der aufwändigen Kirchen-

KRIPPEN

PUSTERTALER VOLLTREFFER

NOVEMBER/DEZEMBER 2016

17

Frohe Botschaft, das Leiden und

Sterben Christi lebendig werden.

Meist waren es Adelige und be-

tuchte Bürger, die Kirchenkrip-

pen stifteten, eigene konnten

sich nur höfische Kreise leisten.

Bildschnitzer fertigten Köpfe

und Hände, die gern auch aus

Wachs bestanden, Drechsler die

beweglichen Teile der Glieder-

puppen. Die bis zu einen Meter

hohen Figuren trugen reich ver-

zierte Kleider im Stil der Zeit,

gearbeitet von Schneidern und

Näherinnen. Die Gerätschaften

stellten Handwerker her. Die

Krippe war im 17. Jahrhundert

also eine Mischung aus Hand-

werk und Kunst, wobei letztere

sich meist auf die Hintergrund-

malerei beschränkte und nicht

die erste Riege der Künstler be-

schäftigte.“

Wie entwickelte sich die

Krippe dann weiter?

Gurschler:

„Das 18. Jahr-

hundert war fast frei von krie-

gerischen Auseinandersetzun-

gen. Die wirtschaftliche Lage

der Bürger und Bauern besserte

sich enorm. Gotteshäuser wur-

den neu errichtet und oder

prachtvoll ausgestattet, was

zahlreichen Künstlern im länd-

krippen waren allerdings zer-

stört worden oder in Privatbe-

sitz übergegangen, sodass der

Bedarf an neuen Krippen groß

war. Dies führte zu einer Blüte

der geschnitzten Krippen in

Tirol. In kleinerer Ausführung

fanden sie nun Eingang in die

Häuser wohlhabender Bürger,

Beamter und Adeliger. Ein er-

neutes Verbot der Krippen unter

der bayerischen Besatzung von

1806 bis 1814 konnte deren

Popularität nichts mehr anhaben.

In vielen bäuerlichen Stuben

stand in der Weihnachtszeit

eine Krippe im Herrgottswin-

kel. Der barocke Stil kam dem

Kunstverständnis des Volkes

sehr entgegen, weshalb speziell

im ländlichen Raum Krippen-

bauer und -gestalter bis weit ins

19. Jahrhundert hinein an die-

sem festhielten.“

Im 19. Jahrhundert setzte

sich bei den Kirchenkrippen

dann aber zusehends der

Nazarenerstil durch.

Gurschler:

„Ja. Die Darstel-

lungen konzentrierten sich hier

auf das Wesentliche der Weih-

nachtsgeschichte, waren geprägt

von einfachen klaren Formen,

einer ruhigen Komposition und

großer Ernsthaftigkeit in Aus-

führung und Ausdruck. Barocker

Überschwang war – im Gegen-

satz zu den Hauskrippen – ver-

pönt. Die in dieser Zeit zuneh-

menden Pilgerreisen ins Heilige

Land veränderten das Bild des

Orients. Die Bestrebungen der

Krippenbergbauer, Schnitzer

und Hintergrundmaler konzen-

trierten sich immer stärker dar-

auf, die dortige Landschaft und

Kultur so detailgetreu wie mög-

lich wiederzugeben. Die orien-

talische Krippe trat in den Vor-

dergrund, auch bei den Haus-

krippen. Viele der alten Krippen

mit Tuchbergen und barocker

Ausstattung wurden durch neue,

topografisch und historisch ge-

nauere ersetzt.“

Wann wurde dann die „Tiro-

ler Krippe“ entwickelt?

Gurschler:

„Um 1900 vom

Brunecker Krippenbauer Josef

Bachlechner (1871–1923). Er

bettete das Geschehen in ein de-

tailgetreues heimatliches Um-

feld ein. Die Hintergrundmalerei

orientierte sich an den hiesigen

Landschaften. Die Hirten tru-

gen schlichte Jacken, knöchel-

lange Hosen und Holzschuhe,

die mittelalterlichen Tiroler Alt-

städte gaben das Vorbild für den

Krippenberg. Die von Bach-

lechner propagierte Krippe im

„Tiroler Stil“ wurde zu einem

festen Begriff und nicht zuletzt

der 1909 gegründete Krippen-

verein sorgte für deren Verbrei-

tung unter den Mitgliedern und

darüber hinaus.“

Die fertig gestaltete heimatliche Krippe samt Figuren.

Mit einer prägnanten Wurzel von Hans Knapp gestaltete Krippe

im Besitz von Hansjörg Lang, Vomperbach.

radition