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westlich vom alten errichtet wurde. Bis

1943 hatten wir kein Wasser und auch kei-

nen Strom. Wir tranken das Wasser aus der

vorbeifließenden Wiere und hatten nur

Plumpsklosetts mit einer Sickergrube.

Petroleumlampen lieferten uns Licht.

Der gesamte Grund bis zur Fischwirtvilla

gehörte Herrn Dr. Wurnig, der von den

Nazis enteignet wurde.“

Frau Maria Brugger war nach der Schul-

ausbildung von 1952 bis 1953 und von

1959-1961 in der Wäschefabrik Plihal in

der Peggetz angestellt und hat drei Kinder.

3. Baracke in der Dolomitenstraße:

Diese Baracke wurde als Bauleitungs-

baracke für den Bau der ehemaligen Poli-

zeikaserne und heutigen Haspingerkaserne

im Jahr 1942 errichtet und diente von Jän-

ner 1944 bis Dezember 1959 als Amtsba-

racke für das Wasserbauamt und spätere

Baubezirksamt Lienz mit Dipl.-Ing. Fried-

rich Bachmann als Vorgesetzten.

4. Baracken im Draupark:

Elisabeth Aigner,

geb. Schumi

(geb. 1924):

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„Mein Vater Johann Schumi (1884 bis

1955) war ziviler Lagerleiter in den Drau-

park-Baracken für die französischen Ge-

fangenen und war das Bindeglied zwischen

Gemeindeamt und Militärkommando. Dort

war auch der Dolmetscher Professor

René Boda interniert. Der wachehabende

Kommandant war der ‚Wachter‘ Unteroffi-

zier Man, ein Wiener. Mein Vater achtete

darauf, dass die internierten Männer in

ihren erlernten Berufen eingesetzt wurden

als Ersatz für unsere Wehrmänner. Mein

Vater teilte auch die Lebensmittelmarken

aus, die er von der Stadtgemeinde zugeteilt

bekam. Die Verpflegung in diesem Lager

war sicher zufriedenstellend, auch die ärzt-

liche Betreuung, die regelmäßig im Lager

durch den Lienzer Arzt Dr. Niederkofler er-

folgte.

Die kriegsgefangenen Franzosen waren

Freigänger und wurden in der Umgebung

von Lienz für verschiedene Arbeiten ein-

gesetzt. Die Herren Boda und Man kamen

oft in unser Hoferhaus am Rindermarkt,

auch mit anderen kriegsgefangenen Fran-

zosen. Ich selbst saß auch oft an unserem

großen Küchentisch mitten unter unseren

‚Feinden‘ in friedlicher Runde bei einem

Glas Wein, das die Franzosen mitbrachten.

Das war für mich in dieser Kriegszeit ein-

mal ein positives Erlebnis. Besonders in

Erinnerung ist mir ein Freigänger, der bei

der Schlosserei Wassermann in der Beda

Weber-Gasse arbeitete und eines Tages, es

war im Jahr 1943, flüchtete. Er fuhr mit

einem Fahrrad und in seiner blauen

Schlossermontur über verkehrsarme Stra-

ßen und schlief bei Bauern. Daheim in

Frankreich angekommen, schrieb er eine

Karte an den Herrn Boda und teilte ihm

seine glückliche Ankunft daheim mit. Da-

raufhin wurden die Aufsichten in den La-

gern strenger gehalten, und die Franzosen

kamen auch nicht mehr in unser Haus.

Als nach 1945 die Kriegsgefangenen

wieder in der Heimat waren, schrieb Herr

Boda in korrektem Deutsch zu jedem Jah-

reswechsel an meinen Vater bis zu dessen

Ableben im Jahre 1955. Er versicherte

seine und seiner Kameraden Dankbarkeit

für die menschliche Betreuung, die mein

Vater ihnen entgegenbrachte.

In den Draupark-Baracken waren nur

französische Soldaten und Unteroffiziere

interniert, keine Offiziere. Der Unteroffi-

zier Man hat die Freigänger in die Stadt zu

ihren Arbeitsstellen begleitet und abends

auch wieder heimgeführt.“

HR Dr. Lambert Grünauer

(geb. 1942):

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„Ich wuchs mit meinen Eltern und mei-

nen Schwestern in der Südtirolersiedlung

auf und erinnere mich an die drei Bara-

cken im Draupark. Die Bahnböschung

nutzte ich mit meinen Freunden zum Schlit-

tenfahren. Viele Jahre später lernte ich den

ehemaligen französischen Kriegsgefange-

nen Bernard Drouhot aus Antibes (Süd-

frankreich) kennen, der 1940 in deutsche

Kriegsgefangenschaft geraten und in die-

sem Lager mit Schicksalsgefährten unter-

gebracht gewesen war. Es handelte sich

um sogenannte ‚Freigänger‘, die tagsüber

in verschiedenen Betrieben arbeiten muss-

ten. Drouhot war der Drogerie ‚Kreuz‘ im

Leitner-Haus (Johannesplatz 2) zugeteilt.

Obwohl ausdrücklich verboten und straf-

bar, wurde Drouhot immer wieder von

Maria Leitner (Großmutter meiner am

8. Mai 2016 verstorbenen Gattin Christl)

am Mittagstisch verköstigt.

Drouhot kam später nahezu alljährlich

auf Sommerurlaub nach Osttirol und be-

suchte die Familie Leitner. Übel erinnerte er

sich an die Gestapo. Diese kontrollierte das

nachtsüber versperrte Lager, schikanierte,

beschimpfte und bedrohte die Gefangenen.

Ein Gestapo-Beamter hatte regelmäßig

einen scharfen Wolfshund bei sich.

Nach dem Krieg waren in diesem Lager

‚displaced persons‘ (Flüchtlinge) unterge-

bracht. Sehr gut kann ich mich an einen

älteren Herrn namens Nikolai erinnern.

Von dem hieß es, dass er Opernsänger in

Moskau gewesen sei. Jedenfalls ging Ni-

kolai, wenn er zu viel getrunken hatte, hin

und wieder russische Lieder singend über

den Gilmweg von der Stadt kommend zum

Lager. Dort wohnte einige Zeit auch Herr

Heinrich Drobesch mit seinen Angehöri-

gen. Dieser war durch viele Jahre Koh-

lenarbeiter bei der Firma Roßbacher.

Das Lager wurde um das Jahr 1954 ab-

gerissen.“

Dr. Lambert Grünauer besuchte in

Lienz das Gymnasium bis 1960, studierte

in Innsbruck Rechtswissenschaften, war

seit 1971 Richter in Lienz und ab 1995 bis

zu seiner Pensionierung Vorsteher des Be-

zirksgerichtes. Seit 1997 erscheinen seine

OSTTIROLER

NUMMER 9-10/2016

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HEIMATBLÄTTER

Vergleichsfoto zur vorherigen Aufnahme aus dem Jahr 1999 vom

selben Standort aus.

(Sammlung Dr. Lambert Grünauer)

Foto: Lambert Grünauer

Französische Gefangene mit Herrn Drouhot (l.) vor ihrer Baracke

im Jahr 1945; rechts der Bahndamm der Pustertalbahn.

(Sammlung Dr. Lambert Grünauer)

Unbekannter Fotograf

Lageplan der drei Holzbaracken im Drau-

park.

(Stadtgemeinde Lienz)