HISTORISCHES
PUSTERTALER VOLLTREFFER
FEBER/MÄRZ 2016
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eroberte Gebiet zu besetzen.
Bis Juli 1937 kehrte aber der
Großteil zurück.“
Wie viele Südtiroler starben?
Wurzer:
„Zwölf ließen im
Abessinienkrieg ihr Leben. Die
Todesursachen sind wiederum
gänzlich verschieden. Manche
wurden in Kampfhandlungen
tödlich verwundet, wieder an-
dere verstarben ohne Feindein-
wirkung durch Krankheiten.“
Die Südtiroler hatten ja
auch Kameras mit.
Wurzer:
„Ja. Sie knipsten
ihre Fotos u. a. mit der legen-
dären ‚Leica‘ oder auch mit der
‚Contax I‘, die 1933 auf den
Markt gekommen war. Wie
viele Südtiroler wohl über eine
Kamera verfügten, ist jetzt
noch schwer zu sagen. Viel-
leicht gelingt es im Zuge des
Forschungsprojekts eine Schät-
zung abzugeben. Fest steht al-
lerdings, dass in den 1930er-
Jahren Fotoapparate bereits
durchaus erschwinglich gewe-
sen waren und so weite Ver-
breitung erfuhren.“
Was zeigen diese „heimge-
brachten“ Fotos?
Wurzer:
„Die Bandbreite
der Bildmotive ist weit: Sie
reicht von Aufnahmen der
Überfahrt über Bilder des Sol-
datenalltags, der Landschaft,
Fauna und Flora bis hin zu
Lichtbildern von Einheimi-
schen, ihrer Kultur und ihren
Gebäuden. Natürlich fanden
auch Bilder den Weg in Alben,
die die Folgen von Kampf-
handlungen etc. ablichteten.“
Sie, Herr Wurzer, sammeln
diese Bilder für das For-
schungsprojekt. Wie viele haben
Sie bereits beisammen?
Wurzer:
„Bislang konnte
ich vier Fotosammlungen sich-
ten, die miteinander rund 1.300
Fotografien umfassen. Die Be-
sitzer der Sammlungen melde-
ten sich schon 2014 bei mir,
nachdem sie erfuhren, dass ich
zu Südtirolern im Abessinien-
krieg forsche. Wer die Fotogra-
fien gemacht hat, kann man
nicht immer nachvollziehen.
Oft wurde in der Familie über-
liefert, dass der Vater, Onkel
oder Großvater gerne fotogra-
fierte und dies auch in Abessi-
nien tat. In anderen Fällen ist
sogar die Kamera überliefert.
Es gibt auch Fälle von Südtiro-
lern, die keine Kamera besa-
ßen, sie kauften, tauschten
Fotos oder liehen sich Kameras
aus, um einen Film zu schie-
ßen.“
Wie viele Fotos könnten noch
in den Haushalten liegen?
Wurzer:
„Ich bin mir sicher,
dass noch eine große Anzahl
von Fotoalben und Fotosamm-
lungen in Südtiroler Dachbö-
den und Kellern liegen. Und
natürlich können heutzutage
entsprechende Sammlungen
auch ganz wo anders auftau-
chen, wenn es etwa zur Auflö-
sung von Haushalten kommt
oder auch aus historischen
Gründen, wenn eine Familie
1939/40 optierte, Südtirol ver-
ließ und nicht zurückkehrte.“
Seit 2001 interessieren Sie
sich für den Abessinienkrieg.
Wurzer:
„Richtig, damals
kam ich mit Brigitte Strauß
vom Volkskundemuseum Die-
tenheim in Kontakt. Sie suchte
damals einen Studierenden, der
über das Kriegstagebuch eines
Südtirolers aus dem Abessi-
nienkrieg eine Diplomarbeit
verfasst. Ich hatte das Glück,
zur richtigen Zeit am richtigen
Ort zu sein, um diese span-
nende Aufgabe zu überneh-
men!“
Ihre Arbeit wird nun auch
veröffentlicht?
Wurzer:
„Ja. Im Juni 2016
soll es soweit sein. Ein Verlag
zeigte Interesse an der Veröf-
fentlichung meiner Diplomar-
beit.“
Interview: Martina Holzer
Aufruf:
Markus Wurzer ruft Personen,
die Fotos vom Abessinienkrieg
besitzen, auf, sich bei ihm zu
melden. Unter Tel. 0043(0)
6505052942 oder per E-Mail
unter markus.wurzer@uni-
graz-at. Im Rahmen seines
Doktoratsstudium beschäftigt
er sich nun mit Südtiroler
Amateurfotografie aus dem
Abessinienkrieg. Genauer
gesagt damit, was und wie die
Südtiroler damals fotografier-
ten und welches individuelle
Bild des Krieges sie damit
konstruierten.
Der „friedliche“ Soldatenalltag.
Schiffsüberfahrt von Livorno nach Massaua in Eritrea.
Fotos: Sammlung Bruneck