Herr Wurzer, wie viele Süd-
tiroler genau mussten in die-
sen Krieg?
Wurzer:
„Soweit wir wissen,
wurden 1.118 junge Südtiroler
zum Kriegseinsatz an das Horn
von Afrika verschifft. Die meis-
ten von ihnen waren damals 24
Jahre jung. Aber es gab auch
22-Jährige. Die Wehrpflicht
machte vor keinem Berufsstand
halt. Wer ihr nicht folge leistete,
beging Fahnenflucht. Daher ist
wohl anzunehmen, dass man
Söhne von Landwirten genauso
einzog wie jene von Handwer-
kern, Arbeitern, Angestellten
oder Kaufleuten. Nach allem
was die Forschung bislang
ergab, nahmen die Südtiroler
den Krieg wohl als ,Naturkata-
strophe‘ wahr, die man ertragen
und überleben musste. Zwei-
felsohne waren aber auch viele
neugierig auf die Reise in die
Fremde des afrikanischen Kon-
tinents.“
Hatten die Einberufenen
damals eine Vorstellung von
Afrika?
Wurzer:
„Sie hatten auf
jeden Fall bestimmte Vorstel-
lungen wie Afrika aussieht und
was sie dort erwarten würde.
Diese Vorstellungen gewannen
sie aus Zeitungen, Bilder-
büchern oder aus Romanen. Sie
stellten sich Afrika vor allem
als heißen und dreckigen Ort
vor, der von exotischen Pflan-
zen, Tieren und Menschen be-
wohnt wird.“
Gab es dann auch Fahnen-
flucht?
Wurzer:
„Ja. Rund 200 Süd-
tiroler desertierten und flohen
meistens vor dem Kriegsdienst
über die Grenze nach Öster-
reich .“
Über 1.000 junge Süd-
tiroler mussten einst in
den Italienisch-Abessi-
nischen Krieg (1935 bis
1936) und somit auf
afrikanischem Boden
kämpfen. Der Asslinger
Markus Wurzer
beschäftigt sich schon
länger wissenschaftlich
mit diesem Krieg und
sammelt aktuell Foto-
grafien von damals.
„Denn die Südtiroler
nahmen nicht selten
Fotoapparate mit. Es
gibt viele Fotos aus
dieser Zeit“, erzählt der
Mitarbeiter am Institut
für Geschichte an der
Universität Graz. Wur-
zer im „PVT“-Interview.
Der inszenierte Kampf in Abessinien auf dem Gebiet der heutigen Staaten Äthiopien und Eritrea.
Fotos: Sammlung Bruneck
Ein abessinisches Dorf, 1935.
Foto: Privatsammlung Bruneck
HISTORISCHES
PUSTERTALER VOLLTREFFER
FEBER/MÄRZ 2016
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Im italienisch-abessinischen
Foto: Privat-
sammlung
Bruneck