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CHRONIK

PUSTERTALER VOLLTREFFER

JÄNNER/FEBER 2016

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lange zu Ende ist – nach sehr

viel Arbeit mit einem Therapeu-

ten, den wir beide konsultierten.

Wir hassen uns nicht mehr, son-

dern respektieren und lieben uns

jetzt.“ Renés Vater spielt auch

wieder eine Rolle. „Seit einigen

Jahren habe ich wieder Kontakt

zu ihm“, erzählt der 30-Jährige.

Rückblick

Den Vater (er ist um Jahre

älter als Theresa) gab es in den

ersten Jahren seines Lebens sehr

wohl. Theresa und er waren ver-

heiratet. Die Ehe war zwar nicht

besonders aufregend,

aber auch nicht be-

sonders schlecht.

Der

Vater

konnte eines

Tages einer

ande r en

wieder in Nordtirol stationär in

Behandlung.“ René blieb der-

weil bei Verwandten. „Bis zirka

zu seinem zehnten Lebensjahr

war er pflegeleicht und sehr lieb,

ein kleiner Sonnenschein. Dann

bemerkte ich, dass er zuneh-

mend störrisch und sehr frech

wurde.“ Als René zwölf war,

versuchte er die Mutter laufend

herumzukommandieren und

machte ihr viele Vorwürfe. „Ich

versuchte ihm in vielen Gesprä-

chen zu vermitteln, dass ich ihn

sehr liebe und nur das Beste für

ihn möchte. Dazu gehörten aber

auch unbequeme und unange-

nehme Entscheidungen, die ich

für ihn traf“, erzählt die 52-Jäh-

rige. Wie etwa immer wieder

mal die Abnahme des Compu-

ters, den der Bub von Verwand-

ten geschenkt bekommen hatte.

„Denn er hatte für nichts mehr

anderes Interesse als für seinen

Computer und die entsprechen-

den Spiele dazu. Er versteckte

sich nur mehr in seinem Zim-

mer.“

Betrunken nachhause

Die Abnahme des Computers

zeigte Wirkung, René traf sich

zunehmend mit Freunden. „Da-

durch wurde sein Verhalten

aber leider noch schlimmer.“

Mit 13 Jahren begann er zu rau-

chen und Alkohol zu trinken.

Am helllichten Tag kam er

immer wieder betrunken nach

Hause, nachdem er mit Freun-

den „Fußballspielen“ gehen

wollte. „Wir beide krachten zu-

nehmend aneinander. Doch

mein Schreien, Toben, Drohen

nützte überhaupt nichts. Er tat,

was er wollte. Er kam, wann er

wollte. Auch körperlich konnte

ich ihn nicht mehr zurückhalten,

denn er war mir damals schon

Drohungen mit

dem Messer

waren keine

Seltenheit.

Theresa und ihr Sohn fanden nach einem sehr langen bitteren Weg

zueinander.

Wenn man Theresa in ihrer

70 m² Wohnung besucht, ist

man sehr davon angetan, wie

frisch und fröhlich dort alles

wirkt. Man fühlt sich in ihrem

Heim sofort wohl. Die Farben,

die ihre Wände, Bilder, Couch-

garnituren und Dekorationen

tragen, heben die Stimmung.

„Ich lebe hier alleine, und mir

geht‘s ziemlich gut“, freut sich

die Pustertalerin. Mittlerweile

ist sie 52 Jahre alt und arbeitet

in führender Position in einem

weltweit agierenden Unterneh-

men. Man schätzt besonders ihr

Verantwortungsbewusstsein,

ihre Ideen, ihre Menschlichkeit.

Ab und zu sieht man sie auch in

der Innenstadt von Graz. Dort

geht die zierliche hübsche Frau

gerne mal auf einen Kaffee ins

„Schwalbenest“ und lässt ihren

Gedanken freien Lauf, um wie-

der neue Ideen für die Arbeit zu

„spinnen“ – falls sie dort alleine

sitzt. Die meiste Zeit trifft man

sie im „Schwalbennest“ oder in

einem anderen netten Café

aber mit ihrem Sohn René

(Name von der Redaktion ge-

ändert). Die beiden haben dann

viel Spaß miteinander. „Ja, wir

lachen sehr viel. Es gibt immer

etwas Lustiges zu erzählen.“

Respekt

Diskutiert werden auch

immer wieder ernste Themen.

Was auffällig ist: Die beiden

gehen im Gespräch sehr res-

pektvoll miteinander um. René

holt sich von seiner Mutter

gerne Ratschläge, was er im

Job noch besser machen

könnte. Ihr Rat ist dem 30-Jäh-

rigen wichtig und oft hilfreich.

Er ist im Marketing eines Kon-

zerns tätig. Theresa mag auch

seine Freundin sehr, die sie bald

zur Oma machen wird. „Die

beiden passen super zusam-

men“, freut sich Theresa, die

nicht erwarten kann, Oma zu

werden.

Als sie beim Interview die

Jacke auszieht, starrt man un-

willkürlich auf die große Narbe

auf ihrem Oberarm. Woher hat

sie diese, fragt man sich un-

weigerlich. „Sie ist meine Ver-

gangenheit, die abgeschlossen

ist“, erklärt sie auf „Anfrage“.

Beim Interview mit ihr sitzt

auch ihr Sohn daneben. „Das

war ich“, erzählt er. „Ich bereue

es zutiefst. Es war aber nicht

absichtlich.“

„Ja, die Narbe erinnert uns

heute beide an den Höhepunkt

einer katastrophalen Mutter-

Sohn-Beziehung. Wir sind un-

endlich dankbar, dass sie schon

Panik vorm eigenen Kind

Theresa H. (Name von

der Redaktion geändert),

aufgewachsen in der

Nähe von Sillian, hat

einen Sohn. Das Ver-

hältnis zu ihm war

lange Zeit katastrophal.

Theresa hatte zeitweise

sogar panische Angst

vor ihrem eigenen Kind.

Mittlerweile fanden die

beiden zueinander und

leben in Graz – aller-

dings in getrennten

Wohnungen.

jungen Frau nicht widerstehen,

die in seinem Unternehmen ar-

beitete. Er verließ Theresa und

den Jungen von einem Tag auf

den anderen. „Es war eine

Katastrophe. Mit der Zeit brach

auch sein Kontakt zu René ab“,

erinnert sie sich. Der Ex-Mann

heiratete erneut, die Ehe hielt

aber nur zwei Jahre.

„Anfangs ging es nur

mit Tabletten“

Währenddessen hatte Theresa

alle Mühe sich seelisch zu stabi-

lisieren und ihre berufliche Lauf-

bahn weiterzuverfolgen. „Die

erste Zeit überlebte ich nur mit

Tabletten und war auch immer