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Seite 23

12/2018

Rudolf Schlichenmaier

wurde am 9. März 1927

in Hoffnungsthal bei

Odessa in der Ukraine

als fünftes von sechs

Kindern geboren.

Rudolf musste früh zum

Lebensunterhalt

der

Familie beitragen und

schon in sehr jungen

Jahren „seinen Mann

stellen“.

Als er zehn Jahre alt war

wurde sein Vater verhaf-

tet und hingerichtet.

Warum, hat er nie erfah-

ren. Die Mutter musste sich im Jahr darauf einer Operation am

Kopf unterziehen, die sie aber nicht überlebte. Damit war er

Vollwaise. Seine beiden Großmütter waren in dieser Not seine

größten Stützen.

Bald darauf erreichte der Zweite Weltkrieg mit dem Ein-

marsch der Deutschen Wehrmacht auch seine Heimat. Die

Änderung der Kriegslage zu Lasten der Deutschen führte Mit-

te März 1944 zum Aufbruch seiner Familie in die Ursprungs-

heimat Schwaben. Rudolfs Vorfahren waren Anfang des 19.

Jahrhunderts von dort in die Ukraine ausgewandert. Drei

Monate war er nun unterwegs bis sie im Juni in Polen anka-

men.

Im Dezember des gleichen Jahres wurde er zum Deutschen

Reichsarbeitsdienst eingezogen. Durch die Großoffensive der

Russischen Armee führte sein Weg, großteils zu Fuß, über

Frankfurt an der Oder, Dresden (zwei Tage nach dem verhee-

renden Bombenangriff der Aliierten dort mit 30.000 bis

40.000 Toten), Berlin und München über Salzburg, Spittal,

Villach, Tarvis bis unterhalb von Udine. Bei Kriegsende am 8.

Mai 1945 befand er sich in der Nähe von Hermagor. Der

Befehl lautete, geschlossen und bewaffnet bis Greifenburg

weiter zu fahren.

Nachdem er dort eine Nacht bei einem Bauer im Stadel ver-

brachte, machte er sich mit zwei Kollegen auf den Weg nach

Lienz. Da seine beiden Begleiter Fahrräder besaßen, packte er

seine Habseligkeiten auf ihre Fahrräder und marschierte hinter

ihnen los. Rudolf hielt unterwegs einen vorbeikommenden

Klein-Lkw an und durfte mitfahren. Mit seinen Kollegen woll-

te er sich in Lienz treffen, wo sie allerdings nie ankamen. So

stand er nun in Lienz, auf sich allein gestellt und nur mit dem

was er am Leibe trug. Während er vergebens auf seine Kolle-

gen wartete, kamen die Kosaken und mit ihnen ging er dann

nach Amlach, wo er ein paar Wochen verbrachte.

Nachdem ihm der Bürgermeister von Tristach (Amlach gehör-

te damals zur Gemeinde Tristach) am 25. Juni 1945 die Wohn-

sitzbescheinigung ausgestellt hatte, arbeitete er eine Zeit lang

beim Auer in Amlach. Dann kam er zum Mitterer (Fam. Franz

Mair) in Kolbenhaus, wo er ein Jahr blieb. In der Zeit sah er

auch Hedwig, seine spätere Frau, zum ersten Mal. Anschlie-

ßend war er beim Nachbar Johann Stocker fast sechs Jahre als

Knecht angestellt.

Weitere Arbeitsstellen waren als Holzfäller beim Haslacher in

Kötschach, bei der Agrargemeinschaft Schrottendorf/Bann-

berg als Vermessungsgehilfe, beim Gurter in Bannberg als

Landwirtschaftsarbeiter und bei der Fa. Frey in Lienz als Bau-

arbeiter. Ab dem Frühjahr 1958 bis zu seiner Pensionierung

1984 arbeitete Rudolf in der „Marmeladenfabrik“ der Brüder

Unterweger.

Nach der Hochzeit am 11. Juni 1957 in Lienz St. Andrä über-

siedelte er mit seiner Gattin von Kolbenhaus nach Thal ins

Stocker-Haus. Nach und nach stellten sich die Kinder Gott-

lieb, Hans, Karl und Maria ein. Gemeinsam mit Johann Stok-

ker (einem Ziehbruder seiner Frau) wurde in Schrottendorf in

Eigenregie mit der eigenen Hände Arbeit ein Zweifamilien-

haus errichtet, wo die inzwischen sechsköpfige Familie am 4.

Dezember 1965 einzog.

Nachdem seine Geschwister nach dem Krieg wieder nach

Russland rückgeführt wurden, machte er sich auf Verwandten-

suche. Er konnte die Adressen eines Kindheitsfreundes aus

Hoffnungstal und einer Cousine ausfindig machen, diese

haben Rudolfs Adresse an seine Geschwister weitergeleitet,

und so hat sich seine Schwester Emma 1956 bei ihm gemeldet.

Schwester Emma hat in ihren Briefen geschildert, wer alles bei

ihr in Russland sei, dass Bruder Gottlieb im Krieg gefallen ist

und auch seine Schwester Frieda war inzwischen verstorben.

In den 1980er-Jahren durften seine Geschwister mit ihren

Familien nach Deutschland auswandern und es gab ein ersehn-

tes Wiedersehen.

Rudolf war ein geselliger Mensch und liebte auch das Vereins-

leben. Er war Mitglied bei den Schützen und jahrzehntelang

aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Thal. Besonders

wichtig war ihm neben seiner Familie, die sich um sieben

Enkelkinder vergrößerte, auch immer das Kartenspielen,

besonders die Montagsrunde im Jugendheim.

Es war Rudolf vergönnt im Kreise seiner Familie sowohl die

Goldene als auch die Diamantene Hochzeit mit seiner Frau

Hedwig zu feiern. Mit zunehmendem Alter verschlechterte

sich sein Gesundheitszustand, und so schloss er am 27. Sep-

tember friedlich zuhause für immer seine Augen.

Gedenken an Rudolf Schlichenmeier

ACHSE-nächste Ausgabe

Redaktionsschluss:

Do., 21.02.2019

Erscheinungsdatum:

Do., 28.02.2019

Beiträge können jederzeit an die

Schriftleitung unter

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gemailt werden.

Impressum:

Die ACHSE ist das Informationsblatt der Gemeinde Assling

Herausgeber und Verleger: Gemeinde Assling

Verlagsort: Unterassling 28, A-9911 Assling,

Druck: Druckerei A. Weger; Brixen/Südtirol

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