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Rund ums Dorf

Seite 47

Mai 2018

Neues vom Chronistenteam

Eine sehr wichtige Einnahmequelle in früheren Zeiten

waren wohl der Anbau und schließlich die Verarbeitung

des Flachses (Hoor). Bei uns in Obertilliach wurde seit den

1970-iger Jahren kein oder nur mehr vereinzelt Flachs

(Hoor) angebaut und verarbeitet. Ein beiliegendes Foto

zeigt im Bild oben links den ausgebreiteten Flachs vom

vlg. Anderer Peter Paul in Rodarm Nr. 5, aus dem Jahre

1976.

In Gesprächen mit Frau Anna Bucher, vlg. Nafler Nanne

wurde mir vermittelt, wie diese bäuerlichen Tätigkeiten

verrichtet wurden. Ebenso hat Schneider Andreas, vlg.

Leiter Ander aus Rodarm, vor Jahrzehnten Aufzeichnun-

gen über diese bäuerliche Arbeiten gemacht:

Im Frühjahr wurde der Leinsamen, wie auch andere Ge-

treidesorten, angebaut. Diese Arbeit durfte nicht vor

dem 6. Mai verrichtet werden. Im Sommer über hatte

das weibliche Personal im Hause die Aufgabe, beim ange-

bauten Flachs das Unkraut zu jäten und so zum Gelingen

einer guten Ernte beizutragen. Die Felder westwärts vom

sog. Gatterweg waren angeblich nicht so geeignet, wie

das übrige „Tillga Fald“.

Auch die Ernte im Herbst wurde fast ausnahmslos von

den Frauen bewerkstelligt. Der Flachs wurde samt Wur-

zeln einfach aus der Erde herausgezogen und musste zum

Trocknen auf einem abgemähten Feld ziemlich dünn aus-

gebreitet werden. Wenn man den Platz zum Ausbreiten

des Flachses noch nicht hatte, weil das „Gruimat“ noch

nicht gemäht war, hängte man den Flachs als Zwischen-

lösung vorerst auf „Roggl“. Das anschließende Ausbreiten

auf dem Feld zum Trocknen oder „dörren“ war immer

notwendig. (Der Schreiber kann sich noch daran erinnern,

dass dafür besonders Hänge in Schräglage, wie die Kir-

chenpeinte im Dorf, die Darmleite in Rodarm, Hänge in

Leiten und in der Äußerst, usw. geeignet waren).

Nachdem der Flachs von der Sonne gut getrocknet wor-

den war, wurden Flachsbündel gemacht, die man zu den

örtlich zugeteilten Brechellöchern brachte. Eines muss

noch erwähnt werden: aus Sparsamkeitsgründen ha-

ben manche nach dem Trocknen die Pollen vom Flachs

getrennt. Dazu gab es zwei Möglichkeiten – man zog die

Pollen durch ein Geräte, das einer „Riffl“ ähnlich war oder

klopfte mit einem „Holzpengel“ die Pollen ab. In den Pol-

Flachsanbau in Obertilliach

auf Tillgarisch „Hoor“ genannt

von Michl Annewanter - 2018

len war der Leinsamen, den man mit Getreide aufkochte

und den Kühen 8 bis 14 Tage vor den Kalben zum Fressen

gab.

Weiter zu den Brechellöchern:

Für das Oberdorf lag das Brechelloch am Erschbaum,

für das Unterdorf am Hebtal, das ist am Prozessionsweg

beim 3. Evangelium. Auch die Außenweiler Obertilliachs,

Rodarm, Rals, Huben und Leiten hatten ein oder meh-

rere Brechellöcher in ihrem Bereich. Ein Brechelloch hat

eine Tiefe von ca. 1½ bis 2 m, war zwischen 1½ und 2 m

breit und mit einem Eisengitter versehen, an das dann der

Flachs zum „Dörrn“ (Braten) aufgelegt werden konnte.

Eine männliche Person der jeweiligen Familie hatte die

Aufgabe, am Brecheltag im Brechelloch Feuer anzuzün-

den und die Frauen bei schwereren Arbeiten zu unterstüt-

zen. Für das Brecheln wurden am Vortag Helferinnen „ge-

wonnen“. Das war aber keine Schwierigkeit, denn beim

Brecheln gab es immer gutes Essen. Um etwa 08:00 Uhr

am Morgen waren die Frauen bereit, die Brechelarbeit zu

beginnen. Brecheln wurden bereitgestellt, einige Helfe-

rinnen hatte ihre eigene Brechel selbst mitgebracht.

Für das Dörren musste die Hitze ziemlich konstant gehal-

ten werden. Deshalb wurde während der Arbeit immer

wieder Holz nachgelegt. Die wichtigste Person am Bre-

cheltag war die „Dörrerin“. Sie legte den Flachs auf den

Rost, passte auf, dass nichts verbrannte und gab das fertig

geröstete Lachsbüschel-„Reischtl“ genannt- weiter. Zuerst

erhielt das „Reischtl“ die „Krekerin“, die mit der weiteren

Brechel das Grobe vom Flachs, „Ågl“ genannt, trennte.

Danach gab die Krekerin den Flachs an die „Glänzerin“

weiter, die mit der engeren Brechel den Flachs von noch

vorhandenen „Ågl“ –Resten befreite. Frauen, die diese Ar-

beit schon öfter gemacht hatten, waren oft Meisterinnen

ihres Faches und somit begehrte Arbeitskräfte.

Besonders lustig war für die arbeitenden Frauen das so-

genannte „Kragln“ beim Brecheln. Wenn ein Mann zufällig

in die Nähe der Brechlerinnen kam, wurde er mit einem

„Reischtl“ Flachs um den Hals „gekraglt“ und musste sich

mit Geld oder Naturalien freikaufen. Oft wurde er danach

ins Haus der Flachsbäuerin eingeladen, wo ausgiebig ge-

feiert wurde.