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Dorfleben – Menschen

Virger

Zeitung

intensiver religiöser und wissen-

schaftlicher Auseinandersetzung.

Vor allem hat mich die Evolutions-

lehre (damals sagte man noch hart-

näckig „Evolutionstheorie“) beson-

ders beschäftigt. Daraus ergaben

sich viele Fragen, die mit her-

kömmlicher Theologie nicht be-

antwortet werden konnten. Die

Schriften des französischen Jesui-

ten Teilhard de Chardin, der eine

neue Sicht zu Theologie und Evo-

lution vertrat, beeinflussten zuneh-

mend mein Denken und vertieften

die Entfremdung zur traditionel-

len Theologie. Dazu kam immer

stärker der Gedanke, dass ich ei-

gentlich unter falschen Vorausset-

zungen zur Theologie gekommen

war und doch Medizin hätte stu-

dieren sollen. An der Medizin fand

ich vor allem die soziale Bedeutung

überzeugend. 1960 konnte ich mit

Erfolg das Studium in London ab-

schließen, in der naiven Meinung,

es würde sich alles von selbst klä-

ren. Ein Irrtum. Ein großes Pro-

blem war, dass ich keine Matura

gemacht hatte und daher gar nicht

Medizin studieren konnte.

Ein paar Jahre war ich dann Erzie-

her (Studienpräfekt, wie man da-

mals sagte) in einem ordenseige-

nen Schülerheim in Absam. Der

Gedanke, die Matura nachzu-

holen, beschäftigte mich intensiv,

spät aber doch. Dafür blieb als ein-

zige Möglichkeit nur die Externis-

tenreifeprüfung, die ich nach Mo-

naten des Quälens und zeitintensi-

hans mit seinen bergrettungskameraden und ortsstellenleiter armin saxl.

das frisch verheirate Paar im Jahr

1977 auf der großen Zinne.

ven Lernens 1966 in Innsbruck be-

standen habe. Meine damaligen

Oberen boten mir daraufhin noch

die Möglichkeit an der Universität

Münster/Westfalen Philosophie

und Völkerkunde zu studieren.

Nach einigen Semestern war mir

jedoch klar, dass ich mich endgül-

tig von Theologie und Orden tren-

nen sollte. Meine Entscheidung

für die Medizin war auch durch die

Tatsache motiviert, dass meine

älteste Schwester den „Missions-

ärztlichen Schwestern“ der Außer-

ferner Ärztin Dr. Anna Dengl bei-

getreten war und zu der Zeit an

einem Krankenhaus in Atat

(Äthiopien) gearbeitet hat. Das

große Problem war nun aber, dass

ich völlig mittellos war. Zum Glück

war ich noch an keiner österrei-

chischen Universität inskribiert ge-

wesen, konnte also die staatliche

Studienförderung in Anspruch

nehmen. Zudem erhielt ich we-

sentliche Unterstützung durch

meine Schwester, die damals in

Lienz Lehrerin war.

Im wahrsten Sinne des Wortes lief

mir die Zeit davon. Ich war immer-

hin schon 33 Jahre alt, als ich 1969

mit dem Medizinstudium in Graz

begann. Da musste ich mich täglich

ganz schön „ranhalten“. Der erfolg-

reiche Abschluss des Studiums er-

folgte dann 1975 in Innsbruck. Für

eine kleine, damals übliche finan-

zielle Unterstützung durch das

Krankenhaus Lienz hatte ich mich

verpflichtet, meine ärztlich prakti-

sche Lehrzeit dort zu verbringen.

Es war ein glücklicher Zufall, dass

dort zu der Zeit eine junge Assis-

tenzärztin, in Ausbildung zur Inter-

nistin, Dr. Gerlinde Heider, gear-

beitet hat. Wir haben uns gut ver-

standen und fanden zueinander.

1977 haben wir geheiratet.

gerlinde:

Ich wurde am 31. Mai 1943 im

Hultschiner Ländchen grenznah

zum damals deutschen Schlesien

geboren. Heute ist es ein Teil von