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März 2017

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Um die Lebensgeschichte von Maria Filippi zu verstehen,

ist ein kurzer Rückblick in die Geschichte erforderlich: Das Ge-

biet, in dem sie geboren wurde, heißt Banat und liegt am östli-

chen Ende der Donautiefebene. Bis zum Ende des 1. Weltkrie-

ges 1918 gehörte es zur Donaumonarchie, Österreich/Ungarn.

Ursprünglich war es ein dünnbesiedeltes Land, haupt-

sächlich Sumpfgebiet. Nachdem die Türken 1716 durch

Prinz Eugen v. Savoyen vertrieben wurden, entschloss man

sich, während der Regierungszeit Karl des IV. und Maria The-

resias, das Gebiet deutschsprachig zu besiedeln. Die Siedler

kamen hauptsächlich aus dem Südwesten Deutschlands, zu

einem kleinen Teil auch aus Kärnten, Tirol und der Steiermark.

Sie werden im allgemeinen „Banater Schwaben“, oder „Do-

nauschwaben“ genannt, denn die Kolonisierung wurde über

die Donau abgewickelt. Am Zielort bauten sie Kanäle und

legten Sümpfe trocken. Aus Sumpfgebiet entstand fruchtbares

Ackerland. Die überwiegend bäuerlich geprägte Bevölkerung

kam nach und nach zu einem bescheidenen Wohlstand. 1918,

mit dem Ende des 1. Weltkrieges wurde das Banat aufgeteilt,

zwischen dem nun selbständig gewordenen Ungarn, Serbien

und Rumänien.

Im rumänischen Teil des Banats begann die Lebensge-

schichte von Maria Filippi: Sie wurde am 18. Oktober 1919

in Kleinbetschkerek, als erstes Kind der Eheleute Franz und

Elisabeth Martin geboren, die dort im Besitz eines Bauern-

hofes waren. Vier Jahre später bekam sie noch einen Bruder,

der auf den Namen Franz getauft wurde. Sie wuchs in ihrem

Heimatdorf auf, ging dort zur Schule, die immer noch deutsch-

sprachig war, denn die Bevölkerungsstruktur hatte sich durch

die politische Veränderung (Zugehörigkeit zu Rumänien) nicht

wesentlich geändert - zumindest nicht am Land. Nach der

Schule arbeitete sie auf dem elterlichen Bauernhof.

Bald lernte sie ihren Ehemann Michael Filippi kennen, den

sie 1936 heiratete. Im Februar 1937 mit knapp 18 Jahren

bekam sie ihr erstes Kind: Maria und, vier Jahre später, den

Sohn Michael.

Dass inzwischen der zweite Weltkrieg ausgebrochen war,

machte sich in ihrem Heimatgebiet zunächst nur dadurch be-

merkbar, dass deutsche Truppen eingezogen und durchgezo-

gen waren. Rumänien hatte mit Hitler gegen Stalin paktiert.

Doch schon bald mussten die jüngeren Jahrgänge zur Front

- so auch ihr Bruder Franz. Nachdem sich die Lage an der

Front für die deutschen Truppen zum Schlechteren gewendet

hatte, mussten - wie überall - auch die älteren Jahrgänge zur

Front. Ihr Ehemann wurde 1943 zur Wehrmacht eingezogen.

Das Leben am Bauernhof wurde härter. Die Felder wurden zu-

sammen mit den Großeltern bewirtschaftet. 1943 wechselte

Rumänien die Seiten und kämpfte nun mit Russland gegen

Deutschland. Mit dem Heranrücken der Front und dem Rück-

zug der Deutschen Armee, verbreitete sich auch die Angst vor

den Russen. Etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung ergriff

die Flucht. Auch für die junge Maria Filippi stellte sich die

Frage: mit den zwei Kindern in eine ungewisse Zukunft gehen,

oder bleiben - trotz der Horrormeldungen. Ihr Vater, das Famili-

enoberhaupt, entschied sich

zu bleiben. Er selbst, war im

1. Weltkrieg Kriegsgefange-

ner in Russland und hatte

dort mit den Russen nur

gute Erfahrungen gemacht.

Nach dem Einmarsch

der Sowjetarmee kamen in

deren Windschatten auch

die Kommunisten und zahl-

reiche Kolonisten aus dem Stammland Rumäniens. Sie zogen

in die verlassenen Häuser der Geflüchteten. Getreidevorräte

und Vieh wurden requiriert. Felder wurden, bis auf einen klei-

nen Rest enteignet. Die Kollektivierung der Landwirtschaft

wurde vorangetrieben. Plötzlich war man im eigenen Dorf

zur Minderheit geworden und allerlei Repressalien ausgesetzt.

Doch es kam noch schlimmer: Für alle deutschen Männer zwi-

schen 15 und 45 sowie Frauen zwischen 17 und 33 folgte

die Deportation nach Russland und Zwangsarbeit. In Güter-

wagen und auf Stroh gebettet, begannen im Januar 1945 die

Transporte. Zum Glück hatte Maria Filippi Eltern, die sich um

die Kinder kümmern konnten und sie hatte weiter das Glück,

das sie nach 5 Jahren Zwangsarbeit in russischer Kohlengrube

wieder zu ihren Kindern zurückkehren konnte. Etwa 15 % der

ehemals gesunden Männer und Frauen überlebten diese Stra-

pazen nicht. Als Maria zurückkam, waren die Kinder bereits

10 und 14 Jahre alt. Von ihrem Ehemann blieb sie jedoch

weiterhin getrennt. Nach der Kapitulation des Deutschen Rei-

ches und Auflösung der Wehrmacht hatte es ihren Ehemann

nach Österreich bzw. nach Lienz verschlagen. Zwischen ihnen

lag der Eiserne Vorhang. Als Kontaktmöglichkeit blieb nur der

Briefwechsel. Man war sich einig, dass in der alten Heimat

keine gemeinsame Zukunft bestand, und dass diese im Wahl-

heimatort des Ehemannes, in Osttirol, lag. So stellte die Fami-

lie Antrag auf Ausreisegenehmigung zum Vater und Ehemann.

Dieser Akt der Familienzusammenführung wurde vom Roten

Kreuz unterstützt. Nach zahlreichen Briefen an die Regierung

und das Rote Kreuz in Genf, konnte die Familie erst 1958

nach Lienz ausreisen.

In Lienz bezogen sie eine Wohnung in der neu errichteten

Friedensiedlung. Zunächst versorgte Maria Filippi den Haus-

halt, später nahm sie eine Stelle bei der Post an.

Das Glück durfte jedoch nicht zu lange bleiben: Die Toch-

ter wurde von verschiedenen Krankheiten heimgesucht. Den

Sohn zog es in eine größere Stadt. 1977 kaufte die Familie

das Haus in Tristach wo Maria Filippi mit Ehemann und Toch-

ter einzog. 1990 verstarb ihr Ehemann nach kurzer Krankheit.

Fortan lebte sie zusammen mit ihrer Tochter, die aufs Neue

in zunehmendem Maße von schweren körperlichen und see-

lischen Leiden heimgesucht wurde. Die letzten Jahre war sie

bestrebt, ihrer Tochter Hilfestellung und Stütze zu geben. Mit

zunehmendem Alter konnte ihr dies aber nicht mehr gelingen.

2010, mit fast 91 Jahren, zog sie sodann ins Altenwohnheim

in Lienz, wo sie am 29. Jänner 2017 verstarb.

Maria Filippi,

geb. Martin

† 29.01.2017