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09/2016
Während die Angehörigen der Familie Köhler nach einer durch
Sprengelarzt Dr. Engl vorgenommenen Totenbeschau am
Friedhof in Mittewald beigesetzt wurden, geschah dies für die
Angehörigen der Familie Senfter am Friedhof zu St. Justina.
(über die Beisetzung der Katastrophentoten wird an anderer
Stelle ausführlicher berichtet)
Noch am gleichen Nachmittag dieses 18. August, um etwa 14:20
Uhr, brach in der Almregion nördlich von Bannberg wegen völ-
liger Unterwaschung abermals eine Hangfläche größeren Aus-
maßes, welche – ganz Waldschneisen mitreißend – noch im
Bannberger Gebiet in den Gleierbachgraben geführt, als wilde
Mure talwärts arbeitete. Mit welcher Geschwindigkeit dies
geschah, dürfte ungefähr davon abzuleiten sein, dass zwei Mäd-
chen, und zwar Martha Stocker aus Schrottendorf Nr. 19 und
deren Freundin Gertraud Schneider aus Egg – Vorarlberg, als
sie auf dem Weg von der „Ploner – Säge“ in Richtung zum
Bahnhof Thal unterwegs waren, infolge des Luftdruckes regel-
recht etwa 150 Meter durch die Luft gewirbelt und dann ver-
hältnismäßig leicht verletzt auf einer Wiese abgesetzt wurden.
Beide Leichtverletzten fanden an darauffolgenden Tage im
Krankenhaus in Lienz Aufnahme.
Zu den enormen Schadenseinwirkungen entlang des gesamten
Abrutschgebiets von den Bannberger Almen bis in das Einfluss-
gebiet der Drau kamen noch die Verschüttung der Bahnanlage
zwischen den Bahnkilometern 277‘280 – 277‘370 bei gleichzei-
tigem Wegschwemmen der Eisenbahnbrücke und die Vermu-
rungen an der darunterliegenden Bundesstraße in einer Länge
von etwa 150 Metern.
Hangrutschungen und Ausschwemmungen waren während der
Katastrophentage auch noch entlang des Willfernerbaches ab
der Einmündung in die Drau bis zu den hintersten Siedlern,
beim sogenannten „Gratz – Häusl“ nordwestlich der Thaler
Brücke, entlang des Kristeinbaches bis in das Siedlungsgebiet
von St. Justina und Burg – Vergein, sowie an einzelnen Stellen
von Schrottendorf bis Bannberg zu erleben. Von der enormen
Schadenssumme am Privat- und Allgemeingut ganz abgesehen,
waren im Gebiet der Gemeinde Assling anlässlich der diesjähri-
gen Katastrophe insgesamt 8 Tote, 1 Vermisster, 1 Schwerver-
letzter, 2 Leichtverletzte und diverse geringfügige Verletzte zu
beklagen; 1 Wohnhaus und 1 Kleintierstall wurde von den Flu-
ten fortgeschwemmt, 7 Wohnhäuser wurden beschädigt und 5
weitere wurden entsiedlungsgefährdet. Mit Stichtag zum 21.
August schließlich wurden aus insgesamt 10 Häusern 72 Perso-
nen, darunter 9 Sommergäste evakuiert, denen in den folgenden
Tagen noch weitere 3 Familien folgten.
Die Totenfeier für die Hochwasseropfer:
Nachdem acht von den neun Vermissten in der Mure von St.
Justina tot geborgen und beigesetzt werden konnten – Frau
Senfter und ihre beiden Töchter Cäcilia und Christine in St.
Justina und die fünf Mitglieder der Berliner Familie Köhler in
Mittewald, der jüngste Sohn konnte nicht gefunden werden –
fand am Samstag, 27. August, in der Pfarrkirche von St. Justina
und auf dem dortigen Friedhof die Trauerfeier für alle neun
Toten statt. In Anwesenheit von Bezirkshauptmann ORR Dr.
Doblander und Bürgermeister Libiseller wurde vorher am
Friedhof in Mittewald am Grab der Familie Köhler ein Kranz
niedergelegt und der Toten in Ehren gedacht.
Um 09:00 Uhr zelebrierte Seelsorger Anton Prantl im Kirchlein
von St. Justina ein feierliches Requiem mit Libera; bei der
anschließenden Totenfeier sprachen Dr. Doblander und Bür-
germeister Libiseller tröstende Worte. Die Totenfeier wurde
musikalisch von den vereinigten Chören Assling und St. Justina
und von einem Bläserquartett unter der Leitung von Schulleiter
Max Mitterer würdig gestaltet.
Pfarrer Prantl hatte während des Gottesdienstes, wobei Mitte-
rers Requiem gesungen wurde, an die zahlreich erschienene
Trauergemeinde Worte des Trostes und der Mahnung gespro-
chen. Als sicherste Wegweiser durch dieses Erdenleben hin zu
Gott nannte er die Liebe zum Nächsten und die jederzeitige
Bereitschaft, mit gutem Gewissen vor Gott hintreten zu können.
Nach dem Requiem versammelten sich die Teilnehmer, unter
ihnen auch Vertreter der Gemeinde, Gendarmerie, der Feuer-
wehr und der Schule, auf dem Gottesacker, während das Blä-
serquartett die ergreifende Weise des „Näher mein Gott, zu dir“
spielte. Das Magnifikat und ein Grablied des Chores leiteten
über zur Trauerrede des Bürgermeisters Libiseller.
Nach dem Hinweis, dass die heurige Hochwasserkatastrophe in
der Gemeinde 9 Menschenleben gefordert hat, sprach er die
Mahnung aus, dass Leben nur eine Erinnerung an einen vorbei-
gezogenen Tag sei, den man als Gast zubringen durfte. Die
Familie Köhler sei aus der Großstadt gekommen, um Ruhe und
Erholung bei uns zu finden. Ein tragisches Unglück jedoch
wollte es anders, und die gesamte Familie musste hier in den
Bergen Abschied nehmen von dieser Welt. Sie und die Familie
Senfter haben heimgefunden ins Vaterland über den Sternen,
wo es kein Erdenleiden mehr gibt.
Bezirkshauptmann Dr. Doblander betonte, dass nun zum zwei-
ten Male großes Leid über unser Land hereingebrochen ist. Er
sprach im Namen des Landes wie auch des Bezirkes seine
Anteilnahme aus und dankte allen Rettern, Helfern und Mann-
schaften für den unentwegten Einsatz in den Katastrophentagen
und bei der Bergung und Beisetzung der Toten. Im Anschluss
legte er am Grabe der Frau Senfter einen Kranz nieder.
Während dann das Bläserquartett einen Trauerchoral spielte,
legten Kinder der Volksschule Burg – Vergein am Grabe ihrer
beiden Mitschülerinnen Blumensträuße nieder, gedenkend auch
der vier Berliner Buben, die alle noch die Schulbank drückten.
Die Kinder vertraten hier auch die Klassenkollegen aus Berlin.
Nach persönlicher Verabschiedung am Grabe wurde in der Kir-
che ein feierliches Libera gehalten. Dieses Befreiungs- und
Sterbegebet bildete den Abschluss der Trauerfeier.
Text: Originalbericht von Gottfried Trost in der Gemeindechronik
Bilder: Tirol Archiv Photographie, Sammlung Gabriel Ortner
Fortsetzung: Hochwasserkatastrophe 1966
Thal: Blick auf die Hochwasserschäden im Bereich Wilfernerhof