Eines schönen Tages beschloss dieses namenlose Blümchen
sich von den anderen Blumen zu trennen. Da rannte und rann-
te es, wie nur seine winzigen Beinchen es trugen. Es schaute
nicht ein einziges Mal zurück.
Und auf einmal stand es an einem Straßenrand und traute sich
sie nicht zu überqueren. Denn es wäre sicher langsamer, als
die Autos vorbei rasen.
Es hatte Angst zerquetscht zu werden. Nun kam der Abend
und es fuhren nur noch wenige Autos.
So hatte das blaue Blümchen Mut auf die andere Straßenseite
zu laufen.
Oh je – was war denn mit den kleinen Beinchen los? Sie ließen
sich keinen Millimeter aufheben. Es dachte, es sei gelähmt.
Aber nein es war nicht so. Es hatte vor lauter lange Stehen
Wurzeln bekommen. Es vermehrte sich reihenweise. Seitdem
kann man am Straßen- und Wegesrand diese Blümchen den
ganzen Sommer betrachten.
Nun wusste diese seltsame Blume, wie sie sich nennen soll.
Ganz einfach, WEGWARTE!
Seite 35
09/2016
Fortsetzung: Texte der Leser
Thal-Assling: Die Wege in der Heimat
(verfasst von Gerda Kurz)
Es war wieder so weit: Eine Woche, vom 14. Juli bis 21. Juli
Urlaub bei unserer Mame in Thal. Der Rauchkofel, die Lienzer
Dolomiten, der Katzenkopf und der Feuerambichl, sie sind
Heimat für mich.
Den Weg vom „Luggauer-Brüggele“ über den Kofel in die
Luggaue, diesen Wallfahrtsweg möchte ich einmal gehen, mit
meinem Mann, mit Elfriede und Hans.
Der erste Weg, wenn ich vom Bus aussteige, der von Inns-
bruck kommt, ist der zur Mame, die allein im alten Bauern-
haus wohnt. Die Rosen vor dem Haus, der Garten voller
Mohn, die Rosenhecke, die alle Jahre blüht, auf dem Balkon
rosarote und dunkelrote Hängegeranien, die man von der Stra-
ße aus sieht.
Das Haus, unten weiß und oberhalb fast schwarzes Holz, ein-
gebettet vom Feld und dem Wald. Wenn wieder einmal ein
Auto stehen bleibt und das Haus von der Straße aus fotogra-
fiert, dann ist sie so stolz, dass sie in diesem Haus wohnen
kann. Ich begrüße sie – sie freut sich so.
Der zweite Weg ist der zu meiner Schwester Maria, die in
Lienz wohnt. Sie holte mich am Abend mit dem Auto ab und
wir schlenderten durch die Stadt, es war zufällig die lange Ein-
kaufsnacht. Bei der „Tyrolia“ kommen wir beide nicht vorbei.
In diesem Geschäft gibt es immer etwas, das wir unbedingt
haben müssen.
Den Weg zu Auer Kirchl, die Josefskapelle, in die ich so gern
gehe, um eine Kerze anzuzünden, der Weg führt weiter ins
Geschäft. Dort treffe ich manche Leute, die ich kenne, die fra-
gen, wie’s mir geht, mit denen ich ein bisschen rede und die
mir Grüße für die Mame mitgeben. Der Weg über die Straße
zum Gasthof Aue, an ein schattiges Plätzchen um einen Kaffee
zu trinken. Hannes, der Wirt, kam vorbei und wir wechselten
ein paar Worte.
Der Weg nach Walder, zu Rosl und Karl, den Kindern Grüß
Gott zu sagen. Der Weg zu meiner Freundin Elfriede, wir gin-
gen zusammen Schule, der muss einfach sein, um alles zu
besprechen, was das Jahr über war.
Der Weg zu Doris und ihrem Märchengarten, das kleine Haus
aus Holz, steht mitten drin. Wir fuhren ins Kristeinertal, zur
Mühle, das ist Christophs Reich. Das kann ich nicht beschrei-
ben – das muss man selber sehen.
Das Schwimmbad nicht zu vergessen. Das Wasser ist so
warm, wie in einer Badewanne.
Am Sonntag der Weg hinauf zur Korbinianer-Kirche und zum
Friedhof, in dem meine Tante und Onkel und is Moidile und
der Markl Hans begraben liegen.
Es ist eine ganz besondere Kirche, da oben auf dem Hügel, sie
ist die Kirche meiner Kindheit und Jugend, der vielen Erinne-
rungen.
Die Mesnerin, das Loisele, gehört dazu, wie der wiedergefun-
dene Seitenaltar. Sie weiß alles, wirklich alles über diese Kir-
che. Als Kinder liefen wir durchs Feld hinunter. Sie hatte dort
unten ein Häuschen und viele weiße Mäuse in einem Käfig,
die wir hielten und mit denen wir spielten.
Und natürlich unser Herr Pfarrer, Rupert Roalter, der über 80
Jahre ist, ausschaut wie 70, der eine Herzlichkeit ausstrahlt,
die man suchen muss.
Leider hat auch er keinen einfachen Weg vor sich, er muss in
sein Stift, Kloster Neustift, zurück.
Meine Freundin Rosa, die jetzt in Bannberg neben ihrem
Mann begraben liegt, sie dort zu besuchen war für mich ein
schwerer Weg.
Maria-Luise lud mich zu einem Kaffee ein, der Weg zu ihrem
Haus ist wunderschön, viele Blumen mit einem großen Bau-
erngarten sind zu sehen. Maria-Luise, ihr Mann Hubert, sie
beide haben einen grünen Daumen.
Auch zur Nachbarin Maria führte mich der kurze Weg hinauf.
Sie stand schon in der Haustür, sie lud mich ein, ich sollte
mich ein bisschen in die Küche setzen.
Ich sagte ihr, wie dankbar ich ihr bin, dass sie immer für
Mame Spritzen und Tabletten beim Doktor holt und ihr bringt.
Eine Woche geht so schnell vorbei, ich glaube es kaum. Ich
steige um 5 vor 11 Uhr in den Bus nach Innsbruck ein und fah-
re meinen Lieben entgegen.
All die Wege sind sehr verschieden, sie können sich kreuzen,
oft gehen sie geradeaus, oftmals hoch hinauf oder weit hinun-
ter, oder sie sind verschlungen.
Dann gibt es einen Weg, einen Weg ohne Wiederkehr...
Maria Weiler entdeckte am Bannberger Himmel diese „Häkelspitze“,
gemalt von der Luftströmung und einem Verkehrsflugzeug.