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8

OBERKÄRNTNER

VOLLTREFFER

2. JÄNNER 2019

CHRONIK

Traditionen als immaterielles Kulturerbe

Sternsingen ist UNESCO-Kulturerbe

Es gibt ganz

besondere Tradi-

tionen in Öster-

reich, die seitens

der

UNESCO

zum immateriel-

len Kulturerbe

aufgewertet und

gelistet sind. Tra-

ditionen,

die

Zeugnis vom ein-

d r u c k s v o l l e n

Reichtum kultu-

reller Ausdrucks-

formen

sowie

handwerklichem

Können und Wis-

sen geben. Auch

in Kärnten und in

Oberkärnten gibt

es mehrere Tradi-

tionen, die als

imma t e r i e l l e s

Erbe verzeichnet

sind.

Erwähnt

seien hier einmal

die Lesachtaler

Brotherstellung,

die Heiligenblu-

ter Sternsinger

sowie das Wissen um die Flöße-

rei im Oberen Drautal. In

Kärnten gibt es in diesem Ver-

zeichnis noch die Bleiberger

Knappenkultur, die Ferlacher

Büchsenmacherei, Slowenische

Flur- und Hofnamen u.a.m. Was

Osttirol betrifft, so sind hier die

Widderprozession nach Ober-

mauern und das Sternsingen im

Villgratental festgehalten.

Gepflegtes Brauchtum

Im Jahr 2010 wurde das Heili-

genbluter Sternsingen von der

UNESCO als immaterielles

Weltkulturerbe ausgezeichnet –

dies soll Auftrag und Verp ich-

tung für die junge Generation

sein, den Brauch der Väter wei-

terzutragen und diese einzigar-

tige Tradition in Heiligenblut am

Großglockner zu erhalten – denn

der Stern soll weiter leuchten.

Die Nacht vom 5. auf den 6. Jän-

ner ist in Heiligenblut eine der

berührendsten. Die Sternsinger

ziehen in sogenannten neun

Männer-Rotten (Gruppen) durch

den oft tief verschneiten Ort und

besuchen jedes Haus. Eine Rotte

sind fünf Musikanten, neun Sän-

ger und ein Sternträger. Beson-

ders schön ist der sich drehende,

erleuchtete Stern. Das „Stern-

lied“ und das „Danklied“ wer-

den gesungen und die Initialen

C (Caspar) M (Melchior) B

(Balthasar) (Christus mansio-

nem benedicat – Christus segne

dieses Haus) mit Jahreszahl auf

die Tür geschrieben. Dieses

Sternsingen in seiner besonderen

Art hat sich nur in Heiligenblut

erhalten und kann in seinen

Wurzeln bis in das 16. Jahrhun-

dert zurückverfolgt werden. Die

Ursprünge stammen wohl aus

alpen- und voralpenländischen

Einzugsgebiet, wobei damals

einheimische Mölltaler auf die

sogenannte „Stör“ in den nahe-

liegenden Salzburger Pinzgau

und bis ins Bayrische kamen,

dort Liedgut aufnahmen und die-

ses wieder ins Obere Mölltal

brachten. Dieses jahrhunderte-

alte Liedgut wurde im 20. Jahr-

hundert dank des Kärntner Hei-

matwerkes und Volksliedwerkes

immer wieder erforscht und auf-

gezeichnet. Der gebürtige Heili-

genbluter

Orgelbauer

und

Schwegelpfeifenerzeuger Hau-

ser Schmidl, Volksmusikforscher

Anton Anderluh und Franz Ko-

schier haben sich dabei besonde-

re Verdienste erworben. Es ist

ein kostbarer Brauch, der religi-

öse, kulturelle und soziale Ziel-

setzungen harmonisch miteinan-

der verbindet. Übrigens: Auch

das Sternsingen im Villgratental

und das Metnitzer Kinisingen

nden sich im nationalen Ver-

zeichnis des immateriellen Kul-

turerbes.

Aus der Notwendigkeit

Ein weiteres Kulturerbe ndet

sich im Lesachtal: Brot vomAn-

bau bis zum Backen selbst zu

machen war im Lesachtal jahr-

hundertelang Notwendigkeit und

Stolz. Die Ethnologin Eiko

Funada aus Japan war es, die vor

vierzig Jahren ins Lesachtal kam

und sich alles rund ums Brot an-

gesehen, erforscht und publiziert

hat. Ihr Fachgebiet war die euro-

päische Brotkultur. Vor zehn

Jahren wurde auch ein Backhaus

nach Lesachtaler Vorbild nahe

Tokio in Betrieb genommen.

Das notwendige Wissen zur

Brotherstellung umfasst den Ge-

treideanbau, die Gewinnung des

Korns, Bau und Betrieb von

Mühlen und Backöfen, spezielle

Dialektausdrücke, Rituale und

jährliche Festlichkeiten.

Auch die Flößerei im Oberen

Drautal ist immaterielles Kultur-

erbe. Einst ging es um den ge-

fahrvollen Holztransport zu

Wasser, heute ist es eine beliebte

Freizeitgestaltung.

Der Verein Ober-

drautaler Flößer gibt

das Wissen um Her-

stellung sowie um

den Transport auf

gefährlichem Was-

ser weiter. Sechs

Ortschaften bauen

alljährlich ein Floß.

Erfahrung, Umsicht

und Kraft braucht es

dazu, um die zusam-

me n g e bu n d e n e n

Stämme sicher – auf

der letzten österrei-

chischen Fließstre-

cke der Drau – steu-

ern und durchfahren

zu können. Die all-

jährlichen Flößer-

tage im August sind

beliebte Treffpunkte

für alle Flößerei-

Freunde.

Die Volkskundle-

rinnen Maria Wal-

cher und Edith A.

Weinlich haben alle

103 Traditionen, die

im Verzeichnis des immateriel-

len Kulturerbes in Österreich

eingetragen sind, geführt von der

UNESCO-Kommission, in ih-

rem neuen Buch „Ein Erbe für

alle“ (Folio Verlag, 2018) mit

Illustrationen von Caterina

Krüger umfassend und über-

sichtlich festgehalten und be-

schrieben. Es ist ein unglaublich

vielfältiges, spannendes, leben-

diges Erbe. Wie sie darin schrei-

ben, haben sie vor über zwei

Jahren beschlossen, dieses Buch

zu veröffentlichen, „überzeugt

von der besonderen Kraft von

Traditionen, gesellschaftlichen

Zusammenhalt zu begründen

und zu bewahren“.

Das Heiligenbluter Sternsingen mit dem großen drehbaren Stern ist ein besonders kostbares

Brauchtum.

Foto: René Kerschbaumer

Kurzmeldung

Klassische Töne zum

Jahreswechsel

erklingen am Mittwoch, 2. Jänner,

um 17.30 Uhr, im Tauernsaal in

Mallnitz. Der Verein Pro Musica

Mallnitz lädt zum Neujahrskonzert.

Das Zalodek-Ensemble, bestehend

aus Mitgliedern der Wiener Phil-

harmoniker, und Sopranistin Grazy-

na Wojtanowska verwöhnen Zuhö-

rer mit Walzer und anderen Tänzen

von Strauß, Schubert, Lanner, Stolz

und Co.