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OSTTIROLER

NUMMER 12/2017

2

HEIMATBLÄTTER

Anras aber wurde 1754 ein junger Künst-

ler, Martin Knoller, beschäftigt, der in der

Freskomalerei bislang ein weitgehend un-

beschriebenes Blatt war, gleichwohl aber

ein Kapitel neu aufschlug, dessen Prolog

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gut sechzig Jahre ad acta gelegt worden

war: jenes der barocken Deckenmalerei in

Osttirol.

Gemäß einer archivalisch kaum über-

prüfbaren Tradition war der 1725 in Stein-

ach a. Br. geborene Knoller, nach der

Lehrzeit bei seinem Vater und dem Inns-

brucker Maler Ignaz Pögl, noch vor sei-

nem im November 1753 abgeschlossenen

Studium an der Wiener Kunstakademie ein

steter Gefolgsmann des wohl berühmtes-

ten Tiroler Barockmalers, Paul Troger. Ein

in der Künstlerbiografik recht häufig ge-

brauchter Topos macht ihn sogar zu dessen

Entdeckung: Troger habe das Talent des

Dreizehnjährigen, den er beim Bemalen

einer Hauswand beobachtet hatte, erkannt

und ihn, ohne Lehrgeld zu fordern, nach

Wien mitgenommen.

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Die Kunstgeschichtsschreibung hatte

sich auf die Abhängigkeit der Anraser

Fresken von Troger längst schon geeinigt,

als Edgar Baumgartl in seiner 1986 ge-

druckten Dissertation, die Knollers „Prob-

stück“ auf dem Gebiet der Deckenmalerei

mit weder zuvor noch danach erreichter

Schärfe analysiert

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, die Quellen des Ein-

flusses breiter zu streuen versuchte. Neben

Trogers Werken der 1740er- und 1750er-

Jahre wurden Daniel Gran, Bartolomeo

Altomonte und vor allem mit diesen ko-

operierende Quadraturisten, Maler, die auf

illusionierte Architekturen spezialisiert

waren, namhaft gemacht. Das räumlich am

nächsten liegende Werk Trogers, die Be-

malung des Brixner Domes, spielte dabei

keine bevorzugte Rolle. Jedoch weckt die

in allen Belangen erhellende Studie auch

den Verdacht, dass sie nicht zuletzt der

Unkenntnis des durch Albrecht Steiner v.

Felsburg fotografisch dokumentierten und

dann durch eine neubarocke Stuckdekora-

tion einschneidend veränderten Original-

zustandes geschuldet ist. Demgegenüber

grenzt Baumgartls 2004 erschienene Mo-

nografie über Knoller mögliche Anregun-

gen für Anras radikal und beinahe aus-

schließlich auf die Brixner Fresken ein

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mit zwei wichtigen Vorgaben an die wei-

tere Forschung, die nun einerseits die

schon immer vermutete Mitarbeit Knollers

an Trogers Spätwerk bestätigt sieht. An-

dererseits wird eine Bewertung der von

Baumgartl herausgearbeiteten Mängel der

Anraser Deckenbemalung als das Schei-

tern des Debütanten am überragenden Vor-

bild nahegelegt.

Der Vergleich drängt sich nicht nur auf-

grund der zahlreichen Übereinstimmungen

im Detail förmlich auf. In Brixen wie in

Anras war dem Maler, wenigstens was die

Gestaltung des Langhauses angeht, prinzi-

piell dieselbe Aufgabe gestellt. In einem

Tonnengewölbe war ein flacher Gemälde-

spiegel auszuzeichnen, der sich auf einen

darüber entfalteten Heiligenhimmel auftut.

Troger greift in Brixen auf einen bereits

wenige Jahre zuvor in der Jesuitenkirche

von Györ (Ungarn) erprobten, auf bolo-

gnesischen Vorbildern basierenden Typus

zurück: „Das auf die Zwickel zwischen den

Martin Knoller, Die Glorie des hl. Stephanus, Fresko am Gewölbe des Langhauses der

Anraser Pfarrkirche, gemalt im Jahr 1754.

Foto: Rudolf Ingruber

Martin

Knoller,

Die

Auffin-

dung

der Ge-

beine

des hl.

Stepha-

nus,

Fresko

über

der

Orgel-

empore,

1754.

Foto:

Rudolf

Ingru-

ber