Der Brauch ist uralt, in den
Gotteshäusern von Aschermitt-
woch bis zur Komplet (Schluss-
andacht) in der Karwoche ein
Fastentuch aufzuhängen. Heut-
zutage hängen Fastentücher aber
nicht mehr vor dem Altar, son-
dern an einer Wand oder vor dem
Hochaltar. Durch die Fastentü-
cher sollten die Gläubigen in frü-
heren Zeiten das Geschehen am
Altar mit ihren Augen nicht
mehr mitverfolgen können. Es
war also ein „Fasten für die
Augen“. Das Fastentuch symbo-
lisierte, dass der sündige Mensch
unwürdig ist, „Gott zu schauen“.
Erstmals gab es um das Jahr
1000 die „Anweisung“ ein Tuch
anzubringen, das den gesamten
Altar verdeckt und somit auch
Kreuze, Reliquienschreine und
Bilder, deren „strahlender
Glanz“ zur Fastenzeit ebenfalls
nicht zu sehen sein sollte.
Wandel
Im Laufe der Zeit wandelte
sich dies jedoch. Die Fastentü-
cher wurden reichlich bebildert.
Die Darstellungen sollten der Be-
völkerung, die im Mittelalter bis
auf wenige Ausnahmen nicht
lesen konnte, die Heilsgeschichte
Jesu erzählen. ImAlpenraum er-
lebte das Fastentuch seine Blüte-
zeit vom 15. bis 17. Jahrhundert.
Damals war es auch üblich, das
Tuch in rechteckige Felder zu
unterteilen, die biblische Motive
von der Schöpfungsgeschichte
bis zum jüngsten Gericht zeigten.
In der Schweiz in Schwaben und
im Elsaß sind die Fastentücher
bis heute als „Hungertücher“ be-
kannt. Ein Ausdruck, der sich in
der Redensart „Am Hungertuch
nagen“ (Mangel leiden) bis heute
erhalten hat.
Gröden
Ein besonders altes Fasten-
tuch findet man im Grödner
Heimatmuseum in St. Ulrich.
Vor rund 400 Jahren wurde es
von einem unbekannten Künst-
ler geschaffen und war bis in die
Nachkriegszeit in Gebrauch. 24
Ölbilder schmücken das Fasten-
tuch. Seit 50 Jahren hängt es im
Museum. Dort wurde es in den
vergangenen Jahren aufwendig
restauriert, sodass es heute in
seinem ursprünglichen Glanz
bewundert werden kann.
Ein besonderes Fastentuch ist
auch das 5 x 8 Meter große Virger
Fastentuch des Stefan Flaschber-
ger, das man auf Schloss Bruck in
Lienz findet. 42 Bilder sieht man
darauf – vom Weltentstehen bis
zum jüngsten Gericht. „Es ist
ebenfalls bereits 400 Jahre alt und
eines der faszinierendsten Werke
in Osttirol an der Wende von
Spätgotik und Renaissance zum
Frühbarock. Familien vom Iseltal
Das Fastentuch wird in Künstlerkreisen langsam wieder „modern“. So hing
auch bereits ein neugestaltetes Fastentuch von Michael Hedwig im Inns-
brucker Dom. Besonders alte Fastentücher findet man wiederum im Gröd-
ner Heimatmuseum in Südtirol oder auf Schloss Bruck in Lienz.
Foto: Pfarrei St. Ulrich Grö-
den
Das Fastentuch im Grödner Heimatmuseum gilt als Besterhaltenes in seiner Form in ganz Südtirol. Foto: Pfarrei St. Ulrich Gröden
GESCHICHTLICHES
4
PUSTERTALER VOLLTREFFER
MÄRZ/APRIL 2017
Das Fastentuch hat in jeder
Hinsicht wieder „Saison“