CHRONIK
PUSTERTALER VOLLTREFFER
MÄRZ/APRIL 2017
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In unseren Breiten leiden ca.
0,5 bis 1 % der Bevölkerung an
Schizophrenie. Für die Betroffe-
nen ist sie eine große Belastung.
Warum Gerhard T. daran er-
krankte, kann niemand mit Ge-
wissheit sagen. Auch wann die
Erkrankung ausbrach, ist offen.
Sein Leiden ist zwar nicht chro-
nisch, doch es kommt immer
wieder zu Schüben (akute
Krankheitsphasen), die ihn in
eine Gefühlswelt katapultieren,
die ihm arg zu schaffen macht.
So hört er etwa nicht vorhandene
Stimmen oder fühlt sich kontrol-
liert. Auch hat Gerhard dann für
nichts mehr Motivation, kann
sich auch an nichts mehr er-
freuen. Was die Stimmen zu ihm
sagen? „Sie reden schlecht über
mich, beleidigen mich.“ Gerhard
kann während seiner Schübe
meist nicht wahrnehmen, dass
diese Stimmen seine eigenen
Gedanken sind. Er glaubt, dass
sie von außen kommen. Egal, ob
er alleine ist oder Menschen in
seiner Nähe sind, die sich gerade
miteinander unterhalten.
Er will in den „Kampf“
ziehen
„Diese Stimmen machen mich
verrückt. Ich redete anfangs
meist zurück. Menschen, die
mich beobachteten, dachten sich
natürlich ihren Teil. Oft wollen
diese Stimmen, dass ich mich
umbringe. Ich habe es einmal
versucht. Aber das hat nicht
funktioniert.“ Seitdem hat er
Angst vor dem Tod. „Ich habe
während der Schübe auch oft
das Gefühl, dass andere meine
Gedanken mitdenken oder sie
mir weggenommen werden“,
erzählt Gerhard. Wie sich das
anfühlt, kann ein gesunder
Mensch wohl nie erfassen. „Es
ist jedenfalls furchtbar“, betont
er. Gerhard will während seiner
Schübe auch immer in den
Kampf „ziehen“ und Österreich
verteidigen, auf dem Schlacht-
feld sein Bestes geben. Denn die
Feinde, die seine Familie dann
in die Katastrophe reißen wür-
den, stünden bereits vor der Tür.
Jeder ist schlecht
Auch redet er immer wieder
von einem Date mit bekannten
internationalen Schauspielern,
die bei ihm angerufen hätten.
Der Osttiroler greift oft auch
seine Ehefrau an, die ihm nur
das Schlechteste wolle. Er be-
schimpft sie wüst, unterstellt
ihr vieles andere mehr, das
nicht der Wahrheit entspricht.
Niemanden will er mehr in die
Wohnung lassen. Denn jeder ist
schlecht und will ihn nur hin-
tergehen und ausrauben. Wenn
Gerhards Schub nach Wochen
oder manchmal Monaten wie-
der vorbei ist, erkennt er erst,
was er diesmal „anrichtete“,
und verspricht besonders seiner
Ehefrau sich zu bessern. Sie
kommt mit seinen Schüben von
Mal zu Mal weniger zurecht.
Schon oft war sie aufgrund ver-
schiedener Leiden, die der
Stress auslöste, im Kranken-
haus. Oft schon dachte sie
daran, ihn zu verlassen.
Liebloser Vater
Gerhard ist im Grunde ein
guter, kreativer Mensch, der be-
kung diagnostiziert werden.
Mittlerweile schafft er es zu
sagen, dass er schizophren ist.
Er hat Krankheitseinsicht.
Medikamente
Gerhard erhält nun Medika-
mente, die die Symptome zwar
teils lindern, aber eben nicht
vollständig. Manchmal nimmt
er sie auch nicht. Warum er das
tut? „Weil ich hie und da wie-
der davon überzeugt bin, dass
ich sie einfach nicht brauche.
Das ist natürlich Unsinn.“ Wie
er sich die Zukunft vorstellt?
„Schöner als jetzt.“ Wer Ger-
hard sehr gut kennt, weiß, dass
er sich während seiner Schübe
trotz allem über liebe Worte
und Zuneigung freut. Zeigen
kann er das aber nicht. Sein Ge-
sicht wirkt während seiner aku-
ten Krankheitsphase hart, wie
versteinert. „Aufgegeben wird
aber nur ein Brief, Gerhard
nicht“, erklärt sein bester
Freund. Die beiden kennen
sich von Kindesbeinen an. Sein
Freund weiß mit der Krankheit
mittlerweile gut umzugehen,
weil er sich eingehend darüber
informierte. Er ist auch immer
wieder eine wichtige Stütze für
Gerhards Ehefrau, wenn sie
glaubt, dass ihr nun endgültig
die Kräfte ausgehen. Doch der
Freund glaubt fest an den Fort-
schritt der Medizin, dass Ger-
hard irgendwann besser gehol-
fen werden kann.
Martina Holzer
reits in Frühpension ist. Wenn
Menschen für ihn Gutes tun, ist
er normalerweise sehr dankbar.
Sein Aufwachsen war nicht
leicht, sein Vater äußerst lieblos
zu ihm. Seine Mutter versuchte,
diese Lieblosigkeit zwar zu kom-
pensieren, hielt dies aber nicht
lange durch, weil sie psychisch
krank und in Folge recht labil
war. An seine Kindheit will sich
Gerhard jedenfalls nicht mehr er-
innern. Er hasst seinen Vater, der
schon lange tot ist, immer noch
aus tiefstem Herzen.
Zeit seines Lebens fühlte sich
Gerhard als Opfer. Sein Selbst-
mitleid ist demzufolge groß.
Seit er in Pension ist, wurde
wohl auch deshalb der Alkohol
zunehmend zum Problem. Seit-
dem scheinen auch die Schübe
stärker zu sein. Gerhard wehrte
sich lange dagegen, wegen sei-
ner massiven Auffälligkeiten
zumArzt zu gehen. Nur mit ein
paar Tricks seiner Umgebung,
konnte er von einem Mediziner
untersucht und seine Erkran-
Ein Leben mit Schizophrenie
Gerhard T. aus dem Pustertal leidet
an Schizophrenie. Mittlerweile ist er in
Frühpension und erhält entspre-
chende Medikamente, die seine
Leiden aber nur teils lindern.
Gerhard T. leidet an Schizophrenie, die in Schüben auftritt. Me-
dikamente mildern teilweise seine Beschwerden.
Weltwahrnehmung einer Person mit Schizophrenie (künstlerisches
Selbstporträt).