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OSTTIROLER

NUMMER 1-2/2016

3

HEIMATBLÄTTER

Der Pfarrer von Innervillgraten sah das

genauso und minimierte, gemäß seinem

Leitspruch „Natura paucis contenta“

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,

diese Variablen mit seinem Urteil, dass

Kopien billiger kämen als Originale, der

Erbauung des Volkes aber denselben

wurden weit weniger von den Ansprüchen

der Moderne als von der Tradition an das

zu integrierende Kunstwerk gestellt, und

nicht die von subjektiver Religiosität ge-

nährte Behauptung, sondern die Einord-

nung in den kollektiven Überlieferungs-

kontext der katholischen Kirche war ge-

fragt. Dieser konnte sich allerdings in

sakralen Räumen auf jeweils individuelle

Weise abbilden.

Das Innere der Lienzer Pfarrkirche St.

Andrä präsentierte sich zum Zeitpunkt der

Entstehung der Krippe als zweifellos ge-

glücktes Resultat eines über fünfhundert-

jährigen Wachstums, das zwischen den un-

terschiedlichen Epochen, von der spätgo-

tischen Architektur bis zur historisierend-

neugotischen Kanzel und den Glasmale-

reien vom Ende des 19. Jahrhunderts, sich

keinerlei ästhetische Brüche erlaubt. Den

vielleicht entscheidenden Beitrag zu dieser

Einheitlichkeit aber leistet die vom Orgel-

prospekt am westlichen und vom Hoch-

altar am östlichen Ende geformte Klam-

mer, die als Auftakt und als Finale der

durch das Konzil von Trient initiierten Kul-

tur des Barock den Kirchenraum einfasst.

Die restaurativen Bemühungen des De-

kans und Konservators

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Gottfried Stem-

berger, die nicht zuletzt durch die Wieder-

aufstellung des klassizistischen Rosen-

kranzaltares die Auswüchse der neu-

gotischen Innenausstattung unter seinen

Vorgängern teilweise revidierten, wurden

schon 1912 von kompetenter Seite als vor-

bildlich anerkannt.

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Mag sein, dass das

Erscheinungsbild um 1630, als die goti-

schen Fresken übertüncht wurden und der

von Adam Baldauf gestaltete Hochaltar

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die ebenfalls unter seiner Mitwirkung er-

richtete Orgel kontrapunktierte, noch ein-

heitlicher wirkte als um 1930. Die 1737

durch Blitzschlag verursachten Schäden

jedoch hatten die spätbarocke Erneuerung

des Presbyteriums – glücklicherweise auf

Dienst erwiesen wie diese.

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Sakralen Stof-

fen standen vom Zeitgeschmack längst

sanktionierte Vorbilder, zwischen altdeut-

scher Malerei, Renaissance und Barock,

Nazarenertum und gemäßigtem Realismus

reichlich zur Auswahl. Die Bedingungen

Christus am Ölberg von Alois Oberlechner

nach Gebhard Fugel (Ausschnitt).

(Kloster der Dominikanerinnen, Lienz)

Fotograf unbekannt

Deckengemälde der Pfarrkirche St. Martin in Innervillgraten: Szenen mit Geburt Christi

(unten) und Kreuzigung, unter Mitwirkung von Alois Oberlechner entstanden 1910/12.

Foto: Rudolf Ingruber