war der Farblinolschnitt zu seiner eigentli-
chen Domäne geworden. Es gibt insgesamt
an die 200 solcher Schnitte, mehr als drei
Viertel sind in den vierzehn Jahren ab 1975
entstanden. Wiewohl zu seinem druckgra-
phischen Gesamtwerk auch sehr perfekte
Radierungen und Kupferstiche gehören –
auch die Ausstellung zeigt einige schöne
Beispiele –, treffen die farbigen Blätter der
Hochdruckkunst des Linolschnittes doch
das Herz der Dinge, wenn man das so
sagen kann, sind Helmers zentrale Aussage
und Leistung, die ihn mit dem Besten mes-
sen lassen, was aus dieser besonderen
„modernen“ Technik – denn der Vorgänger
dieser Hochdrucktechnik war ja der Holz-
schnitt – je hervorgeholt wurde.
Bei aller Schlichtheit seines Auftretens
nach außen war Helmer auch das, was man
einen pictor doctus, also einen gelehrten
Künstler, nennen könnte. Er besaß eine
große Bibliothek und benutzte seine
Bücher und Kataloge wie Arbeitsmaterial
genauso wie er seine recht zahlreichen
Reisen zu wichtigen Ausstellungen als An-
schauungs- und Lernmaterial benutzte.
Sein absoluter Bilderverstand – ähnlich
wie ein absolutes Gehör – versetzte ihn in
die Lage, jede ihm wichtig erscheinende
Komposition zu speichern und darauf zu
reagieren wie eine lichtempfindliche
Platte. Der Maler Paul Cézanne hatte das
übrigens einmal als Grundlage für künstle-
rische Arbeitsweisen gefordert.
Helmer war bei den Japanern ebenso zu
Hause, wie er die Kunst Ferdinand
Hodlers studiert hatte, der ihm als Bergma-
ler besonders nahe stand; er war ein Be-
wunderer Kandinskys, dessen Weg zur
Abstraktion er genau verfolgte, er konnte
über die Kompositionsweisen der großen
Japaner Hokusai und Utamaro wie ein
Kunsthistoriker sprechen.
Mit all diesem Rüstzeug ging er in die
Natur und machte dort seine intensiven Be-
obachtungen. Sie flossen zunächst in
Aquarellstudien ein, die er auf von ihm gar
nicht sorgsam behandelten Zeichenblättern
festhielt und die er gleich mit Anmerkun-
gen zu den passenden Farbtönen versah. Es
ist bemerkenswert, wie präzise er dabei so-
zusagen von der ersten Stunde an im Kom-
positorischen war: Diese Ausschnitte, diese
Sicherheit des Perspektivischen, das in
Flächen überzusetzen war, dieser Parallelis-
mus, um mit Hodler und seiner Forderung
zu sprechen, alles ist meisterhaft be-
herrscht. Dazu kommt das Gespür für Farbe
als Träger von Stimmungselementen, die
im Wesentlichen auch Erlebniselemente
sind – Helmer wollte die Landschaft am
Bild so haben nicht nur wie er sie sah, son-
dern auch wie er sie empfand. Er wusste
aber auch, dass er ein gutes Blatt zu ma-
chen hatte und ging deshalb auch als klarer
Konstrukteur vor. Die Blätter lassen sich
immer auch als kleine Geometrien lesen, es
stimmt bei ihnen eigentlich immer alles.
Deshalb auch das ich möchte sagen glück-
liche Gefühl, das sich beim Betrachten die-
ser kleinen Juwele einstellt. Für die Berg-
bilder mag das besonders gelten. Denn es
sind Blicke auf das heimatliche Gebirge
und seine Formationen, die so nah am eige-
nen Erleben geführt sind, dass man gerne
das Wort „zauberisch“ in den Mund neh-
men möchte. Welche einfachen Motive: ein
ausaperndes Hochtal, Wolken über der
Nordkette, der Widerschein der Abend-
sonne am Bettelwurf, Herbstbäume im
Schmirntal, aber alles in eine höhere Ord-
nung von geheimen Balancen und Harmo-
nien gebracht, in eine künstlerische Ord-
nung eben, die oft so schwer zu beschrei-
ben ist, wenn Simplizitäten von Tiefgang
und reiner feiner Qualität zu trennen sind.
Exemplarische Blätter entstanden auch
aus der Beschäftigung und der Liebe Hel-
mers zur alten ländlichen Architektur.
Zeugnisse ländlicher Baukunst hatten in
OSTTIROLER
NUMMER 6/2009
2
HEIMATBLÄTTER
Leberblümchen, Farblinolschnitt, 17,3 x 17,3 cm, Handdruck, 1977.
Zwei Buchfinken, Farblinolschnitt, 15,0 x 15,9 cm, Handdruck, 1976.