CHRONIK
PUSTERTALER VOLLTREFFER
NOVEMBER/DEZEMBER 2015
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Die Musikkapelle
Innervillgraten übt
einen selten geworde-
nen Brauch aus. Wann
immer im Ort ein Be-
wohner stirbt, begleitet
die Kapelle in voller
Besetzung den Verstor-
benen auf dem letzten
Weg – sofern es die
Familie des Verstorbe-
nen wünscht.
Beim Ableben von Menschen
in den Tiroler Bergdörfern war
es früher üblich, dass die Musik-
kapelle den Toten mit Trauer-
märschen verabschiedete. Die
Musiker, alles Laien, ließen im
Fall eines Begräbnisses ihre Tä-
tigkeit ruhen oder nahmen sich
vom Arbeitgeber frei, um ihrer
Pflicht in der Gemeinde nach zu
kommen. Dabei erwiesen sie
dem Verstorbenen mit Trauer-
märschen, die schon seit Gene-
rationen gespielt wurden, die
letzte Ehre. „In ganz Tirol gibt es
nur mehr sehr wenige Musik-
kapellen, die bei Begräbnissen
regelmäßig in voller Besetzung
spielen. In Innervillgraten ist das
aber heute noch der Fall“, be-
richtet Kapellmeister-Stellver-
treter Johannes Schett stolz.
Dabei spielt es keine Rolle, wel-
chen Status der Verstorbene in
der Dorfgemeinschaft hatte.
Von „daheim“ bis zum
Friedhof
„Wir begleiten den Verstorbe-
nen von seinem Heimathaus, wo
die Toten noch immer aufge-
bahrt werden, zur Kirche und
auf den Friedhof zur letzten
Ruhe. Bei jedem Wetter und an
jedem Tag der Woche.“ In In-
nervillgraten leben die Men-
schen meist noch in Häusern, wo
eine Aufbahrung von Verstorbe-
nen möglich ist. „Am 15. August
hatten wir etwa zwei Begräb-
nisse. Da spielten jedes Mal 45
Mitglieder. Meist sind wir in die-
ser Größe vertreten. Die Min-
destbesetzung sind 25 Leute.
Unserer Musikkapelle ist die
Aufrechterhaltung dieses selten
gewordenen Brauchtums sehr
wichtig.“ Ein Trauermarsch
könne einem Trauernden jenen
Halt geben, den er benötigt, um
den geliebten Verstorbenen mit
Fassung auf seinem letzten Weg
zu begleiten. „Er hilft Trauer zu
lindern, erinnert einen an die
schönen Zeiten mit demVerstor-
benen und hilft Abschied zu neh-
men“, so Schett.
Alte Trauermärsche
auf CD
Wichtig sei, dass der Trauer-
marsch mit Hingabe und Emo-
tion vorgetragen werde. „Es ge-
nügt nicht, nur die gedruckten
Noten zu spielen. Wenn man sich
in die Trauermusik hineinlebt,
dann bin ich überzeugt, erreicht
diese besondere Art der Musik
viele Herzen der Menschen.“
Schett war es zudem ein gro-
ßes Anliegen, diese alten, selten
gespielten Trauermärsche für
die Nachwelt auf einem Tonträ-
ger festzuhalten. „Da mich diese
getragenen und harmonischen
Klänge immer wieder aufs Neue
berühren und in einen emotio-
nalen Bann ziehen“, begründet
er. Die im Vorjahr entstandene
CD ist auch im Handel erhält-
lich. Schett suchte dafür mit No-
tenwart Christian Mair die alten,
handgeschriebenen Noten aus
dem bestehenden Archiv heraus
und arrangierte sie für die der-
zeitige Besetzung der Musik-
kapelle neu. „Über Generationen
hat sich ein besonderes Reper-
toire erhalten“, betont der
Kapellmeister-Stellvertreter. Da-
runter auch Stücke der beiden
Villgrater Bauern Josef Steidl
Vater (1864 bis 1945) und Josef
Steidl Sohn (1905 bis 1979), die
fast ein Jahrhundert lang als Or-
ganisten, Chorleiter und Kapell-
meister wirkten.
Die Musikkapelle Innervill-
graten besteht übrigens seit
1831.
Martina Holzer
Selten gewordenes Brauchtum lebt
noch in Innervillgraten
Die
Musik-
kapelle
Inner-
villgraten
spielt in
voller
Be-
setzung
bei jedem
Begräbnis
im Ort
auf,
sofern es
die
Familie
des Ver-
storbenen
möchte.