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OSTTIROLER

NUMMER 7/2015

4

HEIMATBLÄTTER

gebracht, der Strahlenkranz wurde mit

Schlagmetall vergoldet (Abb. 7). Mittler-

weile hatte einer der Söhne, Harald, für den

renovierten Corpus einen neuen Kreuzbalken

mit einem Dach gezimmert. Abschließend

wurde der Corpus auf diesen Balken mit ge-

schmiedeten Nägeln (ebenfalls die Arbeit

eines Sohnes, des Kunstschmiedes Alois) an-

gebracht. Das gesamte Kruzifix wurde an

seinem neuen Standort mittels betonierter

Bodenplatte und einer Eisenverankerung

stabil im Boden befestigt, sodass es für die

nächsten Jahrzehnte Wind und Wetter stand-

hält. (Abb. 1)

Nach diesem Bericht über die durchge-

führten Arbeiten stellt sich manchem ver-

mutlich die Frage, wozu dieser erhebliche

Aufwand für ein Kreuz aufgewendet wurde,

welches noch dazu nicht unter öffentlichem

Denkmalschutz steht? Die Antwort, dass

hier nur der ideelle Wert für den Besitzer im

Vordergrund stand, greift zu kurz. Generell

muss an dieser Stelle einmal etwas über

denkmalpflegerische Handlungen – und

unter diese fallen die durchgeführten Ar-

beiten am Kreuz – und über die Berechti-

gung der Denkmalpflege im Allgemeinen

nachgedacht werden. Gerade in einer Re-

gion wie Osttirol, fernab der Landeshaupt-

stadt und in der „die Leute vom Denkmal-

amt“ weit weg scheinen, ist es schwierig,

ein Bewusstsein für den richtigen Erhalt von

historischem Gut zu wecken. Klischees über

Denkmalpflege wie Restriktionen, Zeitver-

zögerungen, Verhinderungstaktiken usw.

halten sich hartnäckig. Um diese Vorurteile

abzubauen, sei an einen wenig beachteten

Text erinnert, der in den 1980er-Jahren er-

schien und eine sehr plausible Antwort auf

die Frage „Warum Denkmalpflege“ liefert.

Diesen Text verfasste der berühmte Kunst-

historiker Ernst H. Gombrich

18

, der sich

darin mit einer Schrift aus dem 19. Jahr-

hundert des englischen Schriftstellers, Ma-

lers und Kunsthistorikers John Ruskin

19

aus-

einandersetzte, einem Pionier in Sachen

Denkmalpflege. Gombrich schließt aus

Ruskins Text, dass die alten Denkmäler ge-

radezu eine Existenzberechtigung haben,

weil: „Sie gehören nicht uns, sondern

erstens unseren Vorfahren, die sie gebaut

haben, und zweitens unseren Nachkommen.

So, zwischen Vergangenheit und Zukunft

gestellt, sind wir nicht ihre Besitzer, sondern

bloß Treuhänder.“

20

Denkmäler – einerlei ob

es sich dabei um Gebäude oder Kunstwerke

handelt, dienen der Erinnerung, sie sind

Zeugnisse vergangener Zeiten und sollen

auch zukünftigen Generationen noch erhal-

ten bleiben. Diese Erinnerung hat ein

„Recht auf ein Nachleben“

21

, welches sich

im Erhalt historischer Werke ausdrückt und

soll nicht dem Unrecht der nach kapitalisti-

schen Grundsätzen handelnden Moderne

weichen. „Was unsere Vorfahren geleistet

und gelitten haben, soll nicht demVergessen

anheimgegeben werden.“

22

Was Gombrich

in diesem Text meint, ist, dass uns das Ge-

fühl der

Pietät

bei Entscheidungen über den

Umgang mit Artefakten leiten sollte. Pietät,

ein Begriff der in seiner landläufigen Be-

deutung heute eher mit Sterben und Tod und

mit dem angemessenen Benehmen gegen-

über Verstorbenen und deren Angehörigen

konnotiert wird, hat jedoch ursprünglich

noch eine andere Bedeutung. Pietät kommt

vom lateinischen Wort „pietas“, welches

nicht nur Frömmigkeit, sondern vielmehr

Respekt und Rücksichtnahme bedeutet

23

,

Werte, die sich also auf das gemeinschaft-

liche Leben beziehen. Diese Werte, die mit

dem Begriff der Pietät gemeint sind, kom-

men jedoch in unserer Gesellschaft zuneh-

mend abhanden, dies führt nicht zuletzt zu

einer Ignoranz gegenüber denkmalpflegeri-

schen Handlungen bzw. der Denkmalpflege

allgemein. Bewahren wir daher als „Treu-

händer“ unser kulturelles Erbe. Und so soll

das Kreuz des Unterplanker-Hofes als gutes

Beispiel für den pietätvollen Umgang mit

historischen Zeugnissen sowie mit Kunst

am Rande von Kunst dienen.

Abb. 7: Corpus nach der Renovierung und

mit neuer Fassung.

Foto: Martin Egger

Anmerkungen:

1

Laut Recherche ist das Kreuz in keiner gedruckten

Kunstchronik vermerkt. Es ist allerdings im Internet zu

finden, nämlich in der online-Datenbank des Tiroler

Kunstkatasters. Dort ist es unter den sakralen Klein-

denkmälern in der Kategorie „Wegkreuz“ verzeichnet.

Vgl. Karl W

IESAUER

, Matrei in Osttirol, Wegkreuz, Un-

terplanker, in: Tiroler Kunstkataster, Inv. Nr. 17025;

http://www.tirisdienste.at/temp/5118/info_170250.htm;

Stand: 30. Juni 2014.

2

Das Kreuzzeichen gab es schon in vorchristlicher Zeit

und es wurde hier schon wegen seiner apotropäischen

Funktion angewandt. Vgl. Erich D

INKLER

, Kreuz, in:

Engelbert K

IRSCHBAUM

SJ (Hrsg.), Lexikon der Christ-

lichen Ikonographie, Bd. 2, Rom-Freiburg-Basel-Wien,

1994; Sp. 562-574; Sp 565-566.

3

Bei Ludwig Arntz, der eine der ersten und wenigen Ab-

handlungen zum Thema Wegkreuz lieferte, findet man

auch die Bezeichnung „Wegekreuz“ und „Wegebild“.

Vgl. Ludwig A

RNTZ

, Wegekreuz und Wegebild, in: Zeit-

schrift für christliche Kunst, 25. Jg. (1912), Heft 2, Sp.

69-80; Heft 3, Sp. 103-114; Heft 4, Sp. 137-150; Heft 5,

Sp. 167-170. Vgl. weiters Friedrich Z

OEPFL

, Bildstock,

in: Reallexikon der deutschen Kunstgeschichte, hrsg.

von Otto S

CHMITT

, Bd. 2, Stuttgart 1948, Sp. 695-708;

Hans G

RIESSMAIR

, Das Wegkreuz – Geschichte und

Sinn, in: Oswald K

OFLER

, Wegkreuze, Bozen 1989, S.

5-10. Für den Bildstock gilt, dass seine Ursprünge im

Totengedenken lagen. Vgl. Franz H

ULA

, Der Ursprung

des Bildstockes, in: Kirchenkunst. Österreichische Zeit-

schrift für Pflege Religiöser Kunst, Jg. Ix (1937), S.

42-44; S. 43. Einige Tiroler Bildstöcke beschrieb Josef

W

EINGARTNER

, Bemalte Bildstöcke in Tirol. Vier cha-

rakteristische Beispiele, in: Jahrbuch des Kunsthistori-

schen Institutes der K. K. Zentralkommission für Denk-

malpflege, Bd. VII (1913 – Beiblatt), Sp. 7-28.

4

Zum Begriff Kruzifix bzw. den verschiedenen Formen

vgl. Rudolf H

UBER

/ Renate R

IETH

/ Comité Internatio-

nal d’Histoire de L’Art (Hrsg.), GlossariumArtis, Bd. 2,

Kirchengeräte, Kreuze und Reliquiare der christlichen

Kirchen, 3. Aufl., München-London-New York-Paris

1992, S. 154-156.

5

D

INKLER

, Kreuz (wie Anm. 2), Sp. 565. Zur Ablöse der

römischen Kaiserbilder unter Kaiser Konstantin vgl.

Hans B

ELTING

, Bild und Kult. Eine Geschichte des Bil-

des vor dem Zeitalter der Kunst, 6. Aufl., München

2004, S. 18-19.

6

A

RNTZ

, Wegekreuz (wie Anm. 3), Sp. 71.

7

Vgl. A

RNTZ

, Wegekreuz (wie Anm. 3), Sp. 70-75.

8

Vgl. Martin S

CHARFE

, Das Gefühl der Höhe. Bilder zur

Frühgeschichte der Bergsteigerseele, in: Alpenvereins-

Museum Hofburg Innsbruck, Philipp F

ELSCH

/ Beat G

UG

-

GER

/ Gabriele R

ATH

(Hgg.): Berge, eine unverständliche

Leidenschaft, Ausst.-Kat., Wien-Bozen 2007, S. 33-47,

S. 40. Scharfe bezeichnet die neuen Gipfelkreuze ab dem

19. Jahrhundert als „Male der Naturunterwerfung“, da sie

ganz im Zeichen der Aufklärung, die die Religion zur

Privatsache erklärte, stehen würden. Ebd. S. 40.

9

http://www.tirol.gv.at/kunstkataster

; aufgerufen am

12.02.2011.

10

http://www.tirisdienste.at/temp/5118/info_170250.htm

;

Datenstand lt. Datenblatt am 04.10.2013; aufgerufen am

18.11.2014.

11

Vgl. das Zitat im online-Katalog von Karl W

IESAUER

http://www.tirisdienste.at/temp/5118/info_170250.htm

;

Stand: 30. Juni 2014. Darin die Quelle: Tiroler Landes-

archiv, Katastermappe 1859, KG Windischmatrei,

Kreis Brixen, Nr. 276, Blatt 99.

12

Der Stabile Kataster wurde in Tirol zwischen 1855 bis

1861 eingeführt. Vgl. dazu den Begriff ‚Kataster‘ im on-

line Glossar des Tiroler Landesarchivs:

http://www.tirol.gv.at/

kunst-kultur/landesarchiv/glossar/archivglossar-k/; Stand:

19. Nov. 2014. Zur Quellengattung der Katasterkarten vgl.

Andreas M

ATSCHENZ

, Karten und Pläne, in: Friedrich B

ECK

/ Eckart H

ENNING

(Hgg.), Die archivalischen Quellen. Mit

einer Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften,

4. Auflage, Köln-Weimar-Wien 2004, S. 128-140; S. 134f.

13

Eine Überprüfung des Zitates in Anm. 1 ergab, dass es

sich bei diesem Blatt jedoch um eine Vermessungskarte

des Gebietes um Klausen ab Seblas handelt. Die richtige

Vermessungskarte ist die Nummer 276-89, worauf das Ge-

biet um Ganz mit dem Unterplanker-Kreuz verzeichnet ist.

Die Aktualisierung des Datensatzes in der Datenbank des

Kunstkatasters trägt das Datum 4.10.2013, das abgebildete

Kreuz auf dem Foto ist jedoch eine Aufnahme von 1992

mit dem Zustand vor der Restaurierung 2013.

14

Vgl. Hermann W

OPFNER

, Zur Geschichte des tirolischen

Verfachbuches (= Sonderdruck aus Forschungen und

Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs),

Innsbruck, o. J., S. 249-263.

15

Ursprünglich befand sich das Kreuz südöstlich des Bau-

ernhofes am Zaun, der den Garten von der Weide trennte.

Dort stand es ungeschützt in der Wetterseite und wurde von

einem Sturm umgeworfen. Danach wurde es unter einer

Trauerweide aufgestellt, wo sich der Platz jedoch ebenso

als nicht günstig erwiesen hatte. Der dritte und jetzige

Standort wurde gewählt, da es hier einigermaßen vor Wind

und Wetter geschützt ist. Auf zwei alten Familienfotos der

Familie Unterrainer aus den 1910er- und 1950er-Jahren ist

das Kreuz noch auf seinem ursprünglichen Standort zu

sehen. Diese Fotos wurden der Autorin dankenswerter-

weise zur Verfügung gestellt. Das Foto des Tiroler Kunst-

katasters von 1992 zeigt das Kreuz unter der Trauerweide.

16

Ein Ausdruck, den Denkmalpfleger gerne verwenden,

wenn Denkmäler bzw. Kunstwerke nicht mehr erhaltbar

sind. Gemeint ist damit der allmähliche Zerfall zur

Ruine. Es handelt sich dabei um ein fälschlicherweise

John Ruskin zugeordnetes Zitat.

17

Bei einer Renovierung handelt es sich nicht um eine Re-

staurierung im wissenschaftlichen Sinn. Sie ist eine

Abart der Restaurierung, „[…] die sich durch den spe-

kulativen Charakter der durchgeführten Maßnahmen

auszeichnet.“ Eine Renovierung zählt auch zur Denk-

malpflege. Achim H

UBEL

, Denkmalpflege. Geschichte –

Themen – Aufgaben. Eine Einführung, 2. Auflage, Stutt-

gart 2006, S. 285.

18

Ernst H. G

OMBRICH

wurde international bekannt durch

seine „Geschichte der Kunst“ („Story of Art“, London

1950). Das Buch wurde zum Bestseller und in 32 Spra-

chen übersetzt.

19

John R

USKIN

wurde durch seine Bücher „Modern Pain-

ters“ (1843), „Seven Lamps of Architecture“ (1849)

sowie „Stones of Venice“ (1851) berühmt. Er verkehrte

mit den führenden Künstlern Englands (u. a. William

Morris und William Turner) und initiierte die Arts and

Crafts-Bewegung, an der sich in späterer Folge die Mit-

glieder der Wiener Werkstätte orientierten.

20

Ernst H. G

OMBRICH

, Warum Denkmalpflege?, in: First

International Congress on Architectural Conservation,

University of Basle, Switzerland, March 1983, historic

buildings, their significance and their role in today’s cul-

tural setting, S. 21-26; S. 21.

21

G

OMBRICH

, Warum Denkmalpflege? (wie Anm. 20), S. 21.

22

Ebd., S. 21.

23

Vgl. Jacob und Wilhelm G

RIMM

, Deutsches Wörterbuch,

bearbeitet von Matthias von L

ExER

, München 1984, Sp.

1845; Friedrich K

LUGE

, Etymologisches Wörterbuch der

deutschen Sprache, bearbeitet von Elmar S

EEBOLD

,

25. Auflage, Berlin-Boston 2011, S. 705.

IMPRESSUM DER OHBL.:

Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini. Für

den Inhalt der Beiträge sind die Autoren verant-

wortlich.

Anschrift der Autorin dieser Nummer: Mag.

a

phil.

Dr.

in

phil. Ursula Marinelli, A-6020 Innsbruck,

Goethestraße 2; E-Mail:

ursula.marinelli@chello.at

Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblätter“

sind einzusenden an die Redaktion des „Osttiroler

Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzinini, A-6176 Völs,

Albertistraße 2 a.