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Im Weiler Ganz bei Matrei

i. O. schmückt ein großes

Holzkreuz den Hof der Fami-

lie Unterrainer vulgo „Unter-

planker“. Oberhalb des Wohn-

hauses an der Zufahrt aufge-

stellt, lädt es auch Vor-

beikommende zum Innehalten

ein (Abb. 1). Dieses Zeichen

christlichen Glaubens erstrahlt

seit jüngster Zeit in neuem

Glanz. Das ist heute keine

Selbstverständlichkeit, denn

viele Besitzer scheuen näm-

lich den Aufwand, der mit der

Restaurierung eines Kunst-

werkes verbunden ist. Meis-

tens aus dem Glauben heraus,

das gute Stück sei zu verfallen

und die Kosten einer Restau-

rierung oder Konservierung

würden den Wert des Kunst-

werkes übersteigen. An dieser

Stelle soll daher einmal davon

berichtet werden, dass es sich

durchaus lohnt, auch Werke

der vermeintlich „niederen

Kunst“ zu erhalten, und dass

nicht immer der Geldwert

gegen den ideellen oder den

künstlerischen Wert aufge-

rechnet werden sollte. Viel-

mehr soll anhand dieses Bei-

spiels privater Denkmalpflege

gezeigt werden, dass es sich

dabei um eine nachhaltige

Investition für die nächste Ge-

neration handeln kann und deswegen

Denkmalpflege eine Sache ist, die uns alle

angeht und auch „niedere Kunst“ das Recht

auf ein Fortleben hat. Mit „niederer Kunst“

sind Werke gemeint, die abseits der Kunst-

geschichtsschreibung stehen, die nicht von

ausgewiesenen Künstlern, sondern häufig

von mehr oder weniger geschickten Hand-

werkern oder vom Besitzer selbst angefer-

tigt wurden, und dennoch eine gewisse

Dunkeln, sodass vom Kunst-

historiker mit dem Verweis

auf den „Volkskundler“ gerne

ein Bogen um diese Objekte

gemacht wird. Der Ethnologe

vermag lediglich den kulturel-

len Kontext oder das Ritual, in

dessen Zusammenhang sie

standen zu ergründen, doch

die Artefakte selbst fanden zu-

meist keinen Eingang in ge-

lehrte Zeilen.

So geschehen auch beim

großen Kreuz der Familie

Unterrainer, dessen Entste-

hungszweck und -zeit über die

Jahrhunderte dem Vergessen

anheim fielen.

1

Um sich den

Fragen nach Errichtungsgrund

und Alter anzunähern, kann es

in diesem Falle – wegen des

Fehlens eindeutiger Urkunden

– zunächst hilfreich sein, ein-

mal allgemein über die Funk-

tion von Wegkreuzen nachzu-

denken, um daraus eventuell

Rückschlüsse auf das Kreuz

im Weiler Ganz zu ziehen.

Wegkreuze, aber auch Bild-

stöcke werden heute ja kaum

mehr bewusst wahrgenom-

men; im kollektiven Gedächt-

nis prägten sie „immer schon“

die Tiroler Landschaft.

Was heute eher als Symbol

naiver Volksfrömmigkeit –

das Kreuz als unheilabweh-

rendes Zeichen

2

– gewertet wird, erfüllte je-

doch in früherer Zeit immer eine ganz be-

stimmte Aufgabe. Nicht selten waren Weg-

kreuze und Bildstöcke urkundliche Marken,

die auf gewisse Rechte hinwiesen, Erinne-

rungszeichen an bestimmte Ereignisse oder

Zeichen der Andacht, an denen der Vorbei-

ziehende seine Gebete verrichten konnte.

3

Werfen wir dazu einen kurzen Blick

zurück auf die Entwicklungsgeschichte von

NUMMER 7/2015

83. JAHRGANG

OSTTIROLER

HEIMATBLÄTTER

H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “

künstlerische Qualität aufweisen – namen-

lose Artefakte, die an der Grenze zwischen

Kunst und Nicht-Kunst stehen. Das Pro-

blem für den Fachmann bei solchen Arte-

fakten ist zumeist die Quellensituation,

denn in den seltensten Fällen gibt es für sol-

che Werke Urkunden, die Aufschlüsse über

Auftraggeber oder Hersteller des Werkes

geben könnten. So bleiben häufig damit ver-

bundene Namen und die Entstehungszeit im

Abb. 1: Kruzifix nach der Renovierung mit neuem Kreuzbalken und

Überdachung.

Foto: Ursula Marinelli

Ursula Marinelli

„Wir sind bloß Treuhänder“: Ein Wegkreuz im

Weiler Ganz/Matrei i. O. und seine Renovierung

Über den schwierigen Umgang mit Kunst am Rande von Kunst