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OSTTIROLER

NUMMER 7/2015

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HEIMATBLÄTTER

Bart wies noch spätbarocke Anklänge auf,

die Form des Körpers allerdings schloss

eine so frühe Datierung aus. Der Körper ist

gestreckt und geradlinig, er ruht in sich und

weist kein barockes Pathos mehr auf. Es

wird sich daher aller Wahrscheinlichkeit

nach um eine klassizistische Arbeit aus dem

letzten Drittel des 18. Jahrhunderts handeln.

Mit Hilfe der Stilanalyse kann zwar eine

ungefähre Datierung des Kreuzes vorge-

nommen werden, doch lässt das Fehlen von

eindeutigen Quellen aus dem Zeitraum zwi-

schen 1750 bis 1859 (dem Jahr, in dem die

Katastermappe gedruckt wurde) keine ein-

deutige Aussage über den Grund seiner Er-

richtung zu. Der Eintrag in die Karte von

1859 lässt vermuten, dass es dort zu diesem

Zeitpunkt die Funktion einer Grenzmar-

kierung erfüllte. Doch ob es schon aus die-

sem Grund errichtet wurde, darüber kann

nur spekuliert werden. Wir belassen es

daher bei seiner ursprünglichen christlichen

Bedeutung, nämlich als Schutzzeichen für

den Bauernhof und kehren zurück zum Zu-

stand des Kreuzes im Jahre 2011. Nachdem

es über die Jahrhunderte Wind und Wetter

ausgesetzt war und mehrere gut gemeinte

Versuche früherer Hofbesitzer, weggefaulte

Teile zu ergänzen und dem Kreuz einen

neuen Anstrich zu verpassen, zu keinem be-

friedigenden Ergebnis mehr geführt hatten,

war das Kruzifix schließlich 2011 in einem

derart ruinösen Zustand, sodass man das

Kreuz von seinem Platz entfernte.

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Doch

der Hofbesitzer wollte das liebgewonnene

Objekt nicht aufgeben und war vor die

schwierige Entscheidung gestellt, was er

damit tun sollte bzw. ob sich eine Restau-

rierung überhaupt noch lohnen würde.

Der erste Weg führte zum Denkmalamt,

um festzustellen, ob das Kreuz unter Denk-

malschutz stand. Der negative Bescheid ließ

die Besitzer noch ratloser in ihrer Entschei-

dungsfindung zurück, hatte man doch ge-

hofft, von dort zumindest eine Antwort auf

die Frage zu erhalten, wie denn das Kreuz

am besten erhalten werden konnte. Ein „in

Schönheit sterben lassen“

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des Kreuzes kam

für Herrn Unterrainer nicht in Frage, hatte es

doch für ihn einen hohen ideellen Wert.

Doch wie sollte man das Kreuz erhalten?

Eine Konservierungsmaßnahme durch einen

Restaurator wurde vorab ausgeschlossen, da

der desolate Zustand nicht erhalten werden

sollte, zudem schien eine professionelle

Restaurierung zu teuer. Nach langen Bera-

tungen entschloss sich die Familie zu einer

Renovierung

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des Kruzifixes im Sinne einer

Wiederherstellung und Teilerneuerung durch

den Kunsthandwerker Martin Egger.

Nach einer genauen Besichtigung und Be-

fundfeststellung des Corpus Christi wurde

erst das wahre Ausmaß des Verfalls sichtbar:

Ein Großteil des Hinterkopfes war abgefault

(Abb. 2), die restlichen Teile waren mit

einem Gemisch aus Leim und Sägemehl ca.

zwei Zentimeter dick überstrichen. Auf der

Skulptur waren mehrere Farbschichten an-

gebracht, besonders der Gesichtsbereich war

dadurch stark verunstaltet worden (Abb. 3).

Starke Schwundrisse verliefen vom Ober-

körper bis hin zu den Beinen. Der Oberkör-

per war zudem aufgrund des noch darin be-

findlichen Kernholzes stark rissig geworden.

Mehrere Teile, wie zum Beispiel am Len-

dentuch, hatten sich gelöst; sie waren not-

dürftig mit (modernen) Nägeln und Dübeln

befestigt worden. Teile des Lendentuchs und

des linken Oberschenkels waren stark ange-

fault, der Strahlenkranz nur noch in Resten

vorhanden. Bei einer älteren „Restaurie-

rung“ wurde der linke Fuß mit neuen Zehen

versehen, die jedoch viel zu groß proportio-

niert waren. In Absprache mit dem Kunst-

handwerker wurde beschlossen, den Corpus

soweit zu ergänzen, dass er wieder ästheti-

schen Ansprüchen gerecht würde, das heißt,

es sollte keine Restaurierung im strengen

Sinn durchgeführt werden, sondern eine

Wiederherstellung und Erneuerung, sowie

eine neue Fassung des Corpus, um ein best-

mögliches Ergebnis zu erzielen. Zur Ab-

deckung der doch erheblichen Kosten, die

eine solche Arbeit mit sich bringt, wurde

nach einer Kompromisslösung gesucht. Es

wurden daher einige Eigenleistungen durch

die Familie Unterrainer angeboten (wie das

Herstellen des Kreuzbalkens und das Ab-

kratzen der Fassung) sowie ein Gegen-

geschäft vereinbart.

Mit der genauen Beschreibung der durch-

geführten Arbeiten soll im Folgenden sicht-

bar gemacht werden, was am Endergebnis

häufig nicht mehr ablesbar ist, nämlich die

Anstrengungen, welche von Nöten sind, um

aus einer Ruine wieder ein Kunstwerk zu

machen. Zunächst wurde der stark ange-

faulte Kopf von der Fassung und von einem

dicken Sägemehlleimgemisch mittels Ab-

schaben und -kratzen befreit. Erst nach die-

ser Arbeit wurden weitere gravierende

Schadstellen sichtbar, wie eine frühere

schiefe Verleimung der rechten Gesichts-

hälfte, die zur Folge hatte, dass die Nase

schräg im Gesicht saß und weiters erschie-

nen Reste von falsch ergänzten Haarteilen,

die gegen die Faserrichtung des Holzes an-

gebracht waren. Auch wurden einige in die-

sem Zusammenhang angebrachte Nägel im

Gesicht entfernt. Um die Reste des Kopfes

zu befestigen und einen neuen Hinterkopf

aufzubauen, wurde ein breites Zirbenbrett im

Halsbereich eingestemmt und in richtiger Fa-

serrichtung eingeleimt (Abb. 4). Anschlie-

ßend wurde der Hinterkopf bildhauerisch er-

gänzt und das rechte Gesichtsteil sowie die

Nase passend mittels Leim befestigt und mit

dem Hinterkopf verbunden. Alle Ergänzun-

gen wurden schnitzerisch angepasst. Ein

dreizackiger Strahlenkranz, von dem nur

mehr ein kleiner Rest übrig war, wurde er-

neuert und angebracht. Am Torso wurden die

letzten Farbreste sowie eine Schicht aus dem

Sägemehlleimgemisch mechanisch abge-

kratzt und Nägel entfernt. Erst hier zeigte

sich, dass beim Torso schon einmal Ausspa-

nungen in kleineren Schwundrissen ange-

bracht wurden und sich daneben noch sehr

große Schwundrisse, Querrisse sowie un-

zählige Haarrisse gebildet hatten. Die Aus-

spanungen wurden gelöst und erneuert

sowie die großen Schwundrisse ausgefräst

und mit Zirbenholzbrettchen verschlossen.

Die Querrisse wurden ausgebohrt und mit

Holzdübeln verschlossen, die schmalen

Haarrisse mit einem Holzkitt versiegelt. Im

rechten Brustbereich war durch das Arbeiten

des Holzes in der Witterung der ganze Kern

ausgetreten, dieser musste ausgestemmt

und neu verschlossen werden. Bei diesem

Arbeitsschritt war es auch notwendig, die

Brustwarzen schnitzerisch zu erneuern. Die

Nägel hatten Löcher hinterlassen, die ebenso

ausgebohrt und mit Holzdübel verschlossen

werden mussten. Auf Abbildung 5 sind die

Arbeiten am Torso gut zu erkennen. Die hel-

len Stellen zeigen die Ergänzungen.

Auch am Lendentuch wurden diese Ar-

beiten durchgeführt – bei dem es sich nach

Abnahme einiger Fassungsschichten zeigte,

dass es ursprünglich blau gefasst gewesen

war. Zudem wurden abgefallene Teile

schnitzerisch ergänzt und mit dem Original

verbunden. Durch den starken Witterungs-

einfluss, der sich besonders auf die Beine des

Corpus Christi ausgewirkt hatte, waren diese

sehr stark rissig und angefault (Abb. 6).

Neben den Ausbesserungsarbeiten bei den

Rissen musste am linken Oberschenkel die

Oberseite bis zum Knie komplett erneuert

werden. Die Zehen, die immer problemati-

sche Stellen an einer Skulptur ob ihrer fili-

granen Ausführung bilden, waren beim Un-

terplanker-Kreuz in früherer Zeit am rechten

Fuß schon einmal in dilettantischer Weise er-

neuert worden, wodurch die Zehen am rech-

ten Fuß im Verhältnis zum linken viel zu

groß gerieten. Diese Zehen wurden gekürzt

und entsprechend dem Original (der Zehen

am linken Fuß) nachgeschnitzt. An der Fuß-

oberseite wurde das Wundmal ergänzt.

Neben dem Corpus war auch die Kreuztafel

durch die Witterung sehr mitgenommen wor-

den. Einige abgebrochene Teile mussten er-

neuert und ergänzt werden. Zuletzt wurden

der Corpus und die Kreuztafel neu gefasst.

Auf die Skulptur wurde eine Ölfassung auf-

Abb. 5: Torso während der Renovierungs-

arbeiten mit schnitzerischen Ergänzungen

(helle Stellen).

Fotos: Martin Egger

Abb. 6: Rechter Oberschenkel vor der Reno-

vierung mit starken Schwundrissen.