OSTTIROLER
NUMMER 6/2015
3
HEIMATBLÄTTER
Aufgrund des landwirtschaftlichen
Strukturwandels der letzten Jahrzehnte
lässt sich heute nicht mehr an der obigen
Aussage zur Häufigkeit der Art im vir-
gental und bei matrei festhalten: viele
offene trockenstandorte dieses Gebietes,
welche die Hauptlebensräume für den
Lienz-tragant darstellen, wurden inzwi-
schen teils zu intensivgrünland umgewan-
delt, teils wurde auch die traditionelle ex-
tensive Nutzung aufgelassen, sodass die
trockenrasen nach und nach verbuschen.
Durch den Gehölzaufwuchs werden je-
doch viele seltene lichtbedürftige Kraut-
schichtarten wie der Lienz-tragant ausge-
schattet. Heute ist daher
Astragalus leon-
tinus
in osttirol selten und nur mehr in
kleinen Beständen von wenigen Stand-
orten wie der Ruine Rabenstein bei virgen
(Abb. 3 und 4) oder von der Auffahrt nach
Zedlach bekannt. Zu verifizieren bleiben
die in der tirol-Flora von A. Polatschek
angeführten Fundorte in Kals (Ködnitztal)
sowie einige weitere meldungen um vir-
gen. Aufgrund der tatsache, dass der
Lienz-tragant in Österreich allein im
oberinntal, im Brennergebiet und im nörd-
lichen osttirol auftritt, kommt dem Land
tirol eine hohe verantwortlichkeit zum
Schutz dieser landesweit auch teilweise
geschützten Art zu. Es wäre jedenfalls be-
dauerlich, wenn diese ehrenvolle, Lienz im
Namen führende Pflanze bald nicht mehr
im Bezirk Lienz zu finden wäre!
Abgesehen vom Lienz-tragant beher-
bergen die inneralpinen trockenstandorte
noch eine Reihe weiterer an trockenheit
angepasste Spezialisten im Pflanzenreich,
so etwa die weltweit nur in osttirol, ober-
kärnten und im angrenzenden Südtirol vor-
kommende und damit in Österreich suben-
demische tauern-Sand-Esparsette (
Ono-
brychis arenaria
subsp.
taurerica;
Abb. 5),
den Wimpern-Spitzkiel (
Oxytropis pilosa
)
oder den Rundblatt-Hauhechel (
Ononis ro-
tundifolia;
Abb. 6). vielfach bestehen dabei
interessante Arealbeziehungen zu den pan-
nonischen Steppenrasen oder auch zu den
mediterranen Gebieten, die sich sowohl für
das tier- wie für das Pflanzenreich belegen
lassen, etliche Arten sind fast ausschließlich
auf diese trockenstandorte beschränkt. Aus
diesen Gründen kommt den inneralpinen
trockenstandorten, die gerade auch für
osttirol typisch und prägend sind, eine
hohe Naturschutzrelevanz zu.
Da die trockenstandorte osttirols bis-
lang jedoch nicht systematisch erfasst wur-
den, hat die Naturkundliche Arbeitsge-
meinschaft osttirol (NAGo) im letzten
Jahr das Projekt „Erfassung der Biodiver-
sität inneralpiner trockenstandorte in
osttirol und ihrer Bedeutung für den Na-
turschutz“ gestartet. Die Ergebnisse aus
dem „Pilotprojekt Ruine Rabenstein“ sind
in einem umfassenden Endbericht darge-
legt, der auf der NAGo-Homepage
(www.nago.or.at) zum freien Download
zu finden ist. Zudem werden die Ergeb-
nisse heuer auch in der Zeitschrift des
Naturwissenschaftlichen vereins Kärn-
tens „Carinthia ii“ publiziert.
Abb. 4: Bei der Ruine Rabenstein ist der Lienz-Tragant unter an-
derem mit der Alpen-Aster (
Aster alpinus
), dem Kriechenden
Gipskraut (
Gypsophila repens
) und dem Horn-Klee (
Lotus coni-
culatus
) vergesellschaftet.
Abb. 5: Tauern-Sand-Esparsette (
Onobrychis arenaria
subsp.
tau-
rerica
), subendemisch in Österreich; Matrei, 10.6.2005.
Alle Fotos: Oliver Stöhr
Abb. 6:
Rundblatt-
Hauhe-
chel (
Ono-
nis rotun-
difolia
), in
Österreich
nur in
Ober-
kärnten
und Ost-
tirol an
Trocken-
standorten
zu finden;
Auffahrt
Zedlach,
10.6.2005.
Abb. 3: Ruine Rabenstein bei Virgen, einer der letzten Standorte des Lienz-Tragants in
Osttirol.