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OSTTIROLER

NUMMER 6/2015

2

HEIMATBLÄTTER

Abgesehen von der regional bekannten

Lienz-Rose, welche eine Zuchtform dar-

stellt und als Symbol für Freiheit das Lien-

zer Stadtwappen ziert, wächst in osttirol

noch eine weitere Blütenpflanze, die im

Artnamen auf die Bezirkshauptstadt ost-

tirols hinweist. Es handelt sich um einen

vertreter aus der Familie der Schmetter-

lingsblütler (

Fabaceae

) – den Lienz-tra-

gant (Abb. 1). Dieser heißt wissenschaft-

lich

Astragalus leontinus

, wobei der Art-

zusatz „leontinus“ sich von „Leontium“,

dem lateinischen Namen von Lienz, ablei-

tet. Noch bemerkenswerter ist, dass diese

Pflanze vom Jesuiten Abbé marcus mayr

zum ersten mal für die Wissenschaft bei

Lienz entdeckt und dann vom bekannten

Kärntner Naturforscher Franz Xaver von

Wulfen im Jahr 1781 beschrieben wurde

(Abb. 2). Lienz ist also im wissenschaft-

lichen Sinn der „locus typicus“ der Art.

Neben diesen „patriotischen“ Aspekten

kommt dieser Pflanzenart aber auch eine

hohe Naturschutzrelevanz zu, steht diese

Art doch gegenwärtig in Österreich als

„stark gefährdet“ auf der Roten Liste –

Gründe also genug, um diese hierzulande

kaum bekannte Pflanze kurz vorzustellen.

Es handelt sich um eine ausdauernde,

niederliegende bis auf 20 cm Wuchshöhe

aufsteigende Art mit unpaarig gefiederten

Blättern und dichten, 10- bis 20-blütigen

Köpfchen. Die Blüten sind typische

Schmetterlingsblüten, bestehend aus

Schiffchen, Flügel und Fahne. Farblich

variieren die Blüten von purpurn über

blauviolett bis hin zu weiß; die Blütezeit

reicht von Juni bis August. Die Art kann

mit dem nah verwandten Esparsetten-tra-

gant (

Astragalus onobrychis

) verwechselt

werden, unterscheidet sich aber von dieser

Art durch die 6- bis 9-paarigen Blätter. Wie

alle Schmetterlingsblütler bindet auch der

Lienz-tragant über in Wurzelknöllchen be-

findliche Bakterien Luftstickstoff, der spä-

testens beim Absterben der Wurzel in den

Boden übergeführt wird. Über die Bedeu-

tung der Art als Futterpflanze für tiere,

v. a. insekten, ist bislang nichts bekannt.

Weltweit tritt die Art nur in den Alpen und

auf der Balkanhalbinsel auf, in Österreich

ist sie nur aus Nord- und osttirol bekannt.

Seehöhenmäßig ist der Lienz-tragant in

osttirol zwischen 1.000 und 1.400 m

(montanstufe) anzutreffen, in der Schweiz

(Wallis, Graubünden) steigt er bis auf

2.600 m auf.

Ökologisch ist der Lienz-tragant ziem-

lich anspruchsvoll und eng eingenischt, so

werden in erster Linie mager-trockene und

lichtreiche Standorte, insbesondere südex-

ponierte trockenrasen, lichte Föhren- und

Lärchenwälder sowie seltener auch Schutt-

halden besiedelt. Sporadisch kann die Art

auch auf trockeneren Fließgewässerallu-

vionen herabgeschwemmt vorkommen,

wie der nachfolgende, etwas eingekürzte

originaltext des Botanikers A. Ausserdor-

fer aus der mitte des 19. Jahrhunderts be-

legt:

„Sowohl Wulfen, welcher ihn ‚circa

Leontinum in arenosis prope Isolam‘ an-

gibt, als auch nach ihm Rauschenfels sam-

melten ihn auf dem Gruse am Ufer der

Isel, letzterer auch noch auf der Tristacher

Tratte am Ufer der Drau, in der Nähe von

Lienz. Seit Dezennien aber ist dieser

Astragalus bei Lienz trotz sorgfältigster

Untersuchung des Gebietes nicht wieder

aufgefunden worden. Dagegen kommt er in

der Umgebung von Windisch-Matrei und

im Thale Virgen sehr häufig vor. Man trifft

ihn dort stellenweise von den Bergabhän-

gen herab bis in das Inundationsgebiet des

Isel- und des Tauernbaches, und es unter-

liegt wohl kaum einem Zweifel, daß die

seinerzeit bei Lienz von Wulfen und Rau-

schenfels gesammelten Exemplare durch

die Isel angeschwemmt waren.“

Oliver Stöhr

Der Lienz-Tragant

Ein bedrohter „Osttiroler“ und eine Charakterart der inneralpinen Trockenvegetation

Abb. 1:

Porträt des

Lienz-Tragants

(

Astragalus

leontinus

), Ruine

Rabenstein,

8.6.2005.

Foto: Oliver Stöhr

Abb. 2: Der große Naturforscher Franz

Xaver von Wulfen hat den Lienz-Tragant

im Jahr 1781 wissenschaftlich beschrieben.

(Gemeinfreies Foto aus Wikipedia)