Lesachtal - Vom einstigen „Haarlangreiten“


Vom einstigen „Haarlangreiten“

Die Zeit von Advent bis ins neue Jahr kennt sehr viele Bräuche. Im Lesachtal und in Osttirol gab es früher auch das sogenannte „Hoarlangreiten“. Mit Hoar (Haar) ist der Flachs, die Flachsfasern, gemeint.

Um den 5. Jänner herum gab es gemeinsame Schlittenfahrten mit Hornschlitten in den Ortsgebieten. Das lief unter dem Motto „Hoarlangreiten“ oder „Hoarlangfahren“ und war mit dem Glauben und dem Wunsch verbunden, dass dadurch der „Hoar“, also die so vielseitig nützliche Naturfaser Flachs besonders lang und schön gedeihe. Es war ein Brauch mit Ausrufen bzw. kurzen Sprüchlein im Hinblick auf eine gute Flachsernte. Auch später, als kein Flachs mehr angebaut wurde, wurde der Brauch geübt.

Je länger die Bahn…

Auch in dem aktuellen Buch „Still.still.still. Weihnachten wie damals“ von Ingrid Pernkopf und Johannes Sachslehner findet sich u.a. ein Hinweis auf den alten „Bewegungszauber“ im Lesachtal, wie es hier genannt wird. Da liest man folgendes: „Beim „Haarlangfahren“ oder „Haarlangreiten“ fuhren am 5. Jänner die Kinder mit ihren Handschlitten von den Almen zu Tal, und zwar so, dass möglichst lange Bahnen entstanden. Je länger eine Schlittenbahn war, desto besser geriete, so glaubte man, im kommenden Jahr der Flachs. Das „Haarlangfahren“ war auch im niederösterreichischen Waldviertel, dem Zentrum des Flachsanbaus, bekannt; hier spannten die Bauern jedoch die Pferde vor den Schlitten, um eine möglichst lange Bahn zu erhalten“. So gibt der Brauch auch Auskunft über einstige bäuerliche Fertigkeiten, die sehr wichtig waren, viel Erfahrung und Sorgfalt erforderten. Flachsfasern (Lein) waren von sehr großer Bedeutung für die Leinen(stoff)-Herstellung und damit auch für die Kleidung. Leinenstoffe dienten früher auch als wertvolles Heiratsgut. Mancherorts wurde am Johannestag (24. Juni) ein kleines Kreuz in den Flachsacker gesteckt, um Erntesegen zu erbitten. In den Orten gab es sogenannte Brechelstuben, wo der auf Stangen gelegte Flachs mittels Feuer von unten gedörrt und danach gebrochen (gebrechelt) wurde. Als ortsbezogene Bezeichnung hat sich „Brechelstube“ (Brechelloch) auch noch da und dort noch erhalten, wie man dem Lesachtaler Ortsnamenbuch (Regina M. Unterguggenberger) entnehmen kann.

Vielseitige Faser

Mehrere Verarbeitungsschritte rund um den Flachs waren notwendig. Von der Aussaat (Leinsaat) im Frühjahr und dann ab der Flachsernte bis zu den spinnfähigen Fasern und weiter zum fertigen Leinen war es ein langer mühevoller Weg (mit den spezifischen Tätigkeiten wie Raufen, Riffeln, Rösten, Trocknen, Brechen, Schwingen, Hecheln, um so schließlich die kürzeren, groberen (Werch) und die längeren, feineren Flachsfasern verspinnen zu können). Alles wurde verwendet, die anfangs weggeriffelten wertvollen Leinsamen dienten zur Ölgewinnung und als Saatgut. Im Zug der Verarbeitung des Flachses war übrigens auch das sogenannte „Krageln“ beliebt. Zum Spaß und um sich gegenseitig zu necken wurden von den Frauen den Männern, die gerade vorbeikamen, eine Flachssträhne um den Hals geschlungen.

Karl Brunner

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