Corona - „Telefonate sind nur ein schwacher Trost"


„Telefonate sind nur ein schwacher Trost"

Für Krankenhäuser und Pflegeheime gelten jetzt wieder, wie beim ersten Lockdown, strenge Besuchsregeln zum Schutz von Patienten und Personal. Wenn Corona Familien trennt, leiden aber auch die Angehörigen, wie die Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin Dagmar della Schiava aus eigener Erfahrung erzählen kann.

Zu Beginn dieses Jahres war alles noch fast normal, beginnt Dagmar della Schiava aus Baldramsdorf. „Mein Vater, er war 92 Jahre und hatte gerade Geburtstag, lag aber im Krankenhaus. Er entschied sich, seine Feier mit uns elf Kindern zu verschieben. Da wusste noch keiner, was kommen wird." Da sein Allgemeinzustand mit zunehmendem Altem doch schlechter wurde, entschied sich die Familie, dass er ins Pflegeheim kommen sollte. Er war schon angemeldet, wusste davon und war einverstanden. „Natürlich wäre er lieber zuhause geblieben, aber er akzeptierte diese Entscheidung", erzählt sie. „Mein Bruder und ich begleiteten ihn Anfang März in sein neues Heim. Ein sonniger, warmer Frühlingstag. Wir richteten sein Zimmer liebevoll ein mit Dingen aus seiner Wohnung. Auf seinen Tisch im Zimmer wartete bereits eine Lego Technic-Packung, denn er hat immer gern gebastelt. Seine Augen strahlten wie bei einem kleinen Kind, wie zu Weihnachten. Er riss die Packung auf und stürzte sich sogleich darauf. Trotz des bitteren Beigeschmacks eines kleinen Abschiedes war dies eine Freude."

Dann, die nächsten Tage, machten sich doch wieder Unwohlsein, leichte Fieberschübe usw. bemerkbar. Nichts Ungewöhnliches in seinem Fall. Doch dann begann die Zeit mit Corona. Lockdown, Besuchsverbot, OP Absagen usw. Also kein Arztbesuch und kein Krankenhausaufenthalt - so akut war es vielleicht doch nicht. „Zu der Zeit war kein Besuch möglich, nur Telefonate. Besser als nichts, aber doch nur ein kleiner Trost, im Wissen, dieser Mensch muss jetzt alleine, ohne seine Familie, diese Zeit, diesen Neubeginn und doch seine wissend letzte Station starten. Meine Kinder waren traurig, weil sie ihn schon lange nicht mehr sehen konnten und wohl auch wussten, dass es vielleicht auch nicht mehr passieren wird." Dann kam der 18. April. Della Schiavas Vater saß nachmittags in seinem Zimmer und bastelte. Es ging ihm nicht so schlecht, aber auch nicht ganz gut. Um 3 Uhr nachts läutete das Handy. Della Schiavas Schwester teilte ihr mit, dass der Vater in das Krankenhaus gebracht wurde. „Er war nicht ansprechbar. Wir wussten, dass dies bedeutete, Abschied zu nehmen", erinnert sie sich. Aufgrund der Lockdown-Verordnungen war es nicht gestattet, ihn einfach zu besuchen, das musste zuerst mit dem Arzt abgeklärt werden. Einige Zeit später kam dann aber die traurige Nachricht: "Er war von uns gegangen. Leise, still und alleine. Die Ironie – jetzt durften mein Bruder und ich nochmals zu unserem Vater, um uns zu verabschieden. Wir standen an seinem Bett und wussten nicht so recht, wie wir damit umgehen sollten. Meine Kinder können nicht wirklich abschließen, nicht begreifen". Und doch vielleicht – Schicksal oder nicht - es war der 19.April, sein Hochzeitstag. Ein paar Tage später wurden die Lockdown-Regeln geändert und so durfte die Familie wenigstens am Begräbnis teilnehmen. Mit dem Erzählen dieser ganz persönlichen Erlebnisse in der Zeit, geprägt von Abstand, Angst und Unsicherheit, will die Dipl. Gesundheits- und Krankenpflegerin einen Aufruf starten, einen „Aufruf an unsere Menschlichkeit, an unsere Liebe zueinander und die Wichtigkeit von Umarmungen. An das Leben im Jetzt, denn später kann zu spät sein."

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