„Klimarettung kennt keine Grenzen“
Es geht um Großes. Es geht um die Rettung der Welt – das war der Tenor beim Forum Antrhropozän, das dieses Wochenende in Mallnitz über die Bühne ging.
Das Anthropozän, also das menschengemachte Zeitalter des Heute, stellt die Menschheit vor klimatisch unerlässliche rettungstechnische Notwendigkeiten. Diese menschlich erforderlichen Handlungsräume stehen im Mittelpunkt des international vielbeachteten Forums, dem Daniel Dahm, der Promoter von Maßnahmen der Lebensdienlichkeit, als Impulsgeber zur Freude von Organisatorin Sabine Seidler gar transkontinentale Bedeutung attestierte. Die Maßnahmen wie die Notwendigkeit der Klimarettung kennen eben keine Grenzen.
Daniel Dahm zitierte auch Rachel Carson, die schon vor 60 Jahren die Frage stellte: „Wollen wir das, was wir an Lebensvernichtung in die Welt tragen, auch in der Zukunft so machen?“ Wobei er auch die Anthroposhäre als die von Menschen bestellte Atmosphäre ins Bewusstsein rief. Doch nach einem Rückblick auf die Anfänge der Ökologiebewegung und „Die Grenzen des Wachstums“ (1972, Club of Rome) kam Dahm mit eindringlichen Worten zum alarmierenden Schluss, der jeden von uns nicht nur aufrütteln, sondern zum Handeln bringen sollte: „Vollziehen wir keine radikale Wende, werden wir Mitte der 20er Jahre (!) in einem ökologischen Desaster stehen.“ Besonders dramatisch: Dahm ist ein Wissenschaftler, der schon 1999 vor Pandemien als Folge der Klimakatastrophe gewarnt hatte.
Weiter ging es mit dem populären Format des von der deutschen Wochenzeitung präsentierten „ZEIT“-Gesprächs „ANPASSUNG.FÄHIG?“ Den ungestümen Wachstumsphantasien stehen unübersehbare Alarmismen im Bereich der Lebensgrundlagen der Menschheit gegenüber. Wir stehen an dramatischen Kipppunkten des Systems. Genau dort stellt das Forum Anthropozän (nächstes Jahr wieder in Heiligenblut am Fuße des Großglockner den Wegweiser zur begründeten Gegenbewegung auf).
Wir leben alle in einem Umweltkrimi, der an Spannung und Dramatik nicht zu überbieten ist. Deshalb beschönigte Landeshauptmann Peter Kaiser den Ernst der Situation keine Sekunde: „Wir haben Helga Kromp-Kolb in unsere Klimastrategie involviert und so manche Kopfwäsche von ihr bekommen, weil es viel zu langsam geht. Wir werden daran arbeiten müssen, unsere Widerstandsfähigkeit zu erhöhen und Paradigmenwechsel einleiten. Die Politik muss zur Verlustminderung für die Bevölkerung beitragen!“
DIE ZEIT-Redakteur und Moderator Fritz Habekuß brachte das Dilemma auf den Punkt: „Es ist nicht einfach, an diesem wunderschönen Ort im Nationalpark Hohe Tauern über das Ende der Welt zu reden.“ Um gerade deshalb statt Untergangsstimmung auch positive Lösungsansätze einzufordern. Für Genetiker Markus Hengstschläger sind das die Possibilisten. jene, die an die Ermöglichung denken. Längst sind wir alle vom Klimawandel betroffen. Hengstschläger: „Wir müssen Kontextverständnis wecken. Bei so viel Wissen wie noch nie, wissen das Wesentliche noch nicht genug Menschen. Die Zukunft gehört der Empathie und den Empathieberufen.“
Umweltmediziner Hans-Peter Hutter würde am liebsten alle belohnen, die etwas für den Umweltschutz tun. „Veränderungen sind immer schwierig durchzusetzen. Bei der Klimakrise ist es so wie mit vielen Patienten, die erst kommen, wenn es richtig weh tut“, befand Hatte am Podium.
LH Kaiser appellierte an Solidarität: „Unser Ziel muss Daseinsvorsorge vor Genussbefriedigung sein. Dazu Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Noch mehr Dialog der Politik mit der Wissenschaft. Wir erleben eine Krise der Demokratie - nur etwa 25 % der Menschheit leben in demokratieähnlichen Staatsgebilden. Wir benötigen radikale Veränderungen. Was wir gerade erleben, ist ein Ende der lange gehegten Wirtschaftsillusionen. Wir haben den Kapitalismus betriebswirtschaftlich gelesen und nicht volkswirtschaftlich. Das Fortschrittsnarrativ gilt nicht mehr. Es kann nicht nur besser und mehr werden! Als Gesellschaft müssen wir resilienter werden und stärkere Begleitung der Verlustminimierung unserer Schwächsten bieten.“
Wirtschaftliche Expertise dazu kam von der Ökonomin Sigrid Stagl: „Eine ökologische Ökonomie muss kommen, die wirtschaftliche Wege liefert, um in biophysischen Grenzen erfolgreich zu sein. Das benötigt Kostenwahrheit und ein klares Verursacherprinzip. Weltweit sind 80 % der Klimagase noch ohne Bepreisung. Unser Bruttoinlandsprodukt ist Mittel zum Zweck, aber kein Ziel schlechthin!“ Professorin Stagl bewarb ihre Entkoppelung hin zu einem mehrdimensionalen marktökonomischen Erfolgsmodell. Die Volkswirtschaft wird dann zur effizienten Wissenschaft der Versorgungssysteme.
Die deutsche Meeresbiologin Antje Boetius appellierte ans Bewusstsein. Es gelte Handlungsräume für alle zu schaffen. „CO2, das einmal in die Luft geblasen ist, ist für Jahrhunderte, Jahrtausende in der Atmosphäre - das muss uns klar sein“, erinnerte Boetius.
Fazit: Alarmismus von der Klimafront. Es gibt nicht nur einen so bedauerlichen Krieg in der Ukraine. Die Menschheit hat einen Krieg mit anderen Mitteln gegen die Umwelt geführt und nun verlangt der Friedensschluss fünf vor 12 Hellhörigkeit und Handlungsbereitschaft von allen. Dafür gibt es das Forum Anthropozän in seiner fünften Auflage. Die Bedeutung ist nicht hoch genug einzuschätzen wie die hochkarätige WissenschafterInnen-Runde beim ZEIT-GESPRÄCH dem Nationalpark-Direktor Peter Rupitsch und Gastgeber Mallnitz-Bürgermeister Günther Novak versicherte. Biologin Boetius forderte noch ein: „ Es muss Beispiele geben, wo sich die Menschen wiederfinden, damit sie verstehen, wie sie agieren können.“