Aus Starköchin wurde Bloggerin
Sissy Sonnleitner, viel bewunderte dreifache Haubenköchin und Unternehmerin aus Mauthen, ist nunmehr Bloggerin. In ihrem „Unruhestand“ möchte sie Frauen Mut machen, in ihre Kraft zu kommen. Sie will den Menschen Seelennahrung und Kraftworte schenken.
Kochen war ihr Beruf und ihre Berufung. Mit ihrer selbst kreierten Alpen-Adria-Küche und Top-Gastronomie feierte sie größte Erfolge und erhielt höchste Auszeichnungen. Damit hat sie auch wesentlich dazu beigetragen, dass die Region heute zur Slow Food-Region aufgestiegen ist. Ihre Bücher vermitteln ihre kreative Kochkunst, nämlich die Verbindung von Tradition, Gegenwart, Region (Kärnten/Italien) und Lebensphilosophie, einmalig gelungen sind ihr die Belebung und phantasievolle Erweiterung traditioneller Gerichte. Ihre vier Erfolgsbücher: „Um einen Tisch (1995), „Alpen Adria Küche“ (mit Karin Longariva) (2002), „Karnischen Aromen“ (2005), „Spargel zwischen Alpen und Adria“ (mit Waltraud Jäger und Ami Scabar) (2014). „Frauen kochen, um zu beglücken und Männer, um zu imponieren“, zitiert sie mit Augenzwinkern diesen Spruch, um auch hier die weibliche Position hervorzuheben. Das Wort „Mahlzeit“ bedeutet für sie nicht weniger als Lebenszeit und Lebenszufriedenheit. Auf meine Frage nach ihrem Lieblingsgericht antwortet sie: die Linsensuppe meiner Mutter.
Alltags-Themen
Nach einem halben Jahrhundert ist sie 2019 als Köchin und Unternehmerin in den sogenannten wohlverdienten Ruhestand gegangen, aber nicht wirklich, denn sie ist weiterhin sehr beschäftigt und freut sich darüber, etwas Neues tun zu können. Auch die Pandemie bestärkte sie dazu. Denn: „Jede und jeder von uns muss herausfinden, worin ihr bzw. sein persönlicher Beitrag besteht“, hatte der von ihr sehr geschätzte Viktor Frankl einmal gesagt und das gelte jetzt auch für sie. Jahrelang widmete sie ihre Fürsorge ihrer Familie sowie ihrem leidenschaftlichen Engagement als Gastgeberin ihrer Spitzenküche, also der sorgfältigen und kreativen Verarbeitung von hochwertigen Produkten. Die Paradeköchin ist jetzt Bloggerin. Die Klammer über diese beiden Lebensbereiche ist ihr Credo: „Ich diene dem weiblichen Antlitz der Erde“. Ihr Blog heißt vielsagend www.liebeschafftalles. Ihre Themen sind allgegenwärtig: Angst, Freude, Aufbruch, Urkraft, Spiritualität, Liebe und Selbstliebe, die Rolle der Frau in Kirche und Gesellschaft, usw. Schon seit über drei Jahrzehnten habe sie auch immer gerne geschrieben. Nun will sie ihren neuen Lebensabschnitt dazu nutzen, Gedanken, Kraftworte und spirituelle Schätze weiterzugeben. Erfahrungen und Erkenntnisse aus einem intensiven Leben. Keinesfalls gehe es dabei gegen die Männer, sondern darum, dass Frauen „ihre Verantwortung für die Welt übernehmen und dem weiblichen Antlitz der Erde dienen. Das können wir, wenn jede Einzelne in ihre Kraft kommt und Frauen ihr Wir entdecken und damit Macht besitzen, um dem Leben zu dienen“, macht sie deutlich.
Großer Umbruch
Von ihrer lebenslang sehr fleißigen, pflichtbewussten Mutter lernte sie arbeiten, kochen und Pflichterfüllung, vom Vater und auch vom Mann Kurt – Sissy ist seit dreieinhalb Jahren verwitwet - lernte sie die Liebe zur Natur, zur Musik, Humor und Religion. Ernst und Frohsinn sind ihr eigen, sie ist Mutter von vier Töchtern und hat drei Schwestern (eine ist bereits verstorben). Über zehn Generationen hat ihre Familie ein Traditionshaus in Mauthen im Gailtal betrieben. Fünf Generationen Färberei, fünf Generationen Gasthaus. In ihrer Generation entstand daraus ein kleines, feines Landhaus mit einer sehr ambitionierten Küche. Sie war „Köchin des Jahres“ 1990, hatte einen Michelin-Stern, Gault & Millau verlieh ihr drei Hauben und das Branchenmagazin „Der Feinschmecker“ zählte sie zu den zehn besten Köchinnen Europas. 2019 hat sie gemeinsam mit ihrer Tochter Stefanie das Haus geschlossen. „Ein großer Umbruch. Alleinsein nach so viel Hektik und Betriebsamkeit. Dieser Ausnahmezustand hat meine Lebensleidenschaft, das Thema Frau und das Schreiben ganz nach oben gespült“, sagt die beliebte Gastgeberin, die ihre Koch-Kellnerlehre im elterlichen Betrieb und an der Berufsschule Oberwollanig gemacht hatte. Mit 17 Jahren lernte sie ihren Mann Kurt kennen, einen fein gestrickten Techniker aus Baden bei Wien. Mit 23 Jahren wurde geheiratet. Er war der Stratege, der ihr ihre große berufliche Erfüllung gebracht habe. Er sei auch ein kritischer, detailverliebter Geist, ein Visionär gewesen. Familie, Kochen, Garten, der Betrieb, das liebevolle Ausgestalten ihres Hauses, die Gastfreundschaft waren ihre Leidenschaften und die Geschenke ihres Lebens.
Frauen stärken
Aus ihrem Glauben, ihrer Religion schöpft sie viel Kraft. Auf ihrem Weg, als Frau zum „Ich bin“ sei ihr die Kirche allerdings nicht sehr hilfreich gewesen. Neben ihrer Familie fand sie viele inspirierende Anregungen und hilfreiche Gedanken bei großen, berühmten Denkerinnen und Denkern sowie Schriftstellerinnen und Schriftstellern. „Liebe schafft alles“, so heißt ihr Blog. Die Liebe, die man in sich spürt, eine Quelle, die sprudelt und die man schenkend und sich verschenkend andere spüren lässt. „Ich bin überzeugt vom Potenzial, das wir Frauen in uns tragen und das wir ausschöpfen müssen. Diese Kraft ist notwendiger denn je – und Liebe schafft alles“. Die zahlreichen positiven Reaktionen für Hilfe und Unterstützung bestätigen den neuen Aufbruch der früheren Haubenköchin. Eine selbstbewusste talentereiche Frau mit viel Herz und „voll blutroter Energie“, wie sie ihren „Hl. Geist“ bezeichnet. Obwohl ihr Verhältnis zur Kirche gespalten ist, engagiert sich Sissy als Pfarrgemeinderatsobfrau, um auch das weibliche Antlitz der Kirche mitzugestalten. Als weitere Hobbys nennt sie die Familie samt den sieben Enkeln, Gartenarbeit, Schwimmen, Zitherspielen und Reisen. Es ist sehr spannend, ihr zuzuhören. Eine höchst bewundernswerte Frau.
Karl Brunner
