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Holzdächer, Zäune, Herpfen und
alles Brennbare verheizt. Auch
regen Handel mit gestohlenen
Gütern, Rindern, Pferden und
Kriegsmaterial betrieben diese
Männer, um überleben zu kön-
nen. In Tilliach wüteten diese
Truppen noch ärger, erzählt wird,
dass sie dort sogar vergrabene
Lebensmittelvorräte
gefunden
und gestohlen hätten.
Auch die in Kartitsch bis zum
Kriegsende von Soldaten bewach-
ten Militärlager auf der Monegge,
in Boden, Neuwinkl, Gärber und
Leiten wurden, da sie nun unbe-
wacht waren, geplündert und leer-
geräumt. Neben den durch das
Tal ziehenden Soldaten waren
dabei auch Zivilpersonen vom
Ort und ebenso von den Nachbar-
gemeinden beteiligt. Die Gendar-
merie musste dem Treiben völlig
machtlos zusehen. Zwar wurde
am 4. November eilig eine
„Einwohnerwehr“ zu ihrer Unter-
stützung aufgestellt, doch betei-
ligten sich diese Leute selber bei
den Diebstählen. Viele hielten
diese Waren für herrenloses Gut
und das Mitnehmen als Entschä-
digung für Kriegsschäden.
Pfarrer Josef Koller schrieb am 9.
November 1918 in der Pfarrchro-
nik: „Hiesige militärische Maga-
zine werden von unseren Leuten
geplündert!!! Occulta compensa-
tio??“ (Etwa: Welch dunkler Aus-
gleich?)
Überall im Dorf, besonders aber
bei Straßen und Wegen wurden
Waffen, Ausrüstung und Kriegs-
gerät weggeschmissen und noch
Jahre später wurde im St. Oswal-
der Kirchturm Mengen an gehor-
teter Kriegsmunition gefunden.
Ähnlich dramatisch und katastro-
phal verlief der Truppenrückzug
im Pustertal.
Um den 4. November kamen in
Hollbruck und Kartitsch die ers-
ten Heimkehrer nach Hause. Ver-
ständlicherweise waren viele auf-
gebracht ob des unrühmlichen
Kriegendes und der umsonst ge-
dienten Kriegsjahre, durchwegs
überwog aber doch die Freude
über die glückliche Heimkehr.
Für manche dauerte die Kriegsge-
fangenschaft aber bis zu zwei
Jahre.
Italienische Einheiten rückten ab
4. November durch das Etschtal
ungehindert nach Norden, besetz-
ten alle größeren Orte Südtirol,
überschritten den Brenner und
marschierten am 12. November in
Innsbruck ein. Dabei wurden um
den 7. November auch Toblach,
Innichen, Sexten und Sillian be-
setzt und in Tassenbach eine Stra-
ßen- und Bahnkontrolle einge-
richtet.
Durch eine Infanterieabteilung
von 18 - 20 Mann wurde auch
Hollbruck besetzt. Am 15. No-
vember wurden zwei Gendarmen
des Postens Kartitsch bei einem
Patrouillendienst in Hollbruck
von dort stationierten italieni-
schen Besatzungssoldaten verhaf-
tet und dem Kommando in Sillian
vorgeführt. Dort wurden sie wie-
der freigelassen mit der Weisung,
den Sicherheitsdienst in Holl-
bruck, St. Oswald und Kartitsch
zu unterlassen. Nach behördlicher
Beschwerdeführung wurde der
Gendarmerie in Kartitsch wieder
der Dienst mit der Waffe ab 12.
Dezember 1918 gestattet, aller-
dings wurde am 13. Dezember
die italienische Besatzungsabtei-
lung von Hollbruck abgezogen.
Spanische Grippe
Überraschend schnell breitete
sich ab August 1918 von Spanien
kommend über den italienischen
Kriegsschauplatz bis in unsere
Gegend eine bisher nicht bekann-
te Krankheit aus, die spanische
Grippe, die als direkte Folge der
Unterernährung und Schwächung
des Immunsystems ihren Tribut
forderte. In Kartitsch mit Holl-
bruck fielen dieser Krankheit in
den letzten Kriegswochen bis An-
fang Dezember 22 Bewohner
zum Opfer, wobei an einem Tag
fünf Verstorbene beerdigt werden
mussten.
Ludwig Wiedemayr
Zu Tausenden strömten die heimkeh-
renden Soldaten zu den Bahnhöfen, hier
Menage im Bahnhof Bozen
Auch Hollbruck wurde im November
1918 von italienischen Soldaten be-
setzt.
Rückzug der geschlagenen k.u.k. Ar-
mee, hier zwischen Sillian und Panzen-
dorf.